Transkulturelle Aspekte in der Deutschweizer Literatur

Ausgabe 1 /2017

Jonny Johnston; Trinity College Dublin1

Das der Schweizer Literatur gewidmete Symposium unter dem Titel ‘Transkulturelle Aspekte in der Deutschschweizer Literatur’ wurde vom 12.5. bis 14.5.2016 am Germanistischen Institut der Universität Maribor in Slowenien veranstaltet. Germanist/innen aus elf europäischen Ländern und aus den USA versammelten sich, um die Deutschschweizer Literatur aus neuen Perspektiven zu erforschen. Die Tagung konnte dank einer großzügigen Unterstützung von der Universität Maribor, der Schweizerischen Botschaft in Slowenien und der Kulturstiftung Pro Helvetia organisiert werden.

Außer den angesehenen Experten der Auslands- und Inlandsgermanistik öffnete die Tagung ihre Tore auch den aufsteigenden jungen Forschern, die sich mit der Schweizer Literatur auseinandersetzen. Die Zusammenkunft der Wissenschaftler, die nicht nur verschiedene Generationen sondern auch Länder vertreten haben, hat den Meinungsaustausch wesentlich befruchtet. Es war die jüngste Tagung in der Reihe, die durch eine informelle internationale Forschungsgruppe vorher schon in Madrid/Salamanca und Leipzig (2005), Wrocław (2007), Bergen (2009), Porto (2011) und Glasgow (2014) organisiert wurden. Fachgespräche wurden durch eine literarische Perspektive auf die Transkulturalität bereichert, die der Schweizer Schriftsteller Franco Supino in seiner Lesung präsentierte.

Ausgangspunkt der Tagung war die Anerkennung von sogenannten Diskursen der Transkulturalität in der Literatur der Deutschschweiz. Unter anderem wurde auf Begriffe und Konzepte von Theoretikern wie Homi K. Bhabha und Wolfgang Welsch zurückgegriffen, die dann diskutiert und auf die Kulturproduktion der Schweiz transponiert wurden. Auf diesen Grundlagen wurden Fragen nach der Transkulturalität, dem interkulturellen Austausch, der Migration innerhalb und außerhalb eines westeuropäischen Zusammenhangs, der Heimat, der Intertextualität und den Grenzen zwischen Realität und Fiktionalität bearbeitet.

Am ersten Tag des Kongresses skizzierte der Dekan der Fakultät die Geschichte der Universität und die Tagung wurde von der schweizerischen Botschafterin in der Republik Slowenien eröffnet. Peter Utz [Lausanne] hielt einen Vortrag über Entgrenzungsstrategien in Peter Webers Die melodielosen Jahre. Anschließend wurde von Dariusz Komorowski [Wrocław] ein Referat über Fritz Ernst in Hinsicht auf den Topos ‚Helvetia Mediatrix’ vorgetragen. Dominik Müller [Genf] hielt einen Vortrag über Im Zementgarten von Raffael Ganz; Teresa Martins de Oliveria [Porto] sprach über das Motiv des Mordes an Arthur Bloch und Anna Fattori [Roma] referierte über Intertextualität im Werk Robert Walsers. Im dritten Panel des Tages wurden Konzepte des magischen Realismus und der Alterität in der Schweizer Literatur entworfen (Isabel Hernández [Madrid], Heidy Margrit Müller [Brüssel], Jonny Johnston [Dublin]). Eine Lesung von Franco Supino [Solothurn] folgte nach zwei Vorträgen von Margrit Verena Zinggeler [Michigan] und Daniel Annen [Schwyz] über transkulturelle Vernetzungen und die Problematik des Selbst und des Fremden.

Beatrice Sandberg [Bergen] eröffnete den zweiten Tag des Symposiums mit einem Vortrag über die erste Ausgabe des Debutromans Meral Kureyshis Elefanten im Garten. Identifikationskonzepte und Fragen bezüglich des Topos Heimat wurden von Corinna Jäger-Trees [Bern] und Renata Cornejo [Ústí nad Labem] evoziert. Ján Jambor [Prešov] und Siobhán Donovan [Dublin] hielten im Anschluss zwei Vorträge über transkulturelle Werke des Schriftstellers Yusuf Yesilöz. Die Vorträge von Dorota Sośnicka [Szczecin] und Tanja Žigon [Ljublana] über transkulturelle Aspekte im Werk Zuzsanna Gahses und Dana Grigorceas schlossen thematisch sehr gut an das Tagesthema an. Gonçalo Vilas-Boas [Porto] hielt einen Vortrag über die Entgrenzung von Fremdem und Eigenem bei Martin R. Dean. Vesna Kondrič Horvat [Maribor] beendete den Tag mit ihrem Vortrag über Reisen als Motiv in der transkulturellen Literatur der Ostschweiz. Zum Abschluss der Tagung griff Peter Rusterholz [Bern] mit seinem Vortrag über Hundert Tage von Lukas Bärfuss das Thema der Transkulturalität auf und Neva Šlibar (Ljubljana) sprach über die Rolle des Mittelmeeres in Christoph Kellers Roman Übers Meer.

Aus chronologischer Sicht wurden im Laufe der Tagung viele Texte aus sehr unterschiedlichen Epochen behandelt, unter anderem kanonische Musterwerken des Modernismus. Problematisiert wurden auch neuste und frühere Werke von emigrierten Autor/innen. Impliziert wurden Parallelen zwischen den Topoi Migration und Postkolonialität in der Deutschschweizer Literatur. Mehrere Fachexperten richteten ihre Forschungsziele auf eine klare Darstellung von Inklusion- und Exklusionsmechanismen in zeitgenössischen Texten aus. Im Laufe der Tagung wurde klar, dass die Transkulturalität ein bemerkenswerter Trend in der Literatur der deutschen Schweiz geworden und von einer hohen kulturwissenschaftlichen Relevanz geprägt ist. Die Beiträge sind bereits im Tagungsband zu lesen: Vesna Kondrič Horvat (Hg.): Transkulturalität der Deutschschweizer Literatur. Entgrenzung durch Kulturtransfer und Migration. Metzler Verlag, Wiesbaden 2017.


  1. Der Autor dieses Berichtes ist dem irischen Forschungsfond (Irish Research Council) für die finanzielle Unterstützung besonders dankbar, welche seinen Vortrag und die Reise nach Slowenien ermöglichte.