Jürgen Barkhoff; Universität Dublin
Ausgehend von Max Frischs Rede Was ist Heimat? untersucht dieser Beitrag in einem ersten, allgemeiner gehaltenen Teil, wie sich das Verständnis von Heimat unter den Bedingungen der Globalisierung verändert. Unter Rückgriff auf neuere Arbeiten insbesondere zu den kulturellen Folgen der Globalisierung steht dabei die Frage im Mittelpunkt, ob und wie sich der für den Heimatbegriff und seine identitätsstiftenden Funktionen konstitutive enge Bezug zur topographischen Verortung in einer vertrauten Lokalität lockert. Dabei wird auch die wichtige sentimentalisch-imaginative Komponente des Heimatbegriffs diskutiert. Außerdem wird gefragt, wie ein aktives, die dominanten Mechanismen der Ausgrenzung überwindendes und mit hybriden Identitätsmodellen kompatibles Heimatkonzept aussehen kann, das den Anforderungen der Globalisierung angemessener ist und besser Rechnung trägt als die historischen, stark auf Sesshaftigkeit, Homogenität und Kontinuität rekurrierenden Heimatmodelle.
In einem zweiten Teil werden diese Überlegungen an den Texten von zwei sehr unterschiedlichen Schweizer Autoren erprobt, die sich intensiv mit ihrer Heimat auseinandergesetzt haben. In Thomas Hürlimanns essayistischen Beobachtungen zu den Veränderungen, die die Globalisierung in seiner Heimatstadt Zug bewirkt hat, artikuliert sich eine scharfsichtige Globalisierungskritik, die den Heimatverlust auf der Zeitachse des gelebten Lebens reflektiert und dabei ökonomische, gesellschaftliche und kulturelle Prozesse und Phänomene überzeugend aufeinander bezieht. Melinda Nadj Abonjis autobiographischer Roman Tauben fliegen auf verhandelt schwierige und schmerzhafte Prozesse des Heimatverlustes und der Beheimatung in der Schweiz unter den Bedingungen gesteigerter Mobilität und Migration, indem er die transitorischen Bewegungen der Ich-Erzählerin und Protagonistin zwischen ihrer serbischen Ursprungsheimat in der Vojvodina und der Züricher Goldküste beschreibt und reflektiert.Schlüsselwörter:
Heimat, Zugehörigkeit, Globalisierung, Schweiz, Identität, Literatur der MigrationBelonging and Place in the Age of Globalisation. The case of Swiss ‘Heimat’
Taking Max Frisch’s speech Was ist Heimat? as a starting point, this contribution investigates in a first more general part, how our understanding of Heimat changes under the conditions of globalisation. Drawing on recent work especially on the cultural effects of globalisation, it asks in particular how the relationship between place, territory and cultural identity is affected and how this in turn affects the concept of Heimat, as it is so closely linked to notions of place and belonging. In doing so it looks also at the important nostalgic and imaginary components of Heimat. It then asks how an active concept of Heimat could look like that would overcome its inherent mechanisms of othering and exclusion and would be more comaptible with models of hybrid identities. This would be a concept of Heimat more adaptable to the challenges of globalisation than the historic ones with their strong emphasis on continuity, homgeneity and settledness.
In a second part these ideas are tested and concretised by looking at texts from two very different Swiss authors. Thomas Hürlimann’s essayistic reflections about the changes globalisation has brought upon his hometown Zug articulate an insightful and sharp critique of globalisation, which observes the loss of Heimat on the temporal axis of a lived life. In doing so Hürlimann relates in a convincing way economic, societal and cultural processes. Melinda Nadj Abonji’s autobiographical novel Tauben fliegen auf negotiates difficult and painful processes of loosing once Heimat and of actively working to gaining a new one under the conditions of increased mobility and migration. It is doing so by tracing the transitory movements of its first-person narrator and protagonist between her original Serbian Heimat in the Vojvodina and the Zurich of the so called goldcoast and by reflecting on them.Keywords:
place, belonging, globalisation, Switzerland, identity, literature of migration
Heimat hat Konjunktur; auch und gerade in der Schweiz. Im Nationalratswahljahr 2019 bekannten sich fast alle Schweizer Parteien einschliesslich der Sozialdemokraten zur Heimat, wenn auch mit unterschiedlichen Akzentuierungen.1 Die Schweizerische Volkspartei SVP, die auf Heimat lange ein Monopol zu haben schien und mit der Berufung auf einen starken Heimatbegriff ihre euroskeptischen und fremdenfeindlichen Positionen identitätspolitisch unterfütterte, widmete der Heimat in ihrem Parteiprogramm sogar ein ganzes Kapitel, das unter dem Titel „Wir sind Heimat“ die Kernkompetenz in Sachen Schutz der Heimat vor den Folgen der Gloablisierung für die SVP reklamierte. Wenig überraschend wurde darin gegen Personenfreizügigkeit und Multikulturalismus vor allem das Konzept einer starken schweizerischen Leitkultur propagiert, zu der Geschichte, Werte, Brauchtum und Traditionen ebenso gehören wie „Schweizer Dialekt, die Musik, frisches Trinkwasser, knuspriges Brot, der Cervelat, ja sogar das ‚Aromat‘“,2 und an die sich anzupassen als klare Forderung an Zugewanderte formuliert wird.
Heimat ist kontrovers; auch und gerade in der Schweiz. Der locus classicus des neueren, kritischen Heimatdiskurses ist Max Frischs Rede von 1974 zur Verleihung des Großen Schillerpreises Was ist Heimat? In einer für Frisch typischen, in den Tagebüchern zur Meisterschaft entwickelten, weit ausgreifenden, vorsichtig erkundenden Suchbewegung, die Persönliches und Gesellschaftliches mischt und mehr Fragen als Antworten enthält, berührt Frisch viele zentrale Aspekte von Heimat: den Ort des Herkommens und Aufwachsens, Quartier, Stadt, Kanton und Region, die Landschaft, Sprache, Mundart und Literatur, die Schweiz als Territorium und politisches System und das Verhältnis zur Geschichte. Dabei sind es insbesondere drei für die kritische Auseinandersetzung mit Heimat seither wichtige, weiterhin auch und gerade in der Auseinandersetzung mit dem Heimatverständnis der SVP aktuelle und im Folgenden aufzugreifende Aspekte, deren Bedeutung er artikuliert: erstens der dem Heimatdiskurs inhärente Mechanismus der Anpassung und Ausgrenzung, von Zugehörigkeit und Ausschluss, der dem Chauvinismus zuarbeitet;3 zweitens die Absage an einen harmonikalen, auf eine falsche Idylle fixierten Heimatbegriff, und als Alternative dazu ein aktives Verständnis, das Heimat als Aufgabe begreift;4 und drittens schließlich die im kapitalismuskritischen Geist der Zeit formulierte und für das Jahr 1974 einigermaßen visionäre Einsicht, dass sich der Heimatbegriff unter den Bedingungen einer von der wirtschaftlichen Vernetzung angetriebenen Globalisierung radikal verändert.5 Vor allem um diesen letzten Aspekt soll es im Folgenden gehen.
Insgesamt sind die kulturellen Effekte der Gloablisierung viel weniger gut untersucht als ihre ökonomischen, politischen und sozialen Wirkungen. Die quantitativ enorm gesteigerte und sich permanent weiter beschleunigende Zirkulation und Durchmischung von Waren-, Informations- und Menschenströmen schafft in der Globalisierung eine neue Qualität der Vernetzung der Informations- und Lebenssphären. Angesichts weltweit gesteigerter Mobilität und der weltumspannenden Vernetzung durch die elektronischen Medien, die Kommunikation und Konnektivität zunehmend ortlos machen und Gemeinschaften ortsunabhängig weltweit organisieren, kommt es dabei zu Prozessen der Deterritorialisierung von kommunikativer Erfahrung und der Entbettung (Anthony Giddens) des Individuums. Eine wichtige Folge davon ist, dass sich der enge, konstitutive Bezug von Identität und vertrauter Lokalität lockert und neu konfiguriert. Im Zeichen der Globalisierung beruht Identität, so ist zu vermuten, weniger als zuvor auf den Erfahrungen und Verlässlichkeiten des Nahraums. John Tomlinson, der vor allem die kulturellen Auswirkungen der Globalisierung auf Identität untersucht hat, sieht die elektronischen Informationsmedien als die wichtigsten Agenten dieses Prozessses und in dieser Schwächung der Bindung zwischen Ort und kultureller Identität den langfristig wichtigsten Effekt der Globalisierung überhaupt.6
Es liegt auf der Hand, warum Heimat von diesen Entwicklungen besonders betroffen ist, denn im Heimatdiskurs werden Fragen kultureller Identität prinzipiell räumlich modelliert, so dass die Deterritorialisierung von Erfahrung den Heimatbegriff im Kern angreift. Heimat als Topos evoziert nach Hartmut Böhme „die Vorstellung von Kulturen als räumlich geschlossenen, homogenen, die Menschen integrierenden Identitäten“.7 Das Modell Heimat bietet einen Identifikationsprozess an, der über eine räumliche Metapher vermittelt wird und so Zugehörigkeit, Vertrautheit und Verlässlichkeit signalisiert.8 Heimat ist damit als Sonderfall einer bedeutungs- und orientierungstiftenden, handlungsleitenden kulturellen Topographie beschreibbar, die sich in Bindungen, Erfahrungen, Routinen und Ritualisierungen realisiert und darstellt und sich damit in die Identitätsprägungen der Heimatbewohner einschreibt.
In diesem Zusammenhang ist an die Ursprünge des Heimatdiskurses in der Heimatkunstbewegung des späten 19. Jahrhunderts zu erinnern, denn die recht hartnäckige Fixierung unserer Heimatbilder auf die Idylle einer geschlossenen, statischen, ‚heilen‘ Welt hat hier ihren Ursprung. Die Heimatkunstbewegung entstand ja als kulturkonservative Reaktion auf die vielfach als traumatisch und desorientierend erfahrenen Modernisierungsprozesse der Gründerzeit im späten 19. Jahrhundert, auf Industrialisierung, Urbanisierung und Mobilitätssteigerung, und entwarf gegen die kosmopolitischen Bedrohungen der Anonymität, Vermassung, Hybridität und Konfrontation mit Fremden einen ruralen, vertrauten Schutz- und Rückzugsraum, in dem vormoderne Verlässlichkeiten noch zu gelten schienen. Antithetisch wurden hier Agrarwelt gegen Industrie, Land gegen Stadt und die Region gegen die preussisch dominierte Nation ausgespielt, Entschleunigung gegen Beschleunigung gestellt. Das sind Oppositionen, die nur leicht verändert auch in heutigen Debatten auftauchen. Die emotionale und oft sentimentale Aufladung des Heimatbegriffs findet auch erst zu diesem Zeitpunkt statt. Ursprünglich ist Heimat ja ein Rechtsbegriff für Grundbesitzverhältnisse, der bestimmte Rechte der in einer Gemeinde Ansässigen codiert. In der Schweiz ist dies im Begriff und Konzept des Heimatortes, der in jedem Schweizer Pass eingetragen ist, noch heute präsent. Traditionell hatte man in Notfällen im Heimatort Anspruch auf Unterstützung und ein Dach über dem Kopf. In Zeiten ortsunabhängiger Sozialversicherungssyteme ist diese Funktion heute hinfällig: um so bemerkenswerter ist die bleibende symbolische Bedeutung des Konzepts. Die Verbindung zum lokalen Raum und zum Boden zeigen die enge Verbindung von Ort und Identität, die unter den Bedingungen zunächst der Moderne und jetzt der Globalisierung nicht verschwindet, nicht vollständig getilgt wird, sich aber zugleich lockert und verkompliziert.
Heimatgefühl entsteht im Moment des Verlustes; „Wann drängt es einen dazu, über Heimat zu schreiben? Wenn man sich an ihr reibt? Wenn sie einem zu eng wird, zu aufdringlich? Wenn man dabei ist, sie zu verlieren? Oder nachdem man sie verloren hat?“ fragt Rüdiger Görner und bestimmt damit die Thematisierung von Heimat als einen Verlust- und Entfremdungsdiskurs.9 Heimatgefühl und Heimatbezug sind in dieser Dimension sentimentalisch oder elegisch im Sinne Schillers: sie erinnern, feiern und beschwören etwas unwiederbringlich Vergangenes, das in dieser Beschwörung wieder präsent wird in dem süßen Schmerz oder der wehmutsvollen Freude, die für die sentimentalische Erinnerung als kulturanthropologische Kategorie so zentral ist. In diesem Sinne partizipiert die Erfahrung von Heimat wie auch die Darstellung des Heimatlichen fundamental an dem individualbiographisch wie kulturgeschichtlich so wichtigen Denkmodell von ursprünglicher Einheit, Trennung und Wiederversöhnung, das im Mythos vom Goldenen Zeitalter und der biblischen Paradiesgeschichte seine grossen Erzählungen gefunden hat, von Denkern und Dichtern wie Herder, Schiller, Kleist, Hölderlin, Hegel oder Marx systematisiert und zu geschichtsphilosophischen Fundamentalerklärungen erhoben wurde,10 und durch welches die Blochsche Interpretation von Heimat als „etwas, das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war“,11 ihr Pathos, ihre Überzeugungskraft und ihre Langlebigkeit bezieht. In jüngerer Zeit hat Bernhard Schlink dieses Denkmodell in seinem Essay Heimat als Utopie aufgegriffen:
Heimat ist Utopie. Am intensivsten wird sie erlebt, wenn man weg ist und sie einem fehlt; das eigentliche Heimatgefühl ist das Heimweh. […] Die Erinnerungen machen den Ort zur Heimat, die Erinnerungen an Vergangenes und Velorenes, oder auch die Sehnsucht nach dem, was vergangen oder verloren ist, auch nach den vergangenen und verlorenen Sehnsüchten. Heimat ist ein Ort nicht als der, der er ist, sondern als der, der er nicht ist.12
Beim Thema Heimatverlust denken wir primär an Vertreibung und Migration, an mehr oder weniger unfreiwillige Mobilität und imaginieren den Heimatverlust als Bewegung im Raum. Mit Blick auf die Vertreibung aus der Kindheit und ihrer erinnerten oder projektiv imaginierten Idylle ist Heimatverlust jedoch nicht einmal primär räumlich zu denken, denn diese findet auf einer Zeitachse statt – und sie trifft jeden. Jüngere feministische Untersuchungen zum Heimatdiskurs haben zudem die ödipale Grundstruktur des Narrativs von Heimatverlust und Heimatsehnsucht herausgearbeitet, dem auch das geschichtstriadische Narrativ unterliegt.13 Die schmerzliche und nie ganz zu verschmerzende Trennung von der heimatlichen Nestwärme und der uterusähnlichen Geborgenheit und Sicherheit, die sie bietet, die aber freilich auch klaustrophobisch und bedrohlich ist, Fluchtreflexe und Gegenreaktionen auslöst. Heimat ist also auch Anti-Utopie!
Heimat als Topos, Heimat als Diskurs, Heimat als sentimentalische Konstruktion: Mit diesen Formulierungen sollen die kulturelle und historische Konditionierung, die mediale Vermittlung und die imaginative Komponente der identitätsbildenden Erfahrungen von Vertrautheit und Zugehörigkeit, die ‚vor Ort‘ gemacht werden, erfasst, nicht aber ihr anthropologisches Substrat, ihre emotionale und identitätsprägende Tiefenwirkung negiert werden. Gerade auch im Hinblick auf die von Bloch avisierten zukunftsoffenen Handlungsmöglichkeiten, die aus Identität erwachsen, ist diese anthropologische Dimension wichtig. Anthropologen haben vielfach die fundamentale Bedeutung von Wiederholungen, Routinen und Ritualen für ein Gefühl von Sicherheit, Handlungsorientierung, Zufriedenheit und Glück herausgestellt, und Heimat ist in diesem Sinne der Ort, wo sich solche Vertrautheiten herstellen und verstetigen lassen. Das hat zunächst einmal wenig zu tun mit Evokationen einer heilen Welt, einer intakten Naturidylle, einer vormodernen, statischen und dörflichen Welt, die es im Gefolge der Industrialisierung und der Moderne wenn überhaupt nur in sorgsam gepflegten Reservaten gibt, und die als Erfahrungswirklichkeit unter den Imperativen der Mobilität und Innovation rapide weiter verloren geht. Doch auch wenn sich solche verbrauchten Heimatklischees, befördert von der Tourismusindustrie, in den Vordergrund drängen, wenn von Heimat die Rede ist, erledigt sich Heimat erfahrungsgeschichtlich damit noch nicht. So haben Volkskundler wie Ina-Maria Greverus und Hermann Bausinger, die in den 70er Jahren die Diskussion um einen, neuen, aktiven und positiven Heimatbegriff angestoßen haben, der weder volkstümelnd noch essentialistisch-exkludierend daherkommt, auf zwei Dimensionen des Heimatbegriffs hingewiesen, die für die individualbiographischen Erfahrungen von Verlässlichkeit und Konstanz von entscheidender Bedeutung sind: neben dem engen Bezug zur Territorialität ist dies insbesondere die Einbettung in ein überindividuelles Kontinuitätsbewusstsein, die identitätsstiftende Verknüpfung von persönlicher Erinnerung und kollektivem kulturellen Gedächtnis.14
Aber und zugleich: die Vorstellung, dass der heimatliche Ort, das Territorium, der Ort ist, der Zugehörigkeit und kulturelle Identität erzeugt, zwingt dem Identitätsdiskurs eine zivilisatorisch problematische und historisch destruktive binäre Logik auf, die Identität über die Dynamik von Eigenem und Fremden, Zugehörigkeit und Ausschluss, Inkludierung und Exkludierung erzeugt und durchsetzt. Diese Logik gilt tendenziell schon für den kulturellen Nationalismus Herders und der Romantiker um 1800 mit seiner engen Verbindung von kultureller und politischer Identität, Territorium, Sprach- und Kulturgemeinschaft und Ethnizität, von dem der Heimatdiskurs starke Argumente und ein reiches Bildreservoir bezog.15 Die Leichtigkeit, mit der sich dieser Diskurs von den Nationalsozialisten zur Blut und Boden Mystik essentialisieren, rassistisch ideologisieren und für ihre expansionistische Aggressions- und Vernichtungspolitik instrumentalisieren liess, erklärt sich auch aus dieser binären Dynamik.16 Doch wir brauchen die Nazis gar nicht, um die Problematik einer Identitätspolitik sichtbar werden zu lassen, die mit der Rhetorik des Ursprungs, der Zugehörigkeit, der Abgrenzung und der gefährlichen Vermischung operiert. Es besteht eine soziopolitisch nachweisbare Korrelation zwischen einem fixierten, erstarrten und harmonikalen Heimatbild und xenophobischen Tendenzen, in denen die Anderen, die Migranten, die Zuzügler als Agenten unwillkommener und unkontrollierbarer Veränderungen wahrgenommen werden. Stefan Augé argumentiert in seiner Studie über Nicht-Orte, dass Sesshafte von Migranten auch deshalb so beunruhigt werden, weil ihre Existenz sie daran gemahnt, dass die Sicherheiten der Verortung relativ und bedroht sind.17
Im Horizont dieser Überlegungen kann man die eingangs erwähnten Deterritorialisierungseffekte der Globalisierung nicht primär als Verlust und Gefahr verstehen, sondern als Chance für eine Flexibilisierung und Dynamisierung der Raumvorstellungen, die dem Heimattopos eingeschrieben sind. So argumentiert jedenfalls Arjun Appadurai in seiner einflussreichen Studie Modernity at Large von 1996 zu den kulturellen Dimensionen der Globalisierung: Die Illusion eines „cultural bedrock, made up of a closed set of reproductive practices and untouched by the rumours of the world at large“ wird zerstört,18 denn „even the most localised of these worlds […] have become inflected […] by cosmopolitan scripts“.19 Die Globalisierungstheorien der ersten Generation, der sog. Hyperglobalisten, nach denen die Globalisierung kulturelle Spezifiken vernichte und so zu einer Homogenisierung der kulturellen Lebenswelten und zur Schaffung einer uniformen Weltkultur führe, haben insgesamt differenzierteren Vorstellungen Platz gemacht. Drei Tendenzen seien dazu kurz erwähnt. Roland Robertson hat 2003 den einflussreichen Begriff der Glocalisation geprägt, der Durchdringung von globalen Tendenzen und lokalen Spezifika, in der Lokalisierung nicht als Gegen- sondern als Komplementärbegriff zur Globalisierung gedacht wird.20 Dieses Modell trägt der Realität Rechnung, dass Globalisierungseffekte vielfältig in die Heimat hineinwirken, ohne deren Spezifika zu kassieren oder die lokale Verortung aufzuheben. Lokale Identitäten verschwinden nicht, sondern verändern sich, wobei die bewusste Betonung und Aufwertung von regionalen Traditionen und kulturellen Praktiken als Gegenbewegung und Korrektiv zu den Globalisierungstendenzen immer wichtiger werden, so dass die Globalisierung lokale Verortung sogar dialektisch stärkt.
Andererseits werden angesichts gesteigerter technischer und ökonomischer Mittel geographischer Mobilität und vor allem der Revolutionen der Informationstechnologien imaginierte Gemeinschaften der, wie Shani sie nennt, „digitalen Diaspora“21 immer wichtiger. Vermittelt durch das Internet, soziale Netzwerke, Satellitenfernsehen, Skype, Handies und e-mail organisieren und stärken sich ortsunabhängige, deterritorialisierte Gruppenidentitäten der Diaspora, die keinen gemeinsamen geographischen Ort brauchen, um Zugehörigkeit zu spüren. So wie die medialen Revolutionen des Buchmarkts und die Entstehung einer lesenden Öffentlichkeit im 19. Jahrhundert mediale Voraussetzungen waren für die imaginierten Gemeinschaften der entstehenden Nationalstaaten,22 so schaffen die, wie Appadurai sie nennt, „symbolic mediascapes“ und „ethnoscapes of geographical mobility“ transnationale imaginierte Gemeinschaften,23 die die traditionelle Verortung von Identität zwar lockern, aber nicht tilgen. Sicher können social media und Internetforen starke Zugehörigkeitsgefühle auslösen, weswegen man jetzt auch eher von real vituality als virtual reality spricht. Kann man seine Heimat in Facebook, im körperlosen Netzwerk der virtuellen Freunde und Bekannte haben? Wahrscheinlich vor allem, wenn man sich in seiner unmittelbaren Umgebung unverstanden fühlt oder ausgegrenzt wird. Wie fragil ist eine solche Heimat? Wie muss das Verhältnis von physischer Präsenz und medial vermittelter Präsenz aussehen, damit solche Heimatlichkeit funktioniert? Und sind das überhaupt wirklich so grundsätzlich neue Fragen? Lessing überwand im späten 18. Jahrhundert seine Isolation in der Wolfenbütteler Provinz durch dichte Korrespondenznetzwerke mit seinen Freunden, für deren Briefporto er teilweise bis zu einem Drittel seines Gehalts als Bibliothekar ausgab.
Insgesamt sensibilisieren die Effekte der Globalisierung und die sie begleitenden Debatten dafür, dass Kulturen immer schon durch interkulturelle Prozesse aufeinander bezogen und in wechselseitiger Durchdringung und Beeinflussung transkulturell durchmischt und verschränkt waren. Kulturelle Hybridität war schon in der Vergangenheit alles andere als selten. Schon dies legt ein plurales, zukunftsoffenes und handlungsorientiertes Heimatverständnis nahe, wie es in Ansätzen schon die Diskussionen um einen kritischen Heimatbegriff der 70er und 80er Jahre formuliert hatten, in dem Heimat nicht defensiv gegen das vermeintlich bedrohliche Fremde von Aussen beschützt und verpanzert wird, sondern den transkulturellen Reichtum pluraler Lebenswelten anerkennt und positiv gestaltet. In diesem Sinne sehen heute Tomlinson, Ronaldson und andere die aktive und bewusste Integration von lokalen und globalen Perspektiven als Bereicherung für die Prozesse kultureller Identitätsbildung. Die erhöhte Mobilität, die das Aufwachsen und Verbleiben an einem Ort mehr und mehr zu einer Ausnahme macht und die biographische Bewegung zwischen Räumen, Regionen, Ländern, Kulturen und Kontinenten mehr und mehr zur Norm, verlangt und ermöglicht eine mentale und kulturelle Anpassungsleistung, die das Leben im Dazwischen der Kulturen zur Aufgabe macht. Deshalb sei der verunsichernden und desorientierenden Erfahrung des disembedding, der Entbettung, die Kulturtechnik des embedding, der Beheimatung als Prozess und aktiver Akt der Selbstbestimmung entgegenstellt. Heimat als Wahl und nicht als Schicksal, das ja, als Erfahrung von Augrenzung und Repression, wie Frisch schon 1974 betonte, auch durchaus traumatisch sein kann.
Ulrich Beck nennt in seiner Analyse der Globalisierung die für die nomadischen Subjekte der globalisierten Welt zunehmend typische mentale Disposition „Orts-Polygamie“,24 die erwünschte und als positiv gesehene Fähigkeit, sich an mehr als einem Ort vertraut zu fühlen und heimatlich zu verankern. Ganz ähnlich stellt Agnes Heller „geographische Promiskuität“ gegen „geographische Monogamie“,25 wobei die Metaphernwahl der Autoren hier gegen ihre Intentionen starke und problematische normative Implikationen hat, die vielleicht anzeigen, wie stark die mentale Bindung an traditionelle Heimatbilder noch ist: Polygamie ist doch in den meisten Kulturen illegal und mindestens problematisch: Mehrere Heimaten zu haben als krimineller Akt oder eine Form der Untreue? Das geht direkt gegen das Modell der offenen Pluralisierung der Lebenswelten, dem beide Autoren eigentlich das Wort reden.
Und schließlich ein Wort zur Hybridität: Autoren wie Homi K. Bhabha, Stuart Hall und Nestor Garcia Canclini sehen kulturelle Hybridität als Zukunftsmodell und als Angebot, den Herausforderungen der Globalisierung aktiv zu begegnen und das Leben im ‚Dritten Raum’, im Dazwischen der Kulturen als Quelle der Kraft und Handlungsfähigkeit zu sehen.26 Zugleich sei zu bedenken gegeben, dass Sesshaftigkeit immer noch die dominante Erfahrung einer ganz überwiegenden Mehrheit der Weltbevölkerung darstellt. Edward Said hat überdies vor der Gefahr gewarnt, dass Intellektuelle ihren eigenen Erfahrungen von je nachdem verunsichernder oder produktiver Entbettung und Hybridisierung im Zeichen der Globalisierung zum universellen Lebensgefühl erheben.27
Mit diesen allgemeinen Überlegungen soll ein Rahmen abgesteckt sein für zwei literarische Beispiele aus der Schweizer Gegenwartsliteratur, die Vieles aufgreifen, das bisher angesprochen wurde. Dass inter- und transkulturelle Literatur in fiktionalen oder semi-fiktional-dokumentarischen Textsorten Erfahrungen der Globalisierung und der Migration vielfach aufgreift, um Prozesse des Heimatverlustes und der Beheimatung, die sowohl temporal oder räumlich strukturiert sein können, im Ineinander von Vergangenheit und Gegenwart zu verhandeln, ist bekannt und auch schon untersucht.28 Doch das ist nur die eine Seite.
Die beiden folgenden Beispiele repräsentieren sehr unterschiedliche Herkünfte, Prägungen, Gender- und Generationserfahrungen, doch bei allen Unterschieden illustrieren sie, wie emotional und tief wirkend die Bindung an die Heimat auch unter den Bedingungen der Globalisierung bleibt. Der Autor ist Thomas Hürlimann, 1950 im Kanton Zug in der Innerschweiz geboren. Als Sohn eines in den 70er und 80er Jahren wichtigen und beliebten Politikers ist er über seine Familie vielfältig mit Schweizer Geschichte und Politik verbunden. Die Autorin ist Melinda Nadj Abonji. 1968 im ehemaligen Jugoslawien geboren, kam sie als Fünfjährige in die Schweiz. Im Jahre 2010 gewann ihr Roman Tauben fliegen auf als bisher einziges Buch überhaupt sowohl den Deutschen wie den Schweizer Buchpreis. Beide Schriftsteller bekennen sich aus unterschiedlichen Perspektiven zur Bedeutung von Heimat auch und gerade in der Globalisierung und artikulieren einen emphatischen, reflektierten und kritischen Heimatbegriff. Thomas Hürlimann tut dies aus der Perspektive eines Beheimateten, dem die Heimat, wie sie ihm aus der Kindheit vertraut ist, durch die Globalisierung fremd wird und der aus den beobachteten Veränderungen eine Gesellschafts- und Kulturkritik ableitet. Melinda Nadj Abonji tut dies aus der interkulturellen Perspektive der Migration und des Dazwischens, und verhandelt in den schwierigen Prozessen des Heimatverlustes und der Beheimatung ihre Hybrididentität. In beiden Texten geht es also um Heimatverlust.
Die Schweiz ist für den Heimatdiskurs aus mehreren Gründen ein interessanter Fall. Im Vergleich zu Deutschland ist Heimat als Konzept und Narrativ historisch weit weniger belastet. Die Kulturpolitik der Geistigen Landesverteidigung, die in den 30er und 40er Jahren eine spezifisch schweizerisch-demokratische kulturelle Identität gegen Nazi-Deutschland artikulierte und förderte, um den Widerstandswillen gegen eine drohende deutsche Invasion zu stärken, berief sich aber auch entschieden auf die affektive Bindung an die Heimat, auf spezifisch schweizerische Kulturen und Traditionen, auf die prägende Alpenlandschaft und die enge Bindung an den Kanton als Ursprung und Ausdruck typisch Schweizerischer Identität.29
Heute setzt, wie schon eingangs erwähnt, die euroskeptische, ausländerfeindliche und rechtspopulistische SVP, die seit Anfang der 2000er Jahre durchgängig die stärkste Partei ist, Heimatklischees von kulturell und ethnisch homogenen Gemeinschaften in idyllischer Alpenlandschaft ein, die vor Fremden und anderen von Außen kommenden Gefahren beschützt werden müssen, um ihre isolationistische Politik zu unterfüttern. Sie nutzt außerdem die der Schweiz spezifischen Instrumente der direkten Demokratie, um ihr enges und intolerantes Modell Schweizer Identität in Politik umzusetzen. Man denke etwa an die erfolgreiche Minarettinitiative von 2010, die Minarette als Symbole des Machtanspruchs des Islam verbot, oder die Initiative gegen Masseneinwanderung von 2014, die gegen die in den bilateralen Abkommen mit der Europäischen Union verbriefte Freizügigkeit gerichtet war und Quoten auf Arbeitsimmigration vorschreiben wollte.
Auch die starke föderale Struktur der Schweiz, die die Instrumente der direkten Demokratie wie Referenda und andere Entscheidungen wenn möglich auf der Ebene der Gemeinde oder des Kantons belässt, arbeitet einem starken Heimatbegriff zu. Die Zugehörigkeit zum Dorf, zur Gemeinde und zum Kanton ist ein elementarer Bestandteil Schweizer Identität. Die Bindung an den Heimatort hat so insgesamt für Schweizer Mentalitätsprägungen große Bedeutung. Gleichzeitig rekurriert die Schweiz als multilinguale und multikulturelle Willensnation in ihrem nationalen Identitätsmodell eben nicht auf die in Deutschland und den meisten europäischen Ländern weiterhin dominante Isomorphie von Sprache, Kultur, Geschichte, Territorium und politischem System, was wiederum die Verlagerung der Identifikation auf die Region verstärkt.
Thomas Hürlimann ist wie Max Frisch oder Adolf Muschg ein Vertreter des „kritischen Patriotismus“, jener Mischung von deutlich artikulierter Heimatverbundenheit und Kritik an einem selbstzufriedenen, gschönten und exkludierenden Bild der Heimat, die Peter von Matt geradezu als Signum vieler Schweizer Autoren im Verhältnis zu ihrem Land herausgearbeitet hat.30 Er ist zudem ein Autor, der dem schon 1971 von Paul Nizon beschriebenen klassischen Muster Schweizer Schriftsteller gefolgt ist und sein Land erst einmal für eine Weile verlassen musste, dem „Diskurs in der Enge“ entfloh, um sich im Ausland – in seinem Fall in Berlin –mit dem Land seines Herkommens auseinander zu setzen.31 Schließlich ist er ein Autor, bei dem sich die für Heimatbilder insgesamt so konstitutive Verknüpfung von persönlichem und kulturellem Gedächtnis auf besondere Weise verdichtet. Der Sohn eines bekannten und beliebten Bunderats hat in drei autobiographisch grundierten Romanen, die seine Familie thematisieren, diesen Zusammenhang aufgegriffen.32
Seine Dankrede für den Literaturpreis der Konrad Adenauer Stiftung 1997 trägt den schönen Titel Über das Unheimliche, das aus der Heimat kommt und befasst sich mit der Frage, „was es heißt, wenn die Heimat zur Fremde wird, das Vertraute unvertraut, das Heimische unheimlich.“33 Wenn Hürlimann im Heimatlichen, im Heimeligen, dem Heimlichen, Verschwiegenen, Tabuisierten und gerade deshalb Unheimlichen nachspürt, lässt er Sigmund Freuds Aufsatz, der diese Zusammenhänge zuerst artikuliert und dabei das Unheimliche in den Tabus der bürgerlichen Kleinfamilie situiert, unerwähnt.34 Statt dessen geht es ihm um die Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg und insbesondere um die Geschichtslügen, mit denen sein Land den Opportunismus, der es vor dem Überfall Nazi-Deutschlands bewahrte, bis in die 90er zu einem Tabu zu machen und zu verheimlichen suchte wie das deutsche Raubgold, dass im Zweiten Weltkrieg in schweizerischen Tresoren versteckt wurde. Das allzu heimelige, gemütliche und geschönte Bild der Heimat wird ihm unheimlich angesichts all der Heimlichkeiten, die das Bild der Schweizer Heimat so unheimlich entstellt haben. Gegen diese Situation des Heimatverlustes stellt er die Literatur in der Erwartung dar, „daß wir die Heimkehr, die Rückkehr in die Wirklichkeit schaffen: dank und mit der Literatur. Sie schafft Welt, also Heimat.“35
In einem anderen Essay Himmelsöhi hilf. Mein Land in seiner größten Krise analysiert und kommentiert Thomas Hürlimann weniger optimistisch die Spannungen, die aus den Widersprüchen zwischen einer von der Ökonomie getriebenen Globalisierung und dem Festhalten eines auf den geschlossenen Nahraum fixierten Heimatbegriffs entstehen. Zum Ausgangspunkt nimmt Hürlimann dabei eine der drei Schweizer Katastrophen des Jahres 2001, und zwar das ebenso symbolische wie traumatische grounding der Schweizer Fluggesellschaft Swissair am 3. Oktober 2001, weil sie ihr Kerosin nicht mehr bezahlen konnte, das in den Bankrott und den demütigenden Verkauf an die Lufthansa mündete. Die Swissair war ein doppelt besetztes Symbol sowohl der Heimat wie der Globalisierung. Sie war einerseits ein prominentes Vehikel weltumspannender Vernetzung und reibungsloser Mobilität, auf das die Schweiz als gloablisierte Wirtschaftsmacht angewiesen war, und andererseits Inbegriff als spezifisch schweizerisch geltender Eigenschaften wie Zuverlässigkeit, Gediegenheit und Luxusqualität, und damit weltweit präsentes Symbol des Selbstbildes der Schweiz. Bis zum Swissair-Trauma, so Hürlimann, bewohnten Schweizer
[…] zwei Schweizen: Wir führten ein perfektes Doppelleben, und wir führten es, was sonst nur Wahnsinnigen gelingt, […] gleichzeitig in zwei grundverschiedenen Räumen. Zum einen gehörte uns eine große, transzendentale Schweiz: Hier wurden unsere Geschäfte besorgt, und zum andern eine kleine, konkrete, überschaubare: Hier wurde das Politische erledigt.36
Hürlimann beschreibt, wie es die Schweiz wie kaum ein anderes Land geschafft hatte, sich wirtschaftlich höchst erfolgreich zu globalisieren, während sie gleichzeitig politisch mit Föderalismus und direkter Demokratie eine ebenso erfolgreiche Verankerung und Identifizierung im Lokalen und Regionalen erreichte. Kaum ein Land pflegt und verteidigt seine Heimatbilder idyllischer Landschaften und intakter, kleinräumiger Gemeinschaften der Gemeinde oder des Kantons so erfolgreich, und kaum ein Land lebt so aktiv den neuen, in den 70er und 80er Jahren entwickelten neuen Heimatbegriff, den Frisch 1974 entwickelte, nach dem Heimatverbundenheit nicht eine passive Sache des Herkommens und der Tradition ist, die einem geschieht, sondern die in der Gestaltung des heimatlichen Nahbereichs aktiv erworben werden muss.
Die Schweiz entwickelte sich zu einem global player vor der Zeit. Unsere Uhren, Psychopharmaka, Schokoladen eroberten den Weltmarkt, und vor allem das […] Geldwesen ließ das dörfliche Stätlein zu einem Super- und Supragebilde wachsen, das die geographischen Grenzen unermeßlich weit überstieg.
Ein Staat, zwei Räume. Im Trust der Schweiz AG waren wir globale Kapitalisten, und im „Schweizerhaus“, wie wir das Land in Liedern preisen, wurzelgrundverbundene Eidgenossen. […] Während die Trust-Türme wuchsen, blieb die Kirche im Dorf. Nein, wir drehten nicht durch, höchstens hielten wir, auch darin Verrückten ähnlich, einzig uns für normal.37
Hürlimann reflektiert die enormen Spannungen, die dieser aus den Bedingungen der Globalisierung geborene Spagat erzeugt. Er tut dies am Beispiel seiner Heimatstadt Zug, die ihm im Zuge der Globalisierung fremd und unheimlich geworden ist:
Ich stamme aus Zug und weiß, wovon ich rede. Als ich Primarschüler und Ministrant war, lebte das Städtchen am See im trauten Trott des neunzehnten Jahrhunderts, man war bürgerlich, bieder, brav. Dann beschloß man, den Steuerfuß zu senken, und wie durch Zauberei war man über Nacht ein internationaler Finanzplatz geworden, eine von Haifischreitern aus aller Welt angeschwommene Bucht. Ohne daß sich äußerlich viel geändert hätte – nach wie vor hingen Geranientöpfe von den Perrondächern der Bahntstation –, erfuhr der knapp 20000 Einwohner zählende Kantonshauptort einen Aufsturz zum viertgrößten Ölumschlaghandelsplatz der Welt, und natürlich funktionierte dieser nach anderen Gesetzen und Geschwindigkeiten als die Kommune mit ihren Parteien, Zünften, Vereinen. Ein Städtchen. Zwei Räume. Zwei Zeiten […].38
Wenige Wochen vor dem grounding der Swissair geschah in Hürlimanns Heimatstadt Zug das zweite traumatische Ereignis des Jahres 2001, der Amoklauf eines geistig Gestörten im Kantonsparlament, der 14 Todesopfer forderte. Im Herzen der Schweiz, der direkten Demokratie und eines aktiven Heimatbegriffs fand ein Massaker an Lokalpolitikern statt, und dies ausgerechnet mit einem Sturmgewehr, das jeder Schweizer als Ausdruck seiner Bereitschaft, die Heimat zu verteidigen, im Schrank hat. Hürlimann liest den Attentäter symbolisch als den Verrückten, der die Schizophrenie, die kulturellen Pathologien seiner Gesellschaft symbolisiert und ausagiert. Die Spannungen der Globalisierung waren, so interpretiert Hürlimann, im Innersten der Schweizer Heimat angekommen. Sie machten aus der Idylle einen unheimlichen Schreckensort, wie man ihn eigentlich nur weit weg in Amerika wähnt, und haben „uns den doppelten Heimatboden wohl für immer unter den Füßen weggerissen.“39 Indem Hürlimann die ökonomische, politische und mentale Topographie seiner Heimatstadt in ihrer schizophrenen Gespaltenheit erkundet, erweist er sich als hellsichtiger Diagnostiker der Beschleunigungsprozesse der Globalisierung und der daraus resultierenden Ungleichzeitigkeiten.
Melinda Nadj Abonjis Roman Tauben fliegen auf greift mit den Erfahrungen der Migration ein Zentralphänomen der Globalisierung auf. Die Sicht derer, die aus politischen oder ökonomischen Gründen ihre Heimat verlassen und sich in der Fremde ansiedeln, ist gerade für die Schweiz von großer Relevanz. Mit 25% hat sie den höchsten Ausländeranteil in Europa, hat aber große Schwierigkeiten, seine zahlreichen Mitbürger mit Migrationshintergrund zu integrieren und in ihr Partizipations- und Heimatverständnis miteinzubeziehen. Nicht zuletzt davon handelt Nadj Abonjis Roman. Ihre autobiographische Erzählung stellt aus der Perspektive einer Migrantin eine bemerkenswerte literarische Verhandlung von Prozessen der Entbettung und Einbettung dar, die sowohl den Schmerz des Heimatverlustes, wie die Arbeit an einer aktiven und identitätsstiftenden Beheimatung in der Schweiz mit neuen und in ihrer Ursprungsheimat undenkbaren Möglichkeiten der Selbstverwirklichung akzentuiert. Wie die Autorin zog die Ich-Erzählerin und Protagonistin des Romans Ildiko mit fünf Jahren aus der Vojvodina in Serbien, wo sie zur ungarischsprachigen Minderheit gehörte, ihren Eltern in die Schweiz hinterher. Aus der Ich-Perspektive der Zentralfigur erzählt der Roman die Geschichte ihrer Familie, die es in Zürich zu beruflichem Erfolg und zum Erwerb des Schweizer Bürgerrechts bringt. Doch dieser Erfolg hat einen hohen Preis, ist erkauft mit hohem Anpassungsdruck, kleinen und großen Demütigungen, verständnis- oder taktlosen Anspielungen der Kundschaft im Café und auch fremdenfeindlichen Übergriffen.
Bereits im ersten Kapitel wird Heimat sehr explizit thematisiert, indem eine für ein Migrantenleben zwischen den Ländern und Kulturen typische und hochsymbolische Situation dargestellt wird: der sommerliche Heimatbesuch. So beginnt er:
Als wir nun endlich mit unserem amerikanischen Wagen einfahren, einem tiefbraunen Chevrolet, schokoladenfarben, könnte man sagen, brennt die Sonne unbarmherzig auf die Kleinstadt, hat die Sonne die Schatten der Häuser und Bäume beinahe restlos aufgefressen, zur Mittagszeit also fahren wir ein, recken unsere Hälse, um zu sehen, ob alles noch da ist, ob alles noch so ist wie im letzten Sommer und all die Jahre zuvor.40
Der amerikanische Straßenkreuzer aus dem Mutterland von Mobilität und Globalisierung ist ein vielfach determiniertes Zeichen: Zentralsymbol des Unterwegs-Seins zwischen den Welten, Statussymbol des Erfolges in der Fremde, Fremdstellungsmerkmal in der serbischen Heimat und höchst ambivalent in seiner Farbsymbolik, die sowohl auf das Klischee der Schweiz als Schokoladen-Schlaraffenland anspielt wie auf die am Ende des Buches so entscheidende fremdenfeindliche Fäkalienattacke im Café der Familie, die zum Katalysator für Ildikos Emanzipation wird. Er wird gebührend bestaunt, genau wie die schicken Schweizer Sommerkleider, die im Dorf allerdings als für Ildiko und ihre Schwester unpassend wahrgenommen werden und sie so als nicht mehr ganz dazugehörig markieren. Dem entspricht, dass die Mädchen ihr Heimatbild, das sie ins fremde Land mitgenommen haben und dort zur Stützung ihrer Identität dringend brauchen, gegen die nicht nur räumliche Entfernung und die wachsende Entfremdung festhalten und stillstellen möchten. In den Worten der Ich-Erzälerin: „ich hoffe, das alles noch so ist wie früher, weil ich, wenn ich an den Ort meiner frühen Kindheit zurückkehre, nichts so sehr fürchte wie die Veränderung“.41 Der Roman eröffnet also mit der bereits identifizierten Spannung zwischen der Heimat als einem Ort der Vertrautheit und Geborgenheit und der Dynamik von sowohl räumlicher Mobilität wie Veränderung in der Zeit.
Der weiche Singsang meiner Grossmutter, das nächtliche Gequake der Frösche, die Schweine, wenn sie aus ihren Schweineaugen blinzeln, das aufgeregte Gegacker eines Huhnes, bevor es geschlachtet wird, die Nachtviolen und Aprikosenrosen, derbe Flüche, die unerbittliche Sommersonne, und dazu der Geruch nach gedünsteten Zwiebeln, mein strenger Onkel Móric, der plötzlich auftsteht und tanzt. Die Atmosphäre meiner Kindheit. So habe ich nach langem Überlegen geantwortet, als mich Jahre später ein Freund gefragt hat, was denn Heimat für mich bedeute.42
Das Heimatbild, das die Erzählerin gleich anschließend beschwört und das im Verlauf der Vojvodina-Kapitel des Buches zunehmend Risse bekommt, ist ein durch und durch traditionelles, eine Dorfidylle wie aus dem 19. Jahrhundert mit einer intakten Gemeinschaft, rauh, aber voller Nestwärme und Vertrautheit, einem Leben in der Natur und mit den Tieren. Es sind nostalgisch eingefrorene Kindheitserinnerungen, intensiviert durch das Trauma der Migration und des Heimatverlustes. Sie werden vom Roman denn auch zunehmend durch die biographische und gesellschaftliche Dynamik ständiger Veränderung konterkariert und korrigiert.
Die Künstlichkeit und Fragilität des Idylls wird sofort in dem Moment, wo es beschworen wird, ausgestellt in dem kindlich-naiven Verlangen, es dürfe sich nichts ändern. Die Autorin signalisiert von der ersten Zeile an, dass dieses Idyll bedroht und verloren ist. In der lakonischen Überschrift dieses ersten Kapitels Titos Sommer werden Politik und Natur, Wandel und Konstanz, Bedrohung und Verheißung, Erwachsenenwelt und Kinderwelt lakonisch und knapp zusammengezogen und gegen einander gehalten. Es ist eine Heimatidylle aus kindlicher Sicht und damit eine deutlich markierte sentimentalische Konstellation; dies um so mehr, als die Vojvodina mit heute sechs offiziellen Sprachen und 25 Minderheiten Beispiel eines multikulturellen Raumes ist, der einerseits exkludierende Heimatkonstruktionen Lügen straft und die Vorstellung, in der Heimat sei alles homogen, absurd erscheinen lässt, andererseits aber auch gerade für seine Minderheiten den Rückzug auf den Schutz und Nahraum des Dorfes und der Familie besonders notwendig machte.
Die nächste Szene komplettiert das Heimattableau mit einer traditionellen Dorfhochzeit mit 250 Gästen, die in eine Rauferei übergeht, nachdem „die Musiker gerade die letzten Takte von ‚Ich habe meine schöne Heimat verlassen‘ gespielt“ haben.43 Ausgelöst wurde der Streit von einer politischen Diskussion, die der Vater anlässlich von Titos Tod angezettelt hat. Während vor Ort alle wissen, dass Titos Tod Instabilität und vielleicht Krieg bringen kann, bleibt der Vater gefangen in den Kategorien, die er kannte, als er wegging. Das ist die sozusagen erwachsene Variante der Kindheitsangst, es dürfe sich nichts ändern; die Unfähigkeit des Weggegangenen, die Veränderungen vor Ort wahrzunehmen.
Der Roman inszeniert in seiner narrativen Struktur die mentale und reale Topographie der Bewegung der Erzählerin zwischen ihren beiden Welten, indem die Schauplätze von Kapitel zu Kapitel zwischen der Vojvodina und der Schweiz alternieren. Das nachfolgende zweite Kapitel ist als Gegenbild konstruiert und beginnt mit dem Moment des Triumphes in der Schweiz nach 13 entbehrungsreichen Jahren der Arbeit und der Demütigung: der Geschäftsübernahme eines Cafés in bester Lage direkt am See an der Züricher Goldküste und der Einbürgerung, dem Erwerb eines Schweizer Heimatortes. Schweizer Werden und Schweizer Sein über Arbeit, Fleiss, Anpassung und Überidentifikation mit Schweizer Tugenden, gegen die die Tochter, die doch den Betrieb als allseits beliebte und gewissenhafte Serviertochter entscheidend mitträgt, schließlich rebelliert.
Der Roman ist so insgesamt beschreibbar als eine Bewegung von der beschworenen, aber zugleich als verlorengehend markierten Kindheitsidylle über die Anerkennung des Verlusts hin zur versuchten und partiell geglückten Beheimatung in der Schweiz. Auf persönlicher Ebene erfolgt die Entlarvung der Scheinidylle über die Konfrontation mit den Schicksalen junger Frauen in der alten Heimat. In einer durch und durch patriarchalisch geprägten Welt führt der Versuch einer selbstbestimmten Partnerwahl bei der Cousine in der alten Heimat in die brutale gesellschaftliche Verstoßung. Dagegen erscheinen die Kämpfe Ildikos und ihrer Schwester mit dem Vater um ihre Freiräume, so ernst und schwierig sie sind, als vergleichsweise harmlos.
Auf der gesellschaftlichen Ebene enspricht dem ein paralleler Prozess der brutalen Desillusionierung durch die Konfrontation mit dem Jugoslawienkrieg der neunziger Jahre, einem Krieg, der im Namen eines essentialisierenden und exkludierenden Begriffs von Heimat geführt wurde und schon dadurch jeden Gedanken an Heimatidylle negiert. Und der Krieg bleibt nicht auf dem Balkan, er lässt sich aus dem geordneten Leben in der Schweiz nicht heraushalten und dringt über die Auseinandersetzungen zwischen der bosnisch-serbischen Hilfsköchin und der kroatischen Serviertochter bis ins Café Mondial, das Welt-Café, das so zum Mikrokosmos und zur Metapher sowohl des heimatlichen Dorflebens wie der globalisierten Verflechtungen wird.
Dagegen setzt Ildiko in ihrem Schweizer Leben das Ausprobieren von gesellschaftlichen Protestformen und Gegenentwürfen in der Alternativszene der Züricher Jugendproteste, also eine spezifisch schweizerische und für die hochindividualisierten, pluralistischen, spätmodernen Gesellschaften typische Form der Identitätsfindung in einer global city wie Zürich. Sie begehrt gegen den autoritären Familienpatriarchen auf, gegen den Anpassungsdruck an sie als Immigrantin, aber auch gegen typisch schweizerische Konformitätsforderungen an die adrette, stets höfliche, stets lächelnde und den vojeuristisch-sexistischen Blicken und Kommentaren ihrer männlichen Kunden ausgesetzte Serviertochter. Ausserdem studiert sie Schweizer Geschichte, um ihre Zielkultur besser zu verstehen – eine nicht untypische Wahl gerade für Migrantinnen, die in ihrer neuen Heimat und als erste in ihrer Familie Zugang zu einem Universitätsstudium finden. Im Schlußkapitel deutet sich schließlich ihr Entschluss an, Schriftstellerin zu werden, die in der Sprache ihrer neuen Heimat schreibt.
Der Roman ist vor allem deshalb so glaubhaft und anrührend, weil er in einer zugleich präzisen wie melodiösen, sehr eigenen Sprache erzählt wird, die Atmosphären und Stimmungen meisterhaft einfängt und ausdrückt. Dass die Sprache des Romans nicht die ungarische Muttersprache der Autorin ist, sondern das Deutsch ihrer neuen Heimat, zeigt wohl am deutlichsten den Vorgang der Beheimatung auch in der Sprache als aktiven, identitätsstiftenden Prozess. Damit bewahrt Melinda Nadj Abonji zugleich die Welt ihrer Grossmutter, der geliebten Mamika auf, deren „weichen Singsang“ sie in ihre poetische Sprache überführt, und macht diese so zugänglich für den Kultur- und Sprachraum, der jetzt der ihre ist – eine Vermittlungsarbeit, die für sie die Brücke zwischen ihrer alten und ihrer neuen Heimat baut. Tauben fliegen auf erscheint so insgesamt als weiblicher Entwicklungsroman unter dem Zeichen der Migration, und damit als Transit- und Beheimatungsroman.44
Thomas Hürlimann beschreibt ein Verlust- und Bedrohungsnarrativ, in dem sich leichte Nostalgie und entschiedene Empörung mischen. Die Bedrohung, und das ist entscheidend, wird allerdings nicht primär als von außen kommend begriffen, sondern im Innern der Schweizer Selbsttäuschungen und Profitinteressen angesiedelt, so dass Hürlimanns Blick auf seine Heimat eine deutliche Kultur- und Gesellschaftskritik artikuliert. In Melinda Nadj Abonjis Geschichte liegt die Betonung eher auf dem aktiven Moment, nach welchem Beheimatung in der Globalisierung als ein selbstbestimmter Prozess zu verstehen ist. Ihr interkultureller Text bietet ein Beispiel für Becks Ortspolygamie, einer bewusst bejahten Pluralisierung der Heimaten, bei der die Spannung zwischen einer vor allem imaginativ bewahrten Ursprungsheimat und der aktuellen Lebenssituation jeweils aktiv verhandelt und gestaltet werden muss. Dabei machen beide Autoren das vorranging Imaginative der Heimatbilder in unseren Köpfen und Herzen deutlich, und ebenso die Suche nach Beheimatung als dynamischem, unabschliessbarem Prozess, getrieben von einer Sehnsucht und einer Utopie. Dazu kann man Ernst Bloch bemühen, oder auch die deutschen Romantiker. Schliesslich war es schon Novalis, der fragte: „Wo gehen wir denn hin? Immer nach Hause!“45
Literaturverzeichnis
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- Siehe Hehli, Simon: Aromat, Cervelat und Alleingang – so sieht die Traum-Schweiz der SVP aus. In: Neue Zürcher Zeitung vom 10.01.2019. https://www.nzz.ch/schweiz/svp-parteiprogramm-mit-heimatlichem-anstrich-ld.1450374. (Zugriff am 12.07.2019). ↩
- Schweizerische Volkspartei SVP: Frei und sicher. Ich will’s, ich wähl’. Parteiprogramm 2019 bis 2023, S. 5–7, hier S. 6. ↩
- Frisch, Max: Die Schweiz als Heimat? Rede zur Verleihung des Großen Schillerpreises. In: Ders.: Gesammelte Werke in zeitlicher Folge. Bd. VI.2. 1968–1975. Hrsg. von Hans Mayer unter Mitwirkung von Walter Schmitz. Frankfurt/Main 1976, S. 509–518 , hier S. 515: „Der primitive Ausdruck solcher Angst, man könne im eigenen Nest der Fremde sein, ist die Xenophobie, die so gern mit Patriotismus verwechselt wird.“ ↩
- „Heimat ist nicht durch Behaglichkeit definiert. Wer Heimat sagt, nimmt mehr auf sich.“ Ebd., S. 517. ↩
- Für Frisch ist es vor allem die junge Generation, die schon begriffen hat, dass „Vokabeln wie Föderalismus, Neutralität, Unabhängigkeit eine Illusion bezeichnen in einer Epoche der Herrschaft multinationaler Konzerne.“ Ebd., S. 516. ↩
- Vgl. Tomlinson, John: Cultural Globalization. In: Ritzer, George (Hrsg.): The Blackwell Companion to Globalization. Oxford 2007, S. 352–366. ↩
- Böhme, Hartmut: Einleitung Sektion IV. Die Grenzen und das Fremde. In: Ders.: (Hrsg.): Topographien der Literatur. Deutsche Literatur im transnationalen Kontext. Germanistische Symposien. Berichtsbände 27. Stuttgart, Weimar 2005. S. 597–602, hier S. 602. ↩
- Boa, Elisabeth, Palfreyman, Rachel: Heimat. A German Dream. Regional Loyalties and National Identity in German Culture 1890-1990. Oxford 2000, S. 23. ↩
- Görner, Rüdiger: Dichterheimat. Friedrich Hölderlin „Die Heimat“. In: Reich-Ranicki, Marcel (Hrsg.): Frankfurter Anthologie. Gedichte und Interpretationen. Bd. 31. Frankfurt/Main 2007, S. 41–44, hier S. 42. ↩
- Vgl. hierzu Barkhoff, Jürgen: Die Wiederkehr des goldenen Zeitalters – eine moderne Enttäuschung? In: Selbstorganisation. Jahrbuch für Komplexität in den Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften. Geschichte zwischen Erlebnis und Geschichte. Hrsg. von Rainer-M. E. Jacobi 10, 1999, S. 99–121. ↩
- Bloch, Ernst: Das Prinzip Hoffnung. 3 Bde. Frankfurt/Main 1977, S. 1628. ↩
- Schlink, Bernhard: Heimat als Utopie. Frankfurt/Main 2000, S. 32f. ↩
- Vgl. hierzu Ecker, Gisela (Hrsg.): Kein Land in Sicht: Heimat – weiblich? München 1997 und Boa, Palfreyman, wie Anm. 8. ↩
- Vgl. hierzu Greverus, Ina-Maria: Auf der Suche nach Heimat. München 1979, sowie Bausinger, Hermann: Globalisierung und Heimat. Ein Essay. In: Ueding, Gert (Hrsg.): Fremde Nähe. Auf Seitenwegen zum Ziel. Tübingen 2002, S. 11–34. ↩
- Vgl. hierzu Leerssen, Joep: National Thought in Europe. A Cultural History. Amsterdam 2006, sowie Kamusella, Tomasz: The Politics of Language and Nationalism in Modern Central Europe. Basingstoke 2009. ↩
- Siehe bes. Blickle, Peter: Heimat – A Critical Theory of the German Idea of Homeland. Rochester N.Y., Woodbrigde 2002. ↩
- Vgl. Augé, Marc: Non-places. Introduction to an Anthropology of Supermodernity. London 1995, S. 119. ↩
- Appadurai, Arjun: Modernity at Large. Cultural Dimensions of Globalization. Minneapolis, London 1996, S. 63. ↩
- Ebd., S. 154. ↩
- Vgl. Robertson, Roland: Glocalization. Time – Space and Homogeneity – Heterogeneity. In: Featherstone, Michael, Lash, Scott, Robertson, Roland (Hrsg.): Global Modernities. London 1995, S. 25–45. ↩
- Shani, Giorgio: Identity-politics in the global age. In: Elliott, Anthony (Hrsg.): Routledge Handbook of Identity Studies. New York 2011, S. 380–396, hier S. 395. ↩
- Siehe Anderson, Benedict: Imagined Communities. Reflections on the Origin and Spread of Nationalism. London 1983. ↩
- Appadurai,wie Anm. 18, S. 48ff. ↩
- Beck, Ulrich: Was ist Globalsisierung? Irrtümer des Globalismus. Antworten auf Globalisierung. Frankfurt/Main 1997, S. 127. ↩
- Heller, Agnes: Where are we at home? In: thesis eleven. critical theory and historical sociology 41, 1995, S. 1–18. ↩
- Vgl. Bhaba, Homi: The Location of Culture. New York 1994; Hall, Stewart: The Question of Cultural Identity. In: Hall, Stewart, Held, David, McGrew, Tony (Hrsg.): Modernity and Its Futures. Cambridge 1992, S. 274–316; Canclini, Néstor Garcia: Hybrid Cultures. Strategies for Entering and Leaving Modernity. Minneapolis 1995. ↩
- Siehe Said, Edward: The Mind of Winter. Reflections on Life in Exile. In: Harper’s Magazine, Sept. 1984, S. 49–55. ↩
- Vgl. hierzu jetzt Horvat, Vesna Kondriç (Hrsg.): Transkulturalität in der Deutschschweizer Literatur. Entgrenzung durch Kulturtransfer und Migration. Wiesbaden 2017. ↩
- Vgl. hierzu die gründliche Überblicksdarstellung Sandberg, Beatrice: Geistige Landesverteidigung (1933–1945). In: Rusterholz, Peter, Solbach, Andreas (Hrsg.): Schweizer Literaturgeschichte. Stuttgart, Weimar 2007, S. 210–231. ↩
- Vgl. Von Matt, Peter: Kritischer Patriotismus. Die Auseinandersetzung der Schweizer Schriftsteller mit der guten und mit der bösen Schweiz. In: Ders.: Der Zwiespalt der Wortmächtigen. Essays zur Literatur. Zürich 1991, S. 13–30. ↩
- Nizon, Paul: Diskurs in der Enge. Aufsätze zur Schweizer Kunst. Bern 1970. ↩
- Vgl. hierzu Barkhoff, Jürgen: Die Katzen und die Schweiz. Zum Verhältnis von Familiengeschichte und Landesgeschichte in Thomas Hürlimanns Familientrilogie. In: Sandberg, Beatrice (Hrsg.): Familienbilder als Zeitbilder. Erzählte Zeitgeschichte(n) bei Schweizer Autoren vom 18. Jahrhrundert bis zur Gegenwart. Berlin 2010, S. 181–195. ↩
- Hürlimann, Thomas: Über das Unheimliche, das aus der Heimat kommt. Dankrede zum Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung. In: Ders.: Himmelsöhi, hilf! Über die Schweiz und andere Nester. Zürich 2002, S. 23–34, hier S. 25. ↩
- Freud, Sigmund: Das Unheimliche. In: Ders.: Studienausgabe. Bd. IV. Psychologische Schriften. Hrsg. von Alexander Mitscherlich. Frankfurt/Main 1970, S. 241–247. ↩
- Hürlimann, wie Anm. 33, S. 31. ↩
- Hürlimann, Thomas: Himmelsöhi, hilf! Mein Land in seiner größten Krise. In: Ders.: Himmelsöhi, hilf! Über die Schweiz und andere Nester. Zürich 2002, S. 9–22, hier S. 10. ↩
- Ebd., S. 12f. ↩
- Ebd., S. 14. ↩
- Ebd., S. 14f. ↩
- Nadj Abonji, Melinda: Tauben fliegen auf. Salzburg, Wien 2010, S. 5. ↩
- Ebd., S. 13. ↩
- Ebd., S. 19. ↩
- Ebd., S. 41. ↩
- Dazu ausführlicher Barkhoff, Jürgen: Heimat im Dazwischen. Transiträume und transitorische Bewegungen in Melinda Nadj Abonjis „Tauben fliegen auf“. In: Hernandez, Isabel, Sosnicka, Dorota (Hrsg.): Fabulierwelten. Zum (Auto)biographischen in der Literatur der deutschen Schweiz. Würzburg 2017, S. 205–220. ↩
- Hardenberg, Friedrich von [Novalis]: Heinrich von Ofterdingen. Stuttgart 1987, S. 164. ↩