Ausgabe 1 /2017
Ralph Müller, Sylvie Jeanneret, Tobias Lambrecht, Mélissa Beaud 1
Universität Freiburg
Der vorliegende Bericht über mehr als 80 Familienromane aus dem französisch- und deutschsprachigen Teil der Schweiz aus den letzten 20 Jahren zeigt, dass dieses Genre auch in der Schweiz sehr beliebt ist. Allerdings wurden nur einzelne Romane aus dieser reichen literarischen Produktion einer gründlichen Analyse unterzogen, und obwohl Familienromane international ein größeres Forschungsinteresse auf sich vereinen konnten, hat sich dieses hauptsächlich auf Romane gerichtet, die die Erinnerungsproblematik in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg und die Shoah aufbereiten. Familienromane aus der Schweiz, wo diese Fragen anscheinend eine geringere Rolle spielen, haben demgegenüber weniger Beachtung erhalten. Unsere Inventur des Familienromans der Gegenwart in der Schweiz bestätigt tatsächlich, dass die Thematik des Zweiten Weltkriegs in einem geringeren Umfang behandelt wird. Das bedeutet nicht, dass das Verhältnis zwischen Familienerinnerungen und offizieller Geschichtsschreibung im Schweizer Familienroman der Gegenwart unergiebig wäre. Der Blick auf ein umfangreiches Korpus von Schweizer Familienromanen zeigt vielmehr, dass andere Themen verhältnismäßig mehr Gewicht erhalten. Insbesondere finden sich Auseinandersetzungen mit Erwartungen gegenüber der Familie als vermeintlichem Ort der Sicherheit und des emotionalen Wohlbefindens, mit innerfamiliären Problemen wie Kommunikationsblockaden, Untreue und der üblicherweise destabilisierenden Wirkung von Halbgeschwistern. Gleichzeitig entstehen außerfamiliäre Herausforderungen aufgrund von sozialer Isolierung und Probleme in Familien mit Migrationshintergrund.
Schlüsselwörter:
Schweizer Literatur, Familienroman, Entfremdung, MigrationNew family novels. A report on contemporary family and generation novels in French and German speaking Switzerland
This report on more than 80 family novels from the French and German speaking part of Switzerland from the last 20 years demonstrates that this genre is very popular in Switzerland. However, only a few novels out of this rich literary production have received occasional analysis, and although family novels have attracted considerable critical interest during the last decade, this interest has been mostly devoted towards novels that treat memory issues with respect to the Second World War or the Shoah, whereas family novels from Switzerland, where these issues seem play a lesser role, have received less attention. Our inventory of the contemporary family novel in Switzerland confirmed that the Second World War has been treated to a lesser extent, but this does not mean that looking at the relationship between family memories and official historiography in contemporary Swiss family novels would not yield conclusions of any interest. Looking at a broad corpus of Swiss family novels rather shows that other issues gain importance. In particular, we find conflicts with expectations towards the family as a supposed place of safety and emotional well-being, with intra-family problems such as communication blockades, infidelity, and half siblings, who frequently have a destabilizing effect on the family. At the same time, we could find extra-family challenges such as isolation in the social environment and challenges of families with an immigrant background.Keywords:
Swiss literature, family novel, alienation, migration
Einleitung
Die traditionellen Familienformen haben in der Schweiz an Dominanz eingebüsst:2 Mit der Revision des Eherechts hat der Familienvater Mitte der 1980er Jahre den patriarchalen Vorrang gegenüber der Gattin offiziell verloren,3 inzwischen wird die Öffnung des Eherechts für gleichgeschlechtliche Paare zumindest diskutiert,4 doch in statistischer Hinsicht ist die Lebensgemeinschaft von Verheirateten mit Nachkommenschaft sowieso nifcht mehr die selbstverständliche soziale Lebensform.5 Vor dem Hintergrund solcher Entwicklungen scheinen Familien- und Generationenromane trotz ihres Erfolgs wenig mit der gelebten Realität zu tun zu haben. Nicht nur deshalb hält die Literaturkritikerin Sigrid Löffler den Familienroman für ‚überlebt‘, doch sei er „bequem wie ein abgetragener Pullover“, „flexibel und dehnbar“ und halte „die Leserseele warm“.6
Es ist im Grunde genommen seltsam, einer etablierten Gattung mangelnde Innovation oder fiktionalen Texten fehlenden Realitätsbezug vorzuwerfen. Es bleibt die Beobachtung, dass Erzählungen über Aufstieg, Fortbestand oder Niedergang von Familien eine anhaltende Beliebtheit auf dem Buchmarkt geniessen. Dem Markterfolg der Familienromane steht gleichzeitig ein anhaltendes Interesse der Forschung an den vielfältigen Formen und Funktionen von Erzählungen über Generationenfolgen gegenüber, das sich aber wenig auf die Schweizer Literatur gerichtet hat. Mit Sandbergs Sammelband zu Familienbilder in der Schweiz7 liegt eine Sammlung von Einzelstudien vor. Für die Literatur der Romandie kann auf die Studie von Francillon und Jakubec über die Littérature populaire et identité suisse verwiesen werden (Nationales Forschungsprogramm 21),8 die die Darstellung der Familie in der populären Literatur im Zeitraum 1880 bis 1985 untersucht und gezeigt hat, wie sehr der populäre Roman in realistischer Manier die ‚traditionelle‘ Familie beschreibt, die typischen Merkmalen gehorcht wie Rollenverteilung in der Ehe sowie ‚privatem‘ Patriotismus (Liebe zur Familie, zum eigenen Dorf, den eigenen Bräuchen, dem eigenen Geburtshaus). Ein Familienmodell, das sich gegen Ende der 1950er Jahre sogar im populären Roman weiterentwickelt habe: Zwar repräsentiere der Familienkreis weiterhin den stabilen und bewahrenden Kern des sozialen Gleichgewichts für das fiktive Individuum. Die ideologische Position der Autoren verliere aber ab den 1950er Jahren an Klarheit: Die sozialen Gefüge werden gelockert (Emanzipierung der Frauen, Ablösung der Kinder, sichtbarer werdende Konflikte unter Familienmitgliedern) und dies zieht sogar in der populären Literatur eine Infragestellung der identitätsstiftenden Mythen der Schweiz nach sich (zu denen auch die sogenannt traditionelle Familie gehört).
Im Verhältnis zu den Studien zu Familien- und Generationenromanen aus Deutschland fällt eine erstaunliche Zurückhaltung gegenüber der Schweizer Literatur auf. Dies liegt, wie dieser Überblick zeigen wird, nicht daran, dass nur wenige Texte vorliegen würden. Tatsächlich waren wir selbst überrascht, dass sich schliesslich über 80 Romane aus dem Zeitraum der letzten zwei Jahrzehnte als relevant erwiesen. Der folgende Bericht setzt sich deshalb das Ziel, zum einen Forschungslinien zum Familien- und Generationenroman zu skizzieren, um Forschungslücken und -potenziale hinsichtlich der Schweizer Literatur aufzuzeigen und zum anderen – und dies ist das Hauptziel – geht es darum, ein Inventar der Familienromane der Gegenwartsliteratur in der Deutschschweiz und der Romandie zu erstellen.9 Der Schwerpunkt liegt an dieser Stelle auf längeren Erzähltexten, insbesondere auf Romanen, die seit der Jahrtausendwende erschienen sind. Dabei geht es zum gegenwärtigen Zeitpunkt um eine Bestandsaufnahme.10 Die kurzen Charakterisierungen der Romane können aufgrund des geringen Umfangs nur wenig Analyse oder Thesen bieten. Es ist ein Bericht und eine Einladung zur vertieften Auseinandersetzung.
Grundlinien der Forschung zum Familienroman
Der gegenwärtige Erfolg von Romanen über Familienkonstellationen (und unser Fokus auf die Gegenwartsliteratur) sollte nicht davon ablenken, dass die Gattung je nach Definition seit wenigstens über einem Jahrhundert anhaltenden Erfolg geniesst. Man denke an die Generationenromane von Thomas Mann Die Buddenbrooks (1901) oder Roger Martin du Gard Les Thibault (1922–1940). Auch die Schweizer Literatur hat zahlreiche bemerkenswerte Beiträge zu dieser Gattung geliefert, auf die wir noch zu sprechen kommen. Eine wissenschaftliche Darstellung von Familienromanen stösst allerdings auf die Problematik divergierender Gattungsdefinitionen und Forschungstraditionen. Dies kann einleitend anhand von literaturwissenschaftlichen Nachschlagewerken skizziert werden.
Das Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft bietet lediglich einen Artikel zum hermeneutischen Begriff der „Generation“. Mit „Generation“ ist in diesem Fall weniger ein Konzept familiärer Beziehungen gemeint als eine kulturwissenschaftliche Denkfigur, dass sich Personen, die im gleichen Zeitalter geboren wurden, aufgrund ihrer jeweils ähnlichen Sozialisierung zur Generation finden und sich in einem Gegensatz zu früheren und späteren Generationen sehen.11 Das Metzler Lexikon Literatur bietet zumindest einen knappen Beitrag zum Familienroman als Darstellung „der Verhältnisse familiären Zusammenlebens im Kontext einer oder mehrerer Generationen“.12 Im Dictionnaire des genres et notions littéraires trifft man wiederum auf das Freudsche Konzept des ‚roman familial‘.13 Dabei wird der von Freud postulierte psychoanalytische Mechanismus, „die geringgeschätzten Eltern loszuwerden und durch in der Regel sozial höher stehende zu ersetzen“14 im Anschluss an Marthe Roberts Studie Romans des origines et origines du roman15 allgemein auf literarische Zusammenhänge angewandt.16 Demgegenüber versteht der Dictionnaire du littéraire unter ‚roman familial‘ nicht das eben erwähnte psychoanalytische Konzept. Dieser Artikel greift vielmehr (ähnlich wie der Artikel des Metzler-Lexikons) die von Yi-Ling Ru entworfenen Elemente von realistischen
Generationenromanen auf.17
Der knappe Blick auf Nachschlagewerke zeigt bereits eine erstaunliche Divergenz von Definitionen und Ansätzen. Wir skizzieren im Folgenden vier grundlegende Forschungsausrichtungen:
1. Psychoanalyse und Literatur: Mit Sigmund Freuds klassischer Studie Der Familienroman der Neurotiker18 – wobei „Familienroman“ eine imaginierte bessere Herkunft einer heranwachsenden Person bezeichnet – steht eine quasi anthropologische Konstante eines entwicklungspsychologisch problematisch besetzten Verhältnisses zu den Eltern im Vordergrund.19 Marthe Robert hat auf dieser Grundlage in ihrer einflussreichen Studie Roman des origines et origines du roman mittels der Opposition von ‚enfant trouvé‘ und ‚batârd‘ eine umfassende Typologie des Romans überhaupt entworfen.20
2. Identitätsbildung und Psychologie: Freuds Aufsatz macht auf die Wichtigkeit der Auseinandersetzung der Erzählenden mit der Familiengeschichte als Arbeit an der eigenen Identität aufmerksam.21 Eine solche Identitätssuche findet man im schweizerischen Roman nicht zuletzt im seit den 1970er Jahren zunehmend sichtbar werdenden weiblichen Schreiben (z.B. Anne Cuneo, Anne-Lise Grobéty, Monique Laederach, Gertrud Leutenegger, Erica Pedretti, Amélie Plume, Sylviane Roche, Christina Viragh); die Romane dieser Autorinnen betonen Familienbeziehungen mit weiblichen Figuren im Zentrum ihrer Erzählung. Dies erlaubt einen frischen Blick auf die Figuren und ihre Beziehungen zu den Geschlechtern und Familienmitgliedern (Vater–Tochter oder Mutter–Tochter).22 Diese familieninternen Beziehungen sind, wie auch die Frauenbewegungen der 1960er und -70er Jahre und – was die Rechtslage angeht – die Anerkennung der Kinderrechte anzeigen, heutzutage nicht mehr patriarchalisch festgelegt, sondern werden ausgehandelt. Diese Beziehungen können dennoch unter dem Gesichtspunkt des Affekts gleichsam psychologisch betrachtet werden, um die Familie als bevorzugten Ort des emotionalen Austausches zu erfassen.23 Neben dem emotionalen Beziehungsgeflecht gilt es zugleich, Fragen der Kontinuität und Übermittlung von Werten innerhalb von Familien Beachtung zu schenken. Ein fiktives Individuum ordnet sich in die Kontinuität der Familie durch das Erzählen ein, über das nicht zuletzt die Einstellungen und Haltungen zum Ausdruck gebracht werden – unter Umständen entgegen der offiziell anerkannten Geschichtsschreibung.24 Wertvolle Hinweise gibt Anne Muxels Studie zur Identität und Familienerinnerung. 25
3. Historiografie und Soziologie: Die Ausführungen im Hinblick auf Identität und Psychologie von Figuren deuten bereits an, dass Familien im Roman auch als Symptome für allgemeine gesellschaftliche Verhältnisse gelesen werden können. In dieser Hinsicht bieten Gegenwartsromane Einblicke in Familienvorstellungen.26 Die literaturwissenschaftliche Forschung konzentriert sich allerdings vor allem auf die Darstellung von Erinnerung und Vergangenheit. So ist in den letzten Jahrzehnten eine rege Forschungstätigkeit um die Erinnerungsarbeit im Familienroman im Gegensatz zur offiziellen Erinnerungskultur und wissenschaftlichen Historiografie entstanden.27 Prominent im deutschsprachigen Raum sind in dieser Hinsicht die verschiedenen Beiträge von Aleida Assmann zur Funktion des Familienromans als privates Gedenken und als möglichen Gegenentwurf zu offiziellem Gedenken.28 Zentral wird dabei die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg und die Shoah behandelt, wobei Literatur das Potenzial zur Vermittlung von Tabus und Verschwiegenem zugesprochen wird.29 Allerdings gilt es noch abzuklären, inwiefern Erinnerung in Familienromanen in der Schweiz, wo die Vergangenheitsbewältigung kaum auftaucht, andere Funktionen erfüllt, die Erinnerungsarbeit vielleicht sogar mit mehr literarischer Freiheit behandelt wird.30
4. Gattungstypologie: Der Familien- und Generationenroman ist ein wichtiges Element jeder umfassenden Geschichte des Romans.31 Michail Bachtin wendet seine Theorie der Chronotopoi unter anderem auf den Familien- und Generationenroman als Unterarten der Idylle an.32 Bachtins Blick auf die Raum-Zeit-Verhältnisse der Figuren verspricht, Romane, bei denen die Familienbeziehungen konstitutiv sind, von Romanen zu unterscheiden, in denen Familien nur nebenbei aus dem nicht thematisierten Hintergrund auftauchen. Seine Differenzierung von ‚Familienroman‘ (Erzählung der Gründung einer Familie) und ‚Generationenroman‘ (Erzählung des Niedergangs einer Familie über Generationen hinweg) ist allerdings der Poetik der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verpflichtet und nicht mehr auf der Höhe der gegenwärtigen Romanproduktion. So sind in den letzten Jahren vor allem auch Texte ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt, in denen die strenge Chronologie des Generationenromans aufgebrochen wird. Unter anderem haben Studien von Viart zum ‚récit de filiation‘ und Reidy zum ‚Rekonstruktiven Paradigma‘ des Familienromans in diesem Zusammenhang auf die Wichtigkeit des Blicks der Nachkommen hingewiesen. 33
Der Familienroman in der Literatur der Deutschschweiz und der Romandie seit der Jahrtausendwende
Wie der obige Exkurs zeigt, ist die Auseinandersetzung mit der Familienvergangenheit ein wiederkehrendes Thema. Dennoch ist die Familienthematik anschliessbar im Hinblick auf unterschiedliche Ansätze und Forschungsinteressen. Wenn man die Gattung nur aufgrund des Themas definiert, 34 wird es schwierig, das Korpus einzugrenzen. So liegt in der Vielgestaltigkeit der Romane mit Familienthematik ein Hauptgrund für die Definitionsschwierigkeiten. Uneinigkeit besteht etwa über die Abgrenzung und Definition der Untergattungen wie ‚Familienroman‘, ‚Generationenroman‘,35 ‚récit de filiation‘36 (Erzählungen, in denen Figuren sich mit ihren Vorfahren beschäftigen) oder ‚Vaterbuch‘.37 Gleichzeitig weist die Gattung Beziehungen auf zur ‚Autobiografie‘38, zur ‚autofiction‘39 oder auch zum ‚Entwicklungsroman‘40 – etwa wenn das Jugendleben eines Protagonisten in den Vordergrund gestellt wird wie zum Beispiel die Jugendgeschichte „Lob des Herkommens“ in Gottfried Kellers Grünem Heinrich (2. Fassung). Ebenso steht die Familie im Zentrum vieler Jugendromane.41 Insofern zeitgenössische Autorinnen und Autoren nicht zögern, generationelle Familienbeziehungen bis in die Vergangenheit zurückzuverfolgen, liegt häufig eine historische Kontextualisierung vor, die den Familienroman dem Historischen Roman annähert.42 Das mögliche Korpus von ‚Familienromanen‘ weitet sich aus, orientiert man sich gar an einer Entwicklungsgeschichte des Familienromans selbst. So gibt es Vorschläge, den Beginn des Familienromans beim empfindsamen Briefroman, insbesondere Richardson, anzusetzen.43 Folgt man Bachtin, dann sind sowohl der Familien- als auch der Generationenroman bereits auf die Idylle zurückzuführen und somit auch zum Heimatroman, der in der Schweizer Literatur gerade zur Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert eine grosse Rolle gespielt hat.44
Insgesamt gilt es zu beachten, dass der Familienroman sein Potenzial aus Kreuzungen und Hybridisierungen von verschiedenen Gattungen wie Bildungsroman, Historischem Roman und Freuds Familienroman als Gegenstand der Fantasie bezieht, die den Romanen einen jeweils eigenen Blickwinkel auf gesellschaftliche Zustände ermöglichen. Konsequenterweise muss uns auch die vermeintlich altmodische Frage nach dem Bezug zu sozio-historischen Wirklichkeiten interessieren, denn zeitgenössische Gesellschaft beschäftigt sich immer noch intensiv mit der Familie.45 Für eine literaturwissenschaftliche Sicht verdichtet sich diese Beschäftigung in der Frage nach der Inszenierung generationeller Zusammenhänge durch Erinnerung und Erzählung.
Eine Konzentration auf ein Genre wie die Familiensaga in der traditionellen Form des chronologischen Generationenromans erscheint uns somit gegenüber der Vielfältigkeit der Formen nicht als die richtige Antwort, zumal die Schweizer Literatur heute, wie noch zu zeigen ist, nur noch wenige Beispiele dieser Romanform aufweist. Uns interessieren im Folgenden alle Romane, die das Verhältnis unter und zwischen den Generationen zum Thema machen. Dementsprechend werden in der folgenden Darstellung vor allem diejenigen Texte behandelt, in denen die Frage nach der biologischen, kulturellen oder materiellen Kontinuität bzw. Diskontinuität von Familie wesentlich die Struktur der Erzählung prägt. Unter den vielen Gliederungsmöglichkeiten haben wir uns entschieden, die Texte entsprechend dem Erzählarrangement zu ordnen, mit dem die Familie evoziert wird. Wir unterscheiden dabei 1a) chronologische Generationenromane in der traditionellen Form der Saga, 1b) Plurizentrische Generationenerzählungen, 2a) rekonstruktive investigative Generationenerzählungen, 2b) rekonstruktive erinnernde/imaginative Generationenerzählungen. Schliesslich haben wir uns noch entschieden, 3) Adoleszenzromane im Familienmilieu sowie 4) Grenzfälle im Umfeld des definierten Korpus zu erwähnen.
1a) Generationenromane in der traditionellen Form der Saga
Generationenromane blicken in der Schweizer Literatur auf eine reiche Tradition zurück. Genannt seien Monique de Saint-Hélier (d.i. Berthe [Eimann-]Briod) mit dem Alérac-Zyklus (Grasset, 1934–1955)46; Meinrad Inglin mit Der Schweizerspiegel (Staackmann, 1938),47 Robert Faesis umfangreiche Romantrilogie zur Geschichte der Zürcher Familie Edlibach (Atlantis, 1941–1952)48 sowie Kurt Guggenheims Panorama zur Zürcher Geschichte von der Jahrhundertwende bis zum Ende des zweiten Weltkriegs unter dem Titel Alles in Allem (Artemis, 1952–1954).49 Die behäbige Erzählweise des traditionellen, realistisch erzählten Generationenromans mit chronologisch komponierter Struktur und allwissendem Erzähler gibt es heute noch, typischerweise begleitet von Beteuerungen zum historischen oder biografischen Hintergrund, Verwendung von Fotografien, häufig auch von Kartenmaterial, Glossar und schematischem Stammbaum zur Unterstützung des Leserverständnisses.50
Gleichzeitig gibt es im 21. Jahrhundert erstaunliche Aktualisierungen der Form des Generationenromans. Einen vielbeachteten51 Generationenroman hat Charles Lewinsky mit Melnitz (Nagel & Kimche, 2006)52 vorgelegt. Im Zeitraum von 1871 bis 1945 wird die Geschichte der jüdischen Familie Meijer erzählt. Hinsichtlich Umfang, chronologischer Struktur und allwissendem Erzähler entspricht der Roman durchaus dem herkömmlichen Gattungsmuster des Generationenromans (typisch nicht zuletzt der Stammbaum im Anhang und die Nähe zum Historischen Roman). Ungewöhnlich ist die titelgebende Randfigur des Onkel Melnitz, der als gespenstischer Wiedergänger beim Tod von Protagonisten die marginale und prekäre Lage der Juden kommentiert. Damit liegt zum einen ein Bruch mit der typisch realistischen Erzählweise des Generationenromans vor, zum andern vermeidet der Roman die Struktur einer eindeutigen Dekadenz-Erzählung bzw. einer familiären Erfolgsgeschichte.
Eine parodistische Variante des auktorialen, chronologischen Familien- oder Generationenromans bietet Roland Reichen mit seinem Debüt aufgrochsen (Bilger, 2006).53 Die nichtdiegetische Erzählinstanz berichtet in einer stark mundartlich gefärbten Kunstsprache von einer kleinbürgerlichen Bergdorfhölle. Roland Reichen unterläuft dabei viele Genre-Konventionen: Das Erzähltempo der drei Generationen umfassenden Handlung ist geradezu provokant hoch, der ‚allwissende‘ Erzähler legt oft einen betont uninteressierten Gestus an den Tag; von der genretypisch zunehmenden Anzahl Figuren ist er schnell entnervt:
„Ich weiss, es ist mühsam, immer so von einem zum andern zu wechseln, aber das geht jetzt halt nicht anders, weil mit dem Zusammenbruch vom Friedli, da ist auch unser ganzes schönes Familiengeschichtli in sich zusammengefallen […]“54
All dies unterstreicht die vorgespurten, schematischen Schicksale der Figuren in ihrer als dumpf attackierten Provinzsozialisierung. Reichen dient das Muster des traditionellen Generationenromans dazu, eine Provinzkritik in der Tradition von Hermann Burgers Schilten mit einer satirischen Attacke auf reduktive biologische oder entschuldigend milieusoziale Erklärungsmuster von Erfolg und Scheitern zu verbinden.55
1b) Plurizentrische Generationenerzählungen
Die traditionelle Form des Generationenromans mit auktorial allwissendem Erzähler und chronologischer Struktur scheint im 20. Jahrhundert an Beliebtheit bei den Autorinnen und Autoren eingebüsst zu haben. Stoffe mit Saga-Format werden in jüngerer Zeit eher mit vielfältigen Wechseln von Zeitebenen, Fokalisierungs- und Erzählinstanzen in modern gebrochener Form erzählt.56 Das umfassendste Projekt einer solchen Generationenerzählung hat zweifellos Daniel de Roulet mit La simulation humaine vorgelegt, ein Familienfresko, das in den 1990er Jahren angefangen wurde und in nunmehr zehn Romanen (ein wahrer ‚roman fleuve‘) die Geschichte von zwei Familien, einer japanischen und einer westschweizerischen, erzählt.57 Passend zum Umfang des Projekts (und dennoch erstaunlich) ist, dass die Kapitel nunmehr in elektronischer Form als Hypertextroman auf einer Mobil-Applikation gelesen werden können, um wahlweise die Biografie einer Figur oder einen bestimmten Erzählstandpunkt (Fokalisierung) im Erzähluniversum nachverfolgen zu können.58 In dieser Hinsicht könnte Technologie neue Möglichkeiten anbieten, auktoriale Verantwortung an den Leser abzugeben und verzweigte Familiengeschichten in einer wandelbaren Organisation zu präsentieren.
Typisch für die hier besprochenen Romane ist, dass verschiedene Zeitebenen gesetzt werden oder auch dem Standpunkt verschiedener Figuren durch Fokalisierung mehr Gewicht gegeben wird, um auf diese Weise die Aufmerksamkeit innerhalb der Generationenfolge gleichmässiger zu verteilen.59 In Simona Rysers kurzem Roman Der Froschkönig (Limmat-Verlag, 2015)60 wird zum Beispiel die chronologische Darstellung einiger Tage der Protagonistin Leo im Jahr 2014 mit dem Aufstieg und Verfall des Vaters „Herr Meister“ im Zeitraum von 1954 bis 1998 sowie mit Motiven des gleichnamigen Märchens versetzt.
Franco Supinos Roman Das andere Leben (Rotpunktverlag, 2008) über den schweizerischen Dramatiker Cäsar von Arx 61 – der Roman handelt also offensichtlich von einer historisch verbürgten Persönlichkeit62 – ist in grossen Teilen aus der Sicht der ebenfalls künstlerisch veranlagten Tochter geschrieben, greift aber in einzelnen Kapiteln die Vergangenheit des Dramatikers auf, in einzelnen Abschnitten wird auch der Standpunkt heutiger Leser und insbesondere Supinos Standpunkt zum inzwischen beinahe vergessenen Nationaldramatiker thematisiert.
Auffällig unter dem Gesichtspunkt einer plurizentrischen Generationenerzählung erscheinen uns auch die Werkgruppen von Urs Widmer und Christian Haller, die in mehreren Büchern die Familienvergangenheit aus der offen deklarierten Perspektive des Nachkommens vergegenwärtigen und dennoch ein Panorama der Familiengeschichte ausbreiten.63
In Christian Hallers kunstvoller Roman-Trilogie des Erinnerns (Luchterhand, 2001–2006)64 greift die Erzählung weit über die Erinnerung des Erzählers hinaus, etwa bei der Erzählung der Geschichte der Familie S., die mit der Familie von Hallers Mutter assoziiert wird (v.a im ersten Buch Die verschluckte Musik); gleichzeitig überblendet der Erzähler souverän die Vergangenheit mit der Erzählgegenwart und vergegenwärtigt auf diese Weise Probleme familiärer Erinnerungsarbeit. So wird gerade im ersten Buch deutlich, dass die Eltern zum Zeitpunkt des Erzählens dieser Erinnerungsarbeit nichts mehr beitragen können, denn die Mutter ist demenzkrank und der Vater längst gestorben.
Ein besonderer Fall von Generationenerzählungen liegt bei der familiengeschichtlichen Werkgruppe von Urs Widmer vor, die hauptsächlich im Modus des Fiktionalen die eigene Familiengeschichte erforscht und dabei gleichzeitig eine erstaunliche Fabulierlust an den Tag legt. Kennzeichnend für diese Werkgruppe ist, dass aus der Erzählgegenwart des Autors in verschiedenen Konstellationen die eigene Familiengeschichte zur Grundlage und Inspiration von komplexen Romanhandlungen genommen wird. Urs Widmer hat zum einen mit Das Buch des Vaters (Diogenes, 2004) und Der Geliebte der Mutter (Diogenes, 2000) Romane verfasst, die in enger Fokalisierung auf einen jeweiligen Elternteil das schwierige Familienleben darstellen.65 Die Texte wurden gern unter dem Stichwort „Autofiktion“ behandelt,66 diese Sichtweise könnte aber den Blick weg von den massiven Fiktionalisierungstendenzen lenken. So mischt sich im Buch des Vaters der märchenhafte Aufbruch des Helden in das Dorf seiner „Ahnen“67 mit den Elementen des exotischen Abenteuerromans („Einmal, mit einem Fuß im Sumpfloch steckend und dem andern in Lianen verheddert, rief er um Hilfe“68). Durch die Aufgliederung der Elterngeschichte in zwei unabhängige Texte mit jeweils starker Fokalisierung auf einen Elternteil entstehen völlig unterschiedliche Romane, die eine konträre horizontale, ‚plurizentrische‘ Lektüre der Familiengeschichte ermöglichen.69 Auffällig ist gleichzeitig die marginale Stellung der Kind-Figur, die mit dem Erzähler-Ich immer nur mit einer leichten Verzögerung identifiziert wird, das Erzähler-Ich bleibt aber als Fluchtpunkt der Familienstruktur zentral. Die Kind-Perspektive wird unter stark verfremdender und fantastischer Form in anderen Romanen aufgegriffen. Dies geschieht zum einen durch Zeitreise in der Erzählung Der blaue Siphon (Diogenes, 1992), in der der erwachsene Erzähler wiedererkennbar in die Zeit seiner Basler Jugend versetzt wird und sein jugendliches Ich in die Zürcher Erzählgegenwart reist,70 zum andern wird die Jugend in dem Roman Ein Leben als Zwerg (Diogenes, 2006) aus der stark verfremdenden Perspektive eines Spielzeugzwergs des Kindes erzählt. Die eigene biografische Perspektive hat erst in der Autobiografie Reise an den Rand des Universums (Diogenes, 2013) eine eigene Stimme erhalten.71 In der Konstruktion von drei autobiografisch inspirierten Romanen ist es interessant, die zuverlässigere Perspektive der Autobiografie hinzuziehen, auch wenn gerade dieser Text die Vorteile einer spielerisch imaginativen und vagen Rekonstruktion aufzeigt.
Thomas Hürlimann hat drei Romane geschaffen, die ähnlich angelegt sind wie diejenigen von Urs Widmer, auch wenn die Konstellation, in der ein Schriftsteller-Sohn sich von der Familiengeschichte zu Romanen inspirieren lässt, nicht in allen Fällen explizit gemacht wird.72 Zum einen liegen zwei Romane vor, die die Perspektive eines Elternteils derselben Familie betonen:73 Der große Kater (Ammann, 1998) bezieht sich wiedererkennbar auf die Biografie von Hürlimanns Vater, dem Bundesrat Hans Hürlimann, und schliesst in der Manier eines Politthrillers den öffentlichen Staatsbesuch des spanischen Monarchen mit dem privaten Verlust eines kranken Kindes kurz.74 Der Verlust des Kindes wird auch im Roman Vierzig Rosen aufgegriffen (Ammann, 2006),75 im Gegensatz zum Großen Kater stellt aber dieser Roman die Familienkonstellation hauptsächlich aus der Perspektive der Mutter dar und entwickelt zugleich die Unterdrückung der jüdischen Tradition in der Familie der Mutter. In den beiden erwähnten Romanen tritt die Konstellation eines erzählenden Nachkommen in den Hintergrund. Im Gegensatz dazu nimmt die Novelle Fräulein Stark (Ammann, 2001) eine besondere Rolle in dieser Werkgruppe ein,76 da sie einerseits die autodiegetische Erzählung des Sohns enthält (in diesem Fall bezeichnenderweise nicht im Elternhaus, sondern während der letzten Ferien vor dem Aufbruch ins Internat im Haus des Onkels), andererseits sein Entdecken der verdrängten jüdischen Wurzeln mit heterodiegetischen Erzählungen der Einwanderung der jüdischen Vorfahren begleitet. In einem gewissen Sinne bilden der kurze Essay Spurensuche in Galizien77 (und, wenn man so möchte, sogar die empörte Replik von Hürlimanns Onkel auf Fräulein Stark)78 wie bei Urs Widmer ein biografisches Gegenstück zu den Romanen.
2) Rekonstruktive Familienerzählungen
Die gewiss beachtliche Anzahl von Familiensagas und plurizentrischen Generationenerzählungen kann nicht davon ablenken, dass Familienromane seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die souveräne Erzählgeste des auktorialen Erzählers verloren haben. Tatsächlich herrschen Erzählerfiguren mit epistemologisch beschränkter Perspektive vor, die in der Form des ‚récit de filiation‘ die Verhältnisse zwischen den Generationen rekonstruieren.
Rekonstruktives Erzählen eröffnet zum einen die Möglichkeit einer offen parteiischen und kritischen Auseinandersetzung mit der Familiengeschichte, häufig durch den erzählenden Nachkommen selbst, etwa in der wütenden Anklage gegen die bürgerliche Enge des Elternhauses in Fritz Zorns (das ist Federico Angst) Mars (Kindler, 1977).79 Zum andern kann dadurch der erzählerische Akzent stärker auf die Konsequenzen der Taten der Vorfahren gelegt werden. Zu den erzählerischen Optionen gehört insbesondere, dass die nachkommende Generation als Opfer der Fehler und Probleme der vorangegangenen Generationen präsentiert wird, dies ist insbesondere in von Otto F. Walters Der Stumme (Koesel, 1963) zu sehen.80 Der rekonstruktive Gestus, wie zum Beispiel bei Christoph Geiser (Grünsee; Brachland, Benziger 1978, 1980),81 kann durchaus die Form einer investigativen Recherche annehmen. Ein herausragendes Beispiel für eine dezidiert investigative Erzählkonstruktion ist Otto F. Walters Zeit des Fasans (Rowohlt, 1988), der mit vielfältigen zweifelnden Erzählstimmen einen deutlichen Kontrast zu Fritz Zorns Mars etabliert, wo ein polemisches Erinnern des Selbsterlebten vorherrscht.
Die sehr unterschiedlichen rekonstruktiven Generationenerzählungen erfordern im Prinzip komplexe Gliederungsprinzipien. Die nachfolgende Gliederung unterscheidet Erzählarrangements, die mit einem stark investigativen Charakter Geheimnisse früherer Generationen oder unverständliche Ereignisse aufzuklären suchen, von Erzählungen, die stärker auf die Imagination setzen. Dessen ungeachtet können die Romane in einem unterschiedlichen Ausmass fiktives und authentisches Dokumentationsmaterial einarbeiten, die Erinnerungskraft beschwören oder einfach die Plotstruktur bemühen, um obige Erzählarrangements herzustellen. Ebenso erwies es sich, dass diese Erzählarrangements in letzter Konsequenz nicht von einer bestimmten diegetischen Erzählkonstruktion abhängig sind, sodass durchaus die Möglichkeit für eine differenziertere Typologie möglich wäre.
2a) Rekonstruktive investigative Familienerzählungen
Rekonstruktive investigative Erzählarrangements nehmen häufig den Ausgang in einem Familiengeheimnis, dem eine Figur auf den Grund gehen möchte und das von eingeweihten Familienmitgliedern nicht mehr enthüllt werden kann, sodass die Beschränktheit menschlicher Erkenntnis durch das Vorenthalten von Informationen wirkungsvoll inszeniert werden kann. In Martin R. Deans Meine Väter (Hanser, 2003) findet die biografisch inspirierte Figur Robert den verschollenen natürlichen Vater Ray, der sich aber als Greis mit Sprach- und Erinnerungsstörungen herausstellt.82 Für die Schriftsteller-Brüder Benoît Damon (d.i. Serge Laplace) und Yves Laplace ist jeweils die Hirnschädigung des Vaters Ausgangspunkt des Schreibens über das Leiden am Verlust der Vaterfigur, die nicht mehr in der Lage ist, sie weiter zu begleiten.83 Die Neuauflagen der Texte weisen zudem die Besonderheit auf, dass jeweils der andere Bruder ein Vorwort mit Reflexionen über die jeweilige Schreibarbeit verfasst hat. Häufig setzen rekonstruktive investigative Romane unmittelbar beim Verlust eines Familienmitglieds an, sodass nicht die Personen selbst, sondern nur verstreute Belege und Erzählungen aus ‚Zweiter Hand‘ die Lücken füllen. In Werner Rohners Roman Das Ende der Schonzeit (Lenos, 2014) ist für den Erzähler und Protagonisten Joris der frühe Krebstod der Mutter Anlass des Schreibens über seine Suche nach dem Vater (10 Jahre nach dem Tod der Mutter), sodass der Sohn über den wiederentdeckten Vater seine Mutter neuentdeckt.84 Urs Faes präsentiert in Liebesarchiv (Suhrkamp, 2007)85 die typische Suche eines Ich-Erzählers nach dem Familiengeheimnis hinter dem vorübergehenden Verschwinden des Vaters in seiner Jugend im Jahr 1954.86 Zwar ist die Kontaktaufnahme einer früheren Geliebten des Vaters Auslöser der Suche; der Erzähler und Protagonist scheint es aber darauf anzulegen, erst dann mit dem Nachforschen zu beginnen, wenn alle Zeitzeugen tot sind und nur noch die ‚Liebesarchive‘ fragmentarisch Auskunft geben. Die drängenden Fragen, auch die Frage, ob der Vater tatsächlich der biologische Vater ist, können dadurch nicht mehr mit Gewissheit beantwortet werden.
Neben rekonstruktiven Sohn-Vater-Romanen sollten die Tochter-Mutter-Untersuchungen beachtet werden. Sandrine Fabbris La béance (Ed. d’En bas, 2009) ist eine Erzählung nahe an der Autofiktion,87 in der die Erzählerin sich bei der Trauer um ihre verstorbene Mutter in die Generationengeschichte vertieft. In Anne-Lise Thurlers La fille au balcon (Zoé, 2007) ist es die Tochter, die ihre verstorbene Mutter betrauert.88 Die Erzählerin taucht in die Vergangenheit ein, um das häufig lieblose Verhalten der Mutter zu verstehen. Dazu erforscht sie die Familiengeschichte und reflektiert das Schicksal anderer Frauen, nicht zuletzt dasjenige ihrer Tante.89 Auch in Brécarts Angle Mort (Zoé, 2002)90 versucht die Tochter das lieblose Verhalten des Vaters zu verstehen.
Rekonstruktive Generationenerzählung umfassen heute ein weites Spektrum an Verwandtschaftsbeziehungen, die weit über das vom sogenannten Vaterbuch etablierte ‚Sohn und Vater‘-Schema hinausgeht.91 In Yvette Z’Graggens Matthias Berg (Ed. de l’Aire, 1995)92 besucht die Enkelin Marie in Berlin den Mann, vor dem Mutter und Grossmutter geflohen sind. Kurz vor dem Gespräch, das mithelfen soll, das sich über Generationen wiederholende Trauma der weiblichen Familienmitglieder im Umgang mit dem Kriegsheimkehrer zu überwinden, stirbt aber der Grossvater. In Bettina Spoerris Roman Konzert für die Unerschrockenen (Braumüller, 2013) sind die vererbten Tagebücher der Grosstante Leah ein Anlass für die 35-jährige Anna Weiss, sich mit ihrem eigenen Bezug zur jüdischen Vergangenheit ihrer Vorfahren auseinanderzusetzen und die „Kommunikationsblockaden“93 zwischen ihr und ihrem Bruder und Vater anzugehen. Auch hier gibt es die ‚Familiengeheimnisse‘, die man mit Tagebüchern assoziiert, etwa zur Frage, warum die Mütter dieser Familie so häufig von ihren Männern verlassen wurden. 94 In Lukas Hartmanns Auf beiden Seiten (Diogenes, 2015) stehen sogar ehemaliger Schwiegersohn und Schwiegervater im Zentrum.95
Man könnte weitere Beispiele hier anfügen, etwa Anne-Lise Grobétys La Corde de mi (Campiche, 2006),96 ein Roman aus der Sicht einer Tochter, die versucht das Familienverhältnis ihrer geschiedenen Eltern nachzuvollziehen.97
Besondere Erwähnung verdienen die Romane über Familienkonstellationen von Ruth Schweikert. Sowohl der Debütroman Augen zu (Ammann, 1998)98, der (eher auf Ehebeziehungen fokussierte) Zweitling Ohio (Amman, 2005), als auch der dritte Roman Wie wir älter werden (Fischer, 2015)99 erzeugen durch erzähltechnische Komplexität einen rekonstruktiven Effekt. Wie wir älter werden enthält eine von der Mitte des 20. Jahrhunderts bis 2015 spielende Handlung, die sich um zwei auf vielfache Weise miteinander verflochtene Familien dreht und von einer nichtdiegetischen Erzählinstanz anachronistisch und multiperspektivisch vermittelt wird. Dadurch wird die Rekonstruktion verstreuter Teilinformationen, welche man als Nachkomme beim Erfassen seiner Ahnengeschichte leisten muss, auch für die Leser evoziert. Grundkonflikt ist ein klassisches Familiengeheimnis: die verschwiegene Verwandtschaft einiger Halbgeschwister. Illustriert wird die Entwicklung der Zwischengeneration: Die in den 1960er Jahren geborenen Halbschwestern Kathrin und Iris werden von renitenten und ungeliebten Töchtern zu selbstbestimmten Müttern und gewinnen dabei ein reflektiertes Verständnis für (sowie kritische Einsicht in) die Fehler ihrer Elterngeneration. Der Roman erfüllt vor allem eine literarische Archivfunktion: Zahlreiche zeitgeschichtlich einschlägige Elemente werden erwähnt, ohne dass sie für den Plot eine Rolle spielen. Mit dieser Technik100 wird dagegen angekämpft, die diversen Lebensläufe einer nachträglichen, narrativ konfigurierten panoramatischen Ganzheit zu unterwerfen.
Giuliano Musios Debütroman Scheinwerfen (Luftschacht, 2015)101 fällt im Korpus auf, da er Elemente des Familienromans mit denen des Horror-, Fantasy- und Krimigenres mischt:102 Die Weingarts betreiben mit der vererbten Gabe, verdrängte Erinnerungen anderer Personen aufzudecken, einen Familienbetrieb in zweiter Generation. Der Text ist nichtdiegetisch und multiperspektivisch erzählt, auch hier wird mit diversen Familiengeheimnissen und – offenbarungen operiert, etwa dem Auftauchen eines unbekannten Halbbruders, Res, der – dies erweist sich als prominente Funktion von Halbgeschwistern in Familienromanen – das Familiengefüge nachhaltig destabilisiert. Der Text thematisiert entsprechend divergierende Familienmodelle: Für Res ist selbstverständlich, dass er und seine neugefundenden Halbbrüder zusammengehören, für seinen Halbbruder Julius wiederum ist Verwandtschaft „nichts weiter als eine gewisse genetische Übereinstimmung“: Weitere Verbindungen wären „reiner Zufall“.103 Zugespitzt wird durch die übernatürliche Fähigkeit der Weingarts ein in Familienromanen häufiges Motiv: Wie gut kann man andere Menschen, seien sie einem auch noch so vertraut oder eben verwandt, wirklich kennen, und wie viel Kenntnis der Gedanken anderer hält das Sozialgefüge überhaupt aus?
2b) Rekonstruktive erinnernde und imaginative Familienerzählungen
Nicht in allen rekonstruktiven Erzählungen strukturieren Handlung und Erzählung in der Form einer investigativen Erschliessung familiäre Vergangenheit. Zunächst sind Übergangsformen zu beachten, die zwar im grossen Ganzen das dokumentarische Material in den Vordergrund rücken, daneben faktisch unwiederbringlich verlorene Erinnerung vermeintlich allwissend darstellen, wie dies zum Beispiel in Hedi Wyss in der teilweise stark fiktionalisierenden Biografie ihrer Mutter Bubikopf und Putzturban (eFeF, 2003) vornimmt.104 In vielen Fällen reicht ein Objekt, um die Vergangenheit erinnernd oder fabulierend (die Differenz ist nicht immer deutlich) zu vergegenwärtigen, wie zum Beispiel beim Spielen eines Klaviers in Hanna Johansens Der Herbst, in dem ich Klavier spielen lernte (Dörlemann, 2014).105 Tatsächlich können auch die Generationenerzählungen von Haller, Hürlimann und Widmer aufgrund des mehr oder weniger latenten biografischen Ausgangspunktes der Autoren und der Verengung des Familienstammbaums auf den Nachkommen (als Umkehrung der zunehmenden Auffächerung vom ‚Stammvater‘ her) als Realisierungen von Rekonstruktionen gelesen werden. Hingegen setzen sie sich von den meisten rekonstruktiven Familienerzählungen durch die epische Breite ab, mit der der Standpunkt der Vorfahren in ein panoramatisches Bild integriert wird.
Michel Layaz’ Les larmes de ma mère (Zoé, 2003)106 berichtet die Erinnerungen einer gewöhnlichen Kindheit, die von verschiedenen Gegenständen ausgelöst werden und eine Mutter erahnen lassen, die den Erzähler sowohl fasziniert als auch verängstigt. Die kompilierten Episoden mit seinen Brüdern, dem Vater und der Mutter leiten einen Prozess der Befreiung durch erinnernde Reflexion ein. In anderen Fällen ist es ein Lebenseinschnitt, etwa das Verlassen des alkoholkranken Mannes in Gertrud Leuteneggers Roman Pomona (Suhrkamp, 2014),107 der Kindheits- und Familienerinnerungen evoziert. Guy Poitry zeichnet in Comme un autre (La Joie de lire, 2006)108 das Porträt einer Grossfamilie der 1960er Jahre (Eltern, Onkel, Tanten, Grosseltern), oszilliert dabei zwischen Introspektion und fiktiven Erinnerungen. Die Jugenderinnerungen leiten über zum Bekenntnis seiner Homosexualität.
Klaus Merz’ erfolgreiche Erzählung Der Argentinier (Haymon, 2009)109 betont durch eine sehr vermittelte Erzählstruktur die nur mittelbare Sicht der Nachkommen auf das Leben der (Gross-)Elterngeneration: Ein namenloser Ich-Erzähler gibt in indirekter Rede wieder, was ihm seine ehemalige Klassenkameradin Lena vom Leben ihres Grossvaters berichtet. Die Erzählung des – bis auf den mysteriösen Argentinienaufenthalt – äusserlich betont unspektakulären Lebens des Grossvaters läuft dabei auf das versöhnliche Einfühlen in eine vergangenene Zeit hinaus. Durchaus programmatisch fühlt sich der Ich-Erzähler „eigenartig aufgehoben“ in „dieser fremden Lebensgeschichte“.110 Trotz eines genre-konventionellen Geheimnisses funktioniert der Text geradezu auffällig konfliktfrei, was ihn deutlich vom investigativ-kritischen Grundton der Familienerzählungen unterscheidet. Dies verweist ostentativ auf ein derzeit unmodisches Potenzial des Familienromans: Nacherzählung als Erfahrung. Das textinterne Credo „Erzählen und Erzählen lassen“111 fungiert als Modus der Weltaneignung, die nicht von der Quantität abenteuerlicher Erlebnisse, sondern von der Qualität des Zuhörens, Erzählens und Beobachtens abhängt.
Wie in den rekonstruktiven Romanen des investigativen Typus, kann auch hier der Tod Auslöser des Erinnerns und Evozierens sein. Lukas Bärfuss’ Koala (Wallstein, 2014)112 geht vom biografisch belegten Selbstmord des Bruders aus (ist also primär auf horizontale Beziehungen gerichtet) und ergründet, wenn sich der Erzähler nicht gerade in historischen Darstellungen der britischen Kolonialgeschichte ergeht, inwiefern der Koala ein passendes Sinnbild für seinen Bruder war.113
Es ist bemerkenswert, dass eine grössere Reihe von Erzählungen über Migrations- oder Flüchtlingserfahrungen in die Gruppe der rekonstruktiv erinnernden Erzählungen fallen. Dazu gehört zum einen eine Gruppe von Autorinnen, die nach dem Zweiten Weltkrieg in die Schweiz kamen wie Erica Pedretti114 oder (bereits erwähnt) Hanna Johansen. In diesem Zusammenhang begegnet man auch Figuren, die im hohen Alter sich nochmals ihren Erinnerungen aussetzen.115 Zum andern ist eine ganze Reihe von Familienromanen von Autorinnen verfasst worden, die nach dem Fall der Mauer in die Schweiz eingewandert sind.116 Evelina Jecker Lambrevas Roman Vaters Land (Braumüller, 2014)117 nimmt offensichtlich Bezug auf die Migrationserfahrung der Autorin, die in Bulgarien aufgewachsen ist. Ein prominenter Fall in dieser Reihe ist Melinda Nadj Abonjis Tauben fliegen auf (Jung und Jung, 2010):118 Die aus der Vojvodina (Ex-Jugoslawien) in die Schweiz eingewanderte Erzählerin Ildikó muss sich in ihrer Adoleszenz damit auseinandersetzen, dass ihr Bezug zur Heimat durch den Bürgerkrieg Anfang der 1990er Jahre abreisst. Im autodiegetisch erzählten Roman setzt sie sich mit der schwierigen Identitätsfindung in ihrer Adoleszenz auseinander, greift aber analeptisch immer wieder auf Kindheitserinnerungen und die frühen Integrationsbemühungen der Familie in der Schweiz zurück. Die Erzählung präsentiert den Prozess der Loslösung vom Elternhaus als Reaktion auf den zunehmenden Gegensatz zwischen der durch den jugoslawischen Bürgerkrieg gestörten Beziehung zur Herkunft (ungarische Minderheit in der Vojvodina) und der schwierigen Integration in der Schweiz. Anders und doch vergleichbar ist der Fall bei Meral Kureyshis kürzlich erschienenem Roman Elefanten im Garten (Limmat, 2015): Eine Ich-Erzählerin im jungen Erwachsenenalter lässt, konfrontiert mit dem Tod ihres Vaters, die Erinnerung immer wieder in die von provisorischen Aufnahmen gezeichnete Ankunft einer Familie (die zur türkischen Minderheit im Kosovo gehörte) in der Schweiz zurückschweifen.119 Auch hier besteht die Herausforderung darin, mit dem Gegensatz zwischen Familienkultur und dem neuen Land, das gar nicht so aufnahmefreudig ist, zu leben.
Die Erzählkonstellation des Erinnerns schliesst nicht aus, dass sich ältere Familienmitglieder in die Erzählung durch Berichte einschalten. Dies gilt zum Beispiel für Max Lobes 39, rue de Berne (Zoé, 2013),120 wo der Bericht des jungen Dipita die Migrationserfahrung der Familie in eine Erzählung über Prostitution und Homosexualität einbindet.
3) Romane über Kindheit und Adoleszenz
Die bisher diskutierten Romane sind aufgrund der Erzählstruktur angelegt, die Verhältnisse zwischen Familienmitgliedern über einen längeren Zeitraum darzustellen oder aus der Sicht der Nachkommen zu rekonstruieren. Erzählungen über Familien können aber auch das zeitlich beschränkte Erleben der Figuren einer langanhaltenden Beziehung in den Vordergrund stellen. Zum einen sind in diesem Zusammenhang Romane zu nennen, die die Entwicklung eines Protagonisten zum jungen Erwachsenen vor allem in Beziehung zur Familie stellen.121 Silvio Blatters Eine unerledigte Geschichte (Frankfurter Verlagsanstalt, 2006) erzählt hauptsächlich aus der Sicht des erwachsenen erfolgreichen Filmkomponisten Eric(h) Neuhaus das wechselhafte Verhältnis zum Halbbruder und das Leiden an der „blinde[n] Hälfte“122 des Stammbaums aufgrund des unbekannten Vaters. In Jürg Amanns Am Ufer des Flusses (Haymon, 2001) konfrontiert die Erzählung das Leben von zwei ‚Einzelsöhnen‘, deren Mütter als Quasi-Schwestern im selben Kinderheim aufgewachsen sind und dadurch ein fast familiäres Verhältnis zwischen dem Erzähler und seinem homosexuellen „Cousin“ herstellen.123 Guido Bachmanns stark autobiografisch angelehnter Bericht lebenslänglich (Lenos, 1997) vergegenwärtigt die Jugenderinnerungen mit einem kritischen Aplomb, der an Fritz Zorns Mars erinnert.124 Ebenfalls deutlich in die Richtung eines autobiographischen Berichts, trotz fiktionalisierender Einschübe, bewegt sich Christoph Kellers Der beste Tänzer (Fischer, 2003), die Geschichte einer Familie, in der zunächst die zwei Brüder in den Jugendjahren, später der Verfasser selbst an der seltenen, genetisch verursachten Spinalen Muskelatrophie erkranken.125 Klaus Merz’ Jakob schläft (Haymon, 1997) nennt sich im Titel zurückhaltend „eigentlich ein Roman“,126 der Text bietet dennoch anhand der ‚Coming-of-Age‘-Erzählung der Figur von Lukas ein umfassendes und poetisches Bild einer ganzen Familie, die trotz „düsteren Schicksalsschlägen“, z.B. dem Verlust des ersten Sohns Jakob durch einen Kunstfehler oder den epileptischen Anfällen des Vaters die Lebenskunst entwickelt, ‚Positives aus Negativem herauszuholen‘.127 Drastischer entwickeln sich die Familienverhältnisse in Roland Butis Le milieu de l’horizon (Zoé, 2013).128 Im bäuerlichen Waadtland der 1970er Jahre muss die am Anfang der Adoleszenz stehende Hauptfigur allmählich erkennen, dass die Ehe der Eltern an der lesbischen Beziehung der Mutter zerbricht. Im Conservatoire d’amour erzählt Rose-Marie Pagnard (Ed. du Rocher, 2008) die Geschichte von zwei Schwestern, die die Kernfamilie verlassen, um der väterlichen Unterdrückung zu entkommen.129 Der Roman inszeniert somit die Emanzipation von zwei jungen Frauen, die Familiengeheimnisse der Eltern enthüllen.130
Unter Umständen konzentriert sich der erzählte Zeitraum im Wesentlichen auf einen beschränkten Zeitraum. Im Dialektroman Unger üs (Der gesunde Menschenversand, 2014) von Guy Krneta konzentriert sich das Erzählen auf den Zeitraum von sechs Monaten, während der das Erzähler-Ich für Dienstverweigerung im offenen Vollzug einsitzen muss; anekdotisch131 wird die Familiengeschichte berichtet (mit dem Hauptgewicht auf dem Grossvater und dem schelmischen Onkel Sämi).132 In Catalin Dorian Florescus Roman Wunderzeit (Pendo, 2001) rückt die abenteuerliche Auswanderung der Familie aus dem Rumänien der Ceaucescu-Zeit in den Vordergrund.133
Auch unter den Kindheits- und Adoleszenzromanen mit ausgeprägtem Familienbezug befinden sich erstaunlich viele Texte von Autorinnen, die im Laufe ihrer Jugend in die Schweiz eingewandert sind. Am bekanntesten ist vermutlich Agota Kristofs Trilogie des jumeaux (Seuil, 1986–1991), die schon Ende der 1980er zu den 1990er Jahren publiziert wurde.134
Da solche Romane häufig näher am Erleben der Protagonisten stehen, kann der rekonstruktive Aspekt an den Rand gerückt werden. Zum Beispiel bezieht Aglaja Veteranyis Roman Warum das Kind in der Polenta kocht (Deutsche Verlags-Anstalt, 1999)135 einen Teil seiner verstörenden Wirkung gerade aus der Tatsache, dass die junge und in mancherlei Hinsicht naiv inszenierte autodiegetische Ich-Erzählerin die Konflikte und Probleme der eigenen Familie direkt erfährt. Die Erzählerin ist als Kind mit ihrer rumänischen Kleinkünstlerfamilie eingewandert und berichtet bestürzend offen über die Familienverhältnisse, wo die meisten der bisher erwähnten Romane ein gutbürgerliches Familiengeheimnis bestehen lassen. Im Gegensatz zu den in rekonstruktiven Romanen beliebten Familiengeheimnissen ist die Erzählerin zwar naiv, aber dennoch über die problematischen Verhältnisse in der Familie gut unterrichtet. Irena Brežná nutzt demgegenüber die Naivität der jungen Erzählerin in Die beste aller Welten (Ebersbach, 2008), um einen Effekt der Ironie zu erzeugen.136 Die sehr junge Erzählerin lebt unter einem nicht näher bezeichneten kommunistischen Regime und zeigt im Erzählen Schwierigkeiten, die Diskrepanz zwischen dem offiziellen, ideologischen Sprachgebrauch und der abweichenden Haltung der eigenen Familie zu überbrücken.
4) Grenzfälle
In manchen Fällen spitzt sich die Abgrenzungsfrage von Familien- und Generationsromanen auf eine problematische Einschätzung der dominanten Thematik zu. Eine ganze Reihe von Romanen schildern Familien in schwierigen Situationen, insbesondere mit belastenden Eltern-Kind-Beziehungen, ohne aber die Generationenfrage offen aufzugreifen.137 Alex Capus’ Roman Léon und Louise (Hanser, 2011) präsentiert zwar die Familie Le Gall über vier Generationen,138 dennoch legt die Liebesbeziehung des Grossvaters zu Louise Javier einen Schwerpunkt, der ausserhalb der Familie liegt.139 In Dagny Gioulamis Roman Alle Geschichten, die ich kenne (weissbooks, 2015) sind die griechischen Verwandten eher als Stationen eines grotesken ‚road-movies‘ erwähnt und weniger als Elemente einer gemeinsamen Generationenkette.140 Bemerkenswert ist auch, dass die Generationenthematik in Romanen, die eine kürzere Zeitspanne umfassen, stärker hinter anderen Themen zurücktritt, sodass neben der Darstellung von familiär bedingten Problemen die vertikalen und horizontalen Beziehungen von Verwandtschaft in den Hintergrund rücken. So konkurriert in Erwin Kochs Nur Gutes (Nagel & Kimche, 2008)141 der Verlust der Eltern mit einer spannungsgeladenen Terrorismus-Geschichte. In Yusuf Yeşilöz’ Hochzeitsflug (Limmat Verlag, 2011) 142 überdeckt die tragikomische Zwangsverheiratung des heimlich homosexuellen Beyto die Auseinandersetzung mit der fernen tscherkessischen Sippe.
Es scheint aber auch strukturelle Grenzen des generationellen Familienromans zu geben, so spannt Leta Semadeni – die Autorin schreibt sowohl auf Deutsch als auch im bündnerromanischen Idiom Vallader – in ihrem Roman Tamangur (Rotpunkt, 2015) 143 die Zeit des Zusammenleben von Grossmutter und Kind auf 143 Buchseiten eher in der Form von zeitlich gegliederten Anekdoten als in der Form eines narrativ geschlossenen Romans. Familien- und Generationenromane scheinen einer geordneten Erzählung zu bedürfen. So fällt in Dorothee Elmigers Einladung an die Waghalsigen (Dumont, 2010) die Rekonstruktion der Familiengeschichte zweier Töchter hinter der fantastischen Collage von Zitaten und postapokalyptischer Landschaft zurück, sodass die Literaturkritik grundsätzlich in Frage stellte, ob es sich hier noch um einen Roman handle.144
Ein letzter interessanter Sonderfall, der in diesem Artikel zumindest angesprochen werden sollte, ist Christoph Geisers Roman Schöne Bescherung (offizin, 2013), gerade weil der Autor sich in den späten 1970er Jahren mit Familienromanen hervorgetan hat und den vorliegenden Roman explizit mit „kein Familienroman“ betitelt.145 Die Gattungsbezeichnung ist aber im Roman nicht ohne Umschweife zu erfüllen, zumal gerade der Tod der Mutter den Erzähler an seine eigene Vergänglichkeit erinnert und all die Toten der Familie erst aus den Gedanken und dem Roman verdrängt werden müssen, bevor eine Neuorientierung des Erzählens möglich wird.
Schluss
Eine Inventur und keine Analyse (!) des gegenwärtigen Familien- und Generationenromans der Deutschschweiz und der Romandie sollte vorgenommen werden. Muster und Entwicklungslinien liessen sich deshalb nur ansatzweise aufzeigen.146 Wenn sich auch die sogenannten ‚récits de filiation‘147 grosser Beliebtheit erfreuen (insbesondere Vater-Sohn-Beziehungen), zeigt sich heute eine Vielheit der Stimmen, Perspektiven und Familienbeziehungen. Diese Vielheit erlaubt, dass Familie nicht nur Gegenstand vertikaler bzw. generationeller, sondern auch horizontaler Lektüre sein kann, sodass einerseits unterschiedliche Blickwinkel auf die Mitglieder derselben Kernfamilie eröffnet, andererseits punktuelle und beschränkte Perspektiven auf den Zustand einer Familie anstelle einer langfristigen Entwicklung gerichtet werden. Als weiteres Entwicklungselement fällt auf, dass die schwerpunktmässig imaginative Variante der Familienerzählung eine sehr spielerische Ausprägung in der Spät- oder Postmoderne erfahren hat.148
Die Vergangenheitsbewältigung, mithin das dominierende Thema der deutschsprachigen Forschung zum Familienroman, spielt im Hinblick auf ethnische Verfolgung, kriegerische Konflikte oder diktatorische Unterdrückung in neueren Schweizer Familienromanen derzeit eine im europäischen Vergleich geringe Rolle. Während zum Beispiel in deutschen Familienromanen der schweigsame, autoritär verhärtete Heimkehrer ein typischer Bestandteil ist, wird in Schweizer Romanen das Kriegsleid eher durch mit den Protagonisten verwandte oder bekannte Opfer repräsentiert. Angesichts der Tatsache, dass die Schweiz die beiden Weltkriege ziemlich unversehrt überstanden hat, überrascht geradezu, dass dennoch einzelne Romanen etwa die Verfolgung der Juden,149 den Umgang mit der Schuldfrage,150 oder den Faschismus in der Familie151 nahe an in der Schweiz lebende Familien heranbringen. Sofern Familien- und Generationenerzählungen auf solche Konstruktionen verzichten, bleibt die Kriegsgefahr lediglich am Horizont.152 Allenfalls reflektieren Figuren von der sicheren Schweiz aus das Kriegselend, vor dem sie geflohen sind.153 Das Erinnern historischer Einschnitte oder Katastrophen findet sich somit vor allem in Erzählungen über Familien, die in die Schweiz eingewandert sind – häufig verfasst von Autorinnen und Autoren, die selbst Erfahrungen mit Flucht oder Migration haben. In diesem Zusammenhang wären insbesondere Autorinnen zu erwähnen, die nach dem Zweiten Weltkrieg in die Schweiz eingewandert sind und die Schrecken von Krieg, Verfolgung und Vertreibung erinnern (z.B. Erica Pedretti, Hanna Johansen). In den letzten fünfzehn Jahren sind die Stimmen von Autorinnen aus osteuropäischen Ländern stärker geworden, die allenfalls als Jugendliche noch das kommunistische Regime, den Fall des Eisernen Vorhangs, die Erschütterungen des Jugoslawienkriegs und die Herausforderungen der Emigration in die Schweiz erlebten.154 Inzwischen sind Autorinnen und Autoren mit Migrations- oder Flüchtlingshintergrund keine Ausnahmeerscheinung in der Schweizer Literatur155 und haben zweifellos zur Vielfältigkeit des hier präsentierten Korpus beigetragen. Dass die Flüchtlinge und Migranten diese Bereicherung unserer Literatur mit Traumata, erschwerter Identitätsbildung oder Fremdenfeindlichkeit in der Schweiz bezahlen, muss wohl angesichts der gegenwärtigen Berichterstattung über neues Flüchtlingselend nicht in Erinnerung gerufen werden.156
Der schweizerische Familienroman scheint aber tendenziell nicht das Gefäss für Erzählungen über weltgeschichtliche, gesamteuropäische Zusammenhänge zu sein, sondern konzentriert sich eher auf gesellschaftlich Prekäres im Nahbereich. Insgesamt herrscht in den hier behandelten Romanen eine Atmosphäre des ‚Gerade-nochmal-davon-gekommen-Seins‘ vor. Dies gilt insbesondere für Romane über Familien mit jüdischer Herkunft,157 für die sich der Antisemitismus in minder katastrophaler Weise äussert, allein schon aufgrund der Tatsache, dass die jeweiligen Kernfamilien nach der Shoah fortbestehen. In dieser Hinsicht scheinen sich schweizerische Romane tendenziell einer Vergangenheit nähern zu können, die nicht generell mit dem Etikett des ‚Unvorstellbaren‘ behaftet ist. Dies könnte ein Grund sein, warum wir im Korpus relativ wenig Abrechnungen mit einer Generation der Schuldigen antreffen und warum verschiedene Schweizer Romane dem Erleben der Vorfahren (auch bis in den Zeitraum 1939–1945) mit überraschender Fabulierlust nachgehen.
Dennoch sind die meisten der vorliegenden Familienromane keineswegs verklärende Idyllen. Zuverlässig kehren innerfamiliäre Belastungen wieder, zum Beispiel mit mehr oder weniger geheimen ausserehelichen Beziehungen der Eltern,158 mit neu entdeckten Halbgeschwistern,159 mit drogentoten oder suizidalen Geschwistern,160 mit Homosexualität161 und mit psychischen Zusammenbrüchen. Ereignisse, die sich insofern als Belastungen herausstellen, als sie die Grenzen des familiären Verbunds als Ort behüteter und gesicherter Gefühlsbeziehungen aufzeigen. Dies wird nicht zuletzt daran sichtbar, dass – trotz der derzeitigen Realität von Patchwork-Familien – Halbgeschwister erzählerisch offenbar vor allem dazu dienen, eine Kernfamilie zu destabilisieren und einen konfliktbeladenen Plot in Gang zu bringen. Allein diese Beobachtungen drängen die Annahme auf, dass Erinnern in Schweizer Familienromanen insbesondere den Verlust oder gar das Fehlen affektiver Bindungen reflektiert, die man von Familienmitgliedern erwarten würde. Es wäre aber zu weit gegriffen, dass die Auflösung der ‚Familie‘ im Laufe des 20. Jahrhunderts Thema sei, denn tatsächlich bestehen diese Familien weiter fort, nicht zuletzt dank der Kraft der Erzählung. Allenfalls bleibt offen, ob oder wie die Generationenkette über den Roman hinaus fortgesetzt wird. Auffällig häufig scheinen sich aber die Romane an der Frage abzuarbeiten, dass die Familienbindungen fortbestehen, obwohl die essentiellen affektiven Beziehungen gestört sind.
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- Die Autoren danken den anonymen Gutachtern für die konstruktiven Hinweise und Korrekturen. Alle Unstimmigkeiten und Fehler fallen aber selbstverständlich in unsere Verantwortung. ↩
- Zerfallsprozesse von Ehe und Familie zu beklagen, ist ein alter Topos, vgl. z.B. Behrens in den 1930er Jahren: „Der früher bei weitem stärkere Zusammenhalt der Familie, die ihre Autorität mit entsprechenden, den einzelnen umschlingenden Banden, mit Ausdehnung und Besitz zu sichern verstand, geht seiner Auflockerung mehr und mehr entgegen. Und es war gerade der Gegensatz der Generationen zueinander, der seit etwa einem halben Jahrhundert diesen Prozeß der Auflösung beschleunigte.“ Vgl. Behrens, Ada: Der entwurzelte Mensch im Familienroman von 1880 bis zur Gegenwart. Inaugural-Dissertation. Bonn 1932. ↩
- Vgl. Dufour, Alfred: Eherecht. In: Marco Jorio u.a. (Hrsg.): Historisches Lexikon der Schweiz. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D9608.php (20.7.2015). ↩
- Vgl. Parlamentarische Initiative „Ehe für alle“; Curia Vista, http://www.parlament.ch/d/suche/seiten/geschaefte.aspx?gesch_id=20130468 (24.7.2015). ↩
- „Noch 1970 hielten sich Familien- und Nichtfamilienhaushalte in etwa die Waage […]. Da in einem Familienhaushalt durchschnittlich sehr viel mehr Menschen lebten, war das Leben in einer Familie die üblichste Lebensform. Das hat sich seither stetig verändert, auch nach 2000. […] Noch immer leben in den Familienhaushalten durchschnittlich mehr Personen als in den Nichtfamilienhaushalten, doch die Familien sehen sich einem wachsenden Nichtfamiliensektor gegenüber, der sich nicht nur aus jungen Erwachsenen und alten Menschen zusammensetzt, sondern auch aus einer wachsenden Zahl von zeitlebens Kinderlosen.“ (Vgl. Bundesamt für Statistik: Familien in der Schweiz. Statistischer Bericht 2008. http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/news/publikationen.Document.114233.pdf (19.8.2015). In städtischen Gebieten ist der Anteil von verheirateten Frauen unter 50% gefallen, vgl. Bundesamt für Statistik, http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/regionen/thematische_karten/gleichstellungsatlas/familien_und_haushaltsformen/ehe.html (19.8.2015). Anmerkung: Regionale Differenzen werden auf den Gegensatz von städtischen und ländlichen Gebieten und nicht zwischen Deutsch- und Westschweiz zurückgeführt. ↩
- Löffler, Sigrid: Geschrumpft und gestückelt, aber heilig. Familienromane I: Sie haben sich überlebt, aber von ihrem Ende können sie noch lange zehren. Anmerkungen zur immergrünen Gattung der Generationen-Saga. In: Literaturen. Das Journal für Bücher und Themen 2005, Nr. 6, S. 18–26. Zur Kritik des Genres vgl. zudem Bayer, Dorothee: Der triviale Familien- und Liebesroman im 20. Jahrhundert. Mit einem Beitrag von Rudolf Schenda: Die Lesestoffe der Beherrschten sind die herrschende Literatur. 2. erw. Aufl. Tübingen 1971; Sandberg, Beatrice: Zur Einführung. In: Sandberg, Beatrice (Hrsg.): Familienbilder als Zeitbilder. Erzählte Zeitgeschichte(n) bei Schweizer Autoren vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Berlin 2010, S. 7–26. Ru, Yi-Ling: The Family Novel. New York 1992. ↩
- Vgl. Sandberg, Beatrice (Hrsg.): Familienbilder als Zeitbilder. Erzählte Zeitgeschichte(n) bei Schweizer Autoren vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Berlin 2010. Zu erwähnen ist zudem Elsbeth Pulvers vierseitiges Kapitel Familienromane als Medium der Erinnerung. In: Rusterholz, Peter und Solbach, Andreas (Hrsg): Schweizer Literaturgeschichte. Stuttgart 2007, S. 390–394. ↩
- Francillon, Roger; Jakubec, Doris (Hrsg.): Littérature populaire et identité suisse. Lausanne 1991. ↩
- Die Zugehörigkeit zur deutsch- und französischsprachigen Literatur der Schweiz wurde pragmatisch ermittelt. Es finden sich im Folgenden AutorInnen, die in der Schweiz aufgewachsen sind, aber die meiste Zeit im Ausland verbracht haben; ebenso wurden AutorInnen aufgenommen, die im Laufe ihres Lebens in die Schweiz eingewandert sind. ↩
- Die Suche nach passenden Romanen ist nicht einfach und die AutorInnen sind froh über jeden Hinweis auf Werke, die übersehen wurden. Ausgewertet wurden zum einen Literaturgeschichten, insbesondere Francillon, Roger (Hrsg.): Histoire de la littérature en Suisse romande. Nouvelle édition. Carouge-Genève 2015 sowie Rusterholz, Peter und Solbach, Andreas (Hrsg): Schweizer Literaturgeschichte. Stuttgart 2007. Ergänzend wurde die Datenbank der Autorinnen und Autoren der Schweiz ausgewertet (http://lexikon.a-d-s.ch/edit/werk_ew.php, besucht am 24.8.2015). Herzlich bedanken möchten wir uns für alle Hinweise, die wir empfangen durften, namentlich bei Isabelle Vonlanthen und Reto Sorg. Besonderer Dank ebenfalls an Vivien Rüffieux für die Unterstützung beim Einrichten des Manuskripts. ↩
- Die hermeneutische und geschichtsphilosophische Erklärungsfigur der Generationengegensätze wurde wirksam von Wilhelm Dilthey sowie Karl Mannheim formuliert; vgl. Dilthey, Wilhelm: Über das Studium der Geschichte der Wissenschaften vom Menschen, der Gesellschaft und dem Staat [1875]. In: Dilthey, Wilhelm (Hrsg.): Die Geistige Welt. Einleitung in die Philosophie des Lebens. Wilhelm Diltheys Gesammelte Schriften. Band V, Leipzig, Berlin 1924, S. 31–73. Mannheim, Karl: Das Problem der Generationen. In: Wolff, Kurt H.: Wissenssoziologie. Auswahl aus dem Werk. Berlin, Neuwied 1964 [1928], S. 509–565. In den letzten Jahren sind mehrere Studien erschienen, die das Konzept der „Generation“ kritisch beleuchten; vgl. Weigel, Sigrid: Genea-Logik. Generation, Tradition und Evolution zwischen Kultur- und Naturwissenschaften. München 2006. Parnes, Ohad, Vedder, Ulrike und Willer, Stefan: Das Konzept der Generation. Eine Wissenschafts- und Kulturgeschichte. Frankfurt a.M. 2008. Lauer, Gerhard (Hrsg.): Literaturwissenschaftliche Beiträge zur Generationsforschung. Göttingen 2010. ↩
- Singh, Sikander: Familienroman. In: Burdorf, Dieter, Fasbender, Christoph, Moennighoff, Burkhard: Metzler Lexikon Literatur. 3. Aufl. Stuttgart 2007, S. 229f. ↩
- Dictionnaire des genres et notions littéraires. Paris 1997, S. 659–660. ↩
- Vgl. Freud, Sigmund: Der Familienroman der Neurotiker (1909 [1908]). In: Mitscherlich, Alexander, Richards, Angela und Strachey, James: Sigmund Freud: Studienausgabe., Band 4, Frankfurt a.M. 2000, S. 221–226, hier S. 224. ↩
- Vgl. Robert, Marthe: Roman des origines et origines du roman. Paris 1972. ↩
- Demgegenüber stark abgrenzend Demanze, Laurent und Lapointe, Martine-Emanuelle: Présentation. Figures de l’héritier dans le roman contemporain. In: Études françaises 2009, 45,3, S. 5–9, hier S. 7. ↩
- Vgl. Aron, Paul u.a.: Le dictionnaire du littéraire. Paris 2010. Ru, wie Anm. 6. ↩
- Freud, wie Anm. 14 ↩
- Vgl. auch die Studien in Borer, Christine und Ley, Katharina (Hrsg.): Fesselnde Familie. Realität – Mythos – Familienroman. Tübingen 1991. Marthe, wie Anm. 15 sowie Hillenaar, Henk und Schönau, Walter (Hrsg.): Fathers and Mothers in Literature. Amsterdam 1994 ↩
- Vgl. Marthe, wie Anm. 15. ↩
- Viart, Dominique: Le silence des pères au principe du ‚récit de filiation‘. In: Etudes Françaises 2009 45, S. 95–112. Vgl. zudem Clément, Murielle Lucie und Wesemael, Sabine van (Hrsg.): Relations familiales dans les littératures française et francophone des XXe et XXIe siècles. Band 1: La figure de la mère. Band 2: La figure du père. Paris 2008. Neuschäfer, Markus: Das bedingte Selbst. Familie, Identität und Geschichte im zeitgenössischen Generationenroman. Göttingen 2013. ↩
- Vgl. dazu Cossy, Valérie: „Ecoutez, je ne suis pas ce que vous croyez…“ – Subjectivités féminines dans la littérature de Suisse romande. In: Francillon, wie Anm. 10, S. 1560–1576; von Matt, Beatrice: Aufbruch der Frauen (1970–2000). In: Rusterholz, wie Anm. 10, S. 400–434 ; Pulver, Elsbeth: Von der Protest- zur Eventkultur (1970–2000). In: Rusterholz, wie Anm. 10, S. 345–399; Dubuis, Catherine: Un siècle de récit féminin, de Valérie de Gasparin à Dorette Berthoud. In: Francillon, wie Anm. 10, S. 669–679; Dubuis, Catherine: Autres voix féminines. In: Francillon wie Anm. 10, S. 669–679; Jeanneret, Sylvie: Le roman de formation dans la littérature suisse romande du XXe siècle – autour de deux cas spécifiques, le roman féminin et l’oeuvre d’Etienne Barilier. Ecriture 2005 65, S. 138–147; Francillon, Roger und Jakubec, Doris: La littérature de la Suisse romande. In: Camartin, Iso u.a. (Hrsg.): Les quatre littératures de la Suisse. Zürich 1995, besonders S. 118–120. ↩
- Vgl. z.B. Schoebi, Dominik und Perrez, Meinrad. Emotional coregulation in marriage: Contingencies between partners’ anger and sadness, as associated with symptoms of depression, marital satisfaction and culture. In: Interdisciplinary Family Studies, 2012 Nr. 25. ↩
- Vgl. Welzer, Harald: Das kommunikative Gedächtnis. Eine Theorie der Erinnerung. München 2002, v.a. S. 149–170. ↩
- Vgl. Muxel, Anne: Individu et mémoire familiale. Paris 1996. ↩
- In dieser Hinsicht würde sich insbesondere die Frage nach der soziologischen Realität stellen, vgl. z.B. Kellerhals, Jean und Widmer, Eric: Familles en Suisse. Les nouveaux liens. 3. Aufl. Lausanne 2012; Lüscher, Kurt und Liegle, Ludwig: Generationendoris:beziehungen in Familie und Gesellschaft. Konstanz 2003. ↩
- Im Zentrum stehen dabei hauptsächlich Texte aus der Bundesrepublik Deutschland, vgl. Eigler, Friederike: Gedächtnis und Geschichte in Generationenromanen seit der Wende. Berlin 2005; Eichenberg, Ariane: Familie – Ich – Nation. Narrative Analysen zeitgenössischer Generationenromane. Göttingen 2009; Hirsch, Marianne: Family Frames. Photography, Narrative and Postmemory. Cambridge (Mass.) 1997. Süselbeck, Jan (Hrsg.): Familiengefühle. Generationengeschichte und NS-Erinnerung. Berlin 2014. ↩
- Vgl. Assmann, Aleida: Unbewältigte Erbschaften. Fakten und Fiktionen im zeitgenössischen Familienroman. In: Kraft, Andreas und Weißhaupt, Mark: Generationen: Erfahrung – Erzählung – Identität. Konstanz 2009. Die darin dargelegten Thesen wurden anderswo in einem breiteren Kontext ausgeführt, vgl. z.B. Assmann, Aleida: Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik. München 2006. ↩
- Vgl. Eigler, wie Anm.27. Mit Bezug auf Erinnern in Familien muss allerdings betont werden, dass das Familiengedächtnis je eigene Funktionen erfüllt und gegenüber der Historiographie starke Deformationen aufweisen kann; vgl. Welzer, Harald, Moller, Sabine und Tschuggnall, Karoline: „Opa war kein Nazi“. Nationalsozialismus und Holocaust im Familiengedächtnis. Frankfurt a.M. 2002. ↩
- Vgl. Müller, Ralph: Le récit familial comme historiographie nationale en Suisse. Beitrag zur Konferenz Narrative Knowing/Récit et Savoir. Paris 2014 (https://hal.archives-ouvertes.fr/hal-01077136, 21.7.2015). ↩
- In diesem Zusammenhang kann unter anderem auf folgende Sammelbände hingewiesen werden: Hillmann, Heinz und Hühn, Peter (Hrsg.): Lebendiger Umgang mit den Toten – der moderne Familienroman in Europa und Übersee. Hamburg 2012; Simone Costagli und Matteo Galli (Hrsg.): Deutsche Familienromane. Literarische Genealogien und internationaler Kontext. München 2010; Nagy, Hajnalka und Wintersteiner, Werner (Hrsg.): Immer wieder Familie. Familien- und Generationenromane in der neueren Literatur. Innsbruck, Wien, Bozen 2012. ↩
- Vgl. Bachtin, Michail M.: Formen der Zeit im Roman. Untersuchungen zur historischen Poetik. Frankfurt a.M. 1989, S. 178–183. Zudem vgl. Galli, Matteo und Costagli, Simone: Chronotopoi. Vom Familienroman zum Generationenroman. In: Galli, Matteo und Costagli, Simone: Deutsche Familienromane. Literarische Genealogien und internationaler Kontext. München 2010, S. 7–20. ↩
- Vgl. Reidy, Julian: Rekonstruktion und Entheroisierung: Paradigmen des ‚Generationenromans‘ in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Bielefeld 2013. ↩
- Man beachte zum Beispiel die thematische Breite bei Matt, Peter von: Verkommene Söhne, missratene Töchter. Familiendesaster in der Literatur. München 1995. ↩
- Costagli, Simone und Galli, Matteo (Hrsg.): Deutsche Familienromane. Literarische Genealogien und internationaler Kontext. München 2010. ↩
- Viart, Dominique: Récits de filiation. In: Viart, Dominique und Vercier, Bruno: La littérature française au présent. Héritage, modernité, mutations. Paris 2008, S. 79–101. Vgl. dazu auch den interessanten Beitrag von Ribaupierre, die von einer ‚montage familial‘ spricht; vgl. Ribaupierre, Claire de: Le roman généalogique. Brüssel 2002. ↩
- Zu dieser Kategorie vgl. kritisch Reidy, Julian: Vergessen, was Eltern sind. Relektüre und literaturgeschichtliche Neusituierung der angeblichen Väterliteratur. Göttingen 2012 sowie Eichenberg, wie Anm. 27. ↩
- Vgl. Lejeune, Philippe: Le pacte autobiographique. Paris 1975. ↩
- Der Titel des von Doubrovskys erstmals als ‘autofiktional’ bezeichneten Roman Fils, 1977, lässt sich ja nicht nur auf ›Fäden‹, sondern auch auf ›Sohn‹ beziehen. ↩
- Vgl. Chardin, Philippe (Hrsg.): Roman de formation, roman d’éducation dans la littérature française et dans les littératures étrangeres. Paris 2007. ↩
- Gerade die Familie Des Schweizerischen Robinsons bildet im abgeschiedenen Raum der utopischen Insel die bürgerliche Kernfamilie mit klarer Rollenteilung und Wertvorstellungen ab. Der Roman von Johann David Wyß ist nur in Bearbeitungen erschienen, die jüngste von Peter Stamm: Wyss, Johann David: Der schweizerische Robinson. Nacherzählt von Peter Stamm. Mit Bildern von Willi Glasauer und einem Nachwort von Peter von Matt. Frankfurt a.M. 2012. ↩
- Gegenüber dem von Georg Lukács definierten Historischen Roman ist hier freilich der generationelle Fokus der Romane zu betonen, der aber auch Raum zur metahistorischen Reflexion bietet; vgl. Lukács, Georg: Der Historische Roman. In: ders.: Probleme des Realismus. Band 3. Neuwied 1965. Vgl. zudem Bernard, Claudine: Le jeu des familles dans le roman français du XIXe siècle. St. Etienne 2013. Dies.: Penser la famille au XIXe siècle. St. Etienne 2007. Dubuis, Catherine: Le roman et l’Histoire. In: Francillon, wie Anm. 10, S. 1440–1453; dies.: La vogue du roman historique. In: Francillon, Roger (Hrsg.): Histoire de la littérature en Suisse romande. Band 4. Lausanne 1999, S. 203–214. ↩
- Vgl. Anderson, Mark M.: Die Aufgabe der Familie / das Ende der Moderne. Eine kleine Geschichte des Familienromans. In: Galli, Matteo und Costagli, Simone: Deutsche Familienromane. Literarische Genealogien und internationaler Kontext. München 2010, S. 23–34. ↩
- Vgl. Bachtin, wie Anm. 32. Man könnte also im Falle der Schweiz versuchen, den Familienroman bis zu den Mundartidyllen von Johann Martin Usteri und Idyllen Salomon Gessners zurückzuverfolgen. ↩
- Vgl. Segalen, Martine: Jeux de familles. Paris 1991. Segalen, Martine und Martial, Agnes: Sociologie de la famille. Paris 2013 (1981). ↩
- Vgl. Staint-Hélier, Monique: Bois-mort. Roman. Paris 1934 (dt. Übs. v. Rudolf Jakob Humm: Morsches Holz); dies.: Le Cavalier de Paille. Roman. Paris 1936 (dt. Übs. v. Cécile Ines Loos: Strohreiter); dies.: Le martin-pecheur. Paris 1953; dies.: L’arrosoir rouge. Roman. Paris 1955 (dt. Übs. v. Leonharda Gescher: Der Eisvogel, Die rote Giesskanne). ↩
- Vgl. Inglin, Meinrad: Der Schweizerspiegel. Roman. In: Inglin, Meinrad: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Hrsg. v. Schoeck, Georg. Band. 5.2, Zürich 1987. ↩
- Faesi, Robert: Die Stadt der Väter. Roman. Zürich 1941; ders.: Die Stadt der Freiheit. Roman. Zürich 1944; ders.: Die Stadt des Friedens. Roman. Zürich 1952. ↩
- Guggenheim, Kurt: Alles in Allem. Roman. Zürich 1952–1954. ↩
- Vgl. z.B. Minelli, Michele: Die Ruhelosen. Roman. Berlin 2012. Schnetzler, Kaspar: Das Gute. Eine Familienchronik. Roman. Zürich 2008. Vgl. auch die nostalgisch angelegten Romane Maier, Marcella: Das grüne Seidentuch. Eine Schweizer Familiensaga. München 2008 (für die Erstausgabe 2005 wird der Montabella Verlag, St. Moritz, ausgewiesen) sowie Zimmermann, Katharina: Der Amisbühl. Roman. Bern 2012. Ein dreibändiges Familienpanorama hat Suzanne Deriex bei Campiche vorgelegt: Deriex, Suzanne: Un arbre de vie. tome 1, Yvonand 1995; Dies.: Exils. tome 2. Yvonand 1997; Dies.: La Tourmente. tome 3, Orbe 2001. ↩
- Insbesondere sind die Bezüge zu Guggenheims Roman Alles in Allem, der auf andere Weise die jüdische Integration ins Zentrum setzt, Gegenstand literaturwissenschaftlicher Analysen geworden; vgl. Müller, Dominik: Jüdisches Leben in der Schweiz. Kurt Guggenheims Alles in Allem und Charles Lewinsky Melnitz. In: Komorowski, Dariusz: Jenseits von Frisch und Dürrenmatt. Raumgestaltung in der gegenwärtigen Deutschschweizer Literatur. Würzburg 2009, S. 189–200. ↩
- Vgl. Lewinsky, Charles: Melnitz. Roman. 3. Aufl., München, Wien 2008. Nach Auskunft der Website von Lewinsky wurde der Roman bisher in 11 Sprachen übersetzt (http://www.lewinsky.ch/charles/b_melnitz.html, 17.7.2015), die französische Übersetzung erschien 2008 bei Grasset, Paris. ↩
- Vgl. Reichen, Roland: aufgrochsen. Roman. Zürich 2006 ↩
- Ebd., S. 87. ↩
- Erwähnenswert ist auch Reichens Zweitling Sundergrund (taberna kritika 2014), in welchem in einer ähnlichen Figurenkonstellation die Geschichte des drogenabhängigen Fieders erzählt wird; vgl. Reichen, Roland: Sundergrund. Bern 2014. Obwohl dieser Text ohne klar parodierte Gattungsmerkmale der Generationenerzählung arbeitet, bleiben Handlungsstränge über die (Gross-)Elterngeneration sowie Verweise auf dysfunktionale Familienverhältnisse und Milieuherkunft prominent. ↩
- Jüngstes Beispiel ist Florescu, Catalin Dorian: Der Mann, der das Glück bringt. Roman. München 2016, der aber für diese Übersicht nicht mehr ausgewertet werden konnte. ↩
- In der Chronologie der Erzählung sind dies folgende Romane: Roulet, Daniel de: Kamikaze Mozart. Paris 2007; ders.: Fusions. Paris 2012; ders.: Gris-bleu. Paris 1999; ders.: Virtuellement vôtre. Saint-Imier 1993; ders.: La ligne bleue. Paris 1995; ders.: Bleu siècle. Paris 1996; ders. Davos Terminus, feuilleton internet. 10 Kapitel verfügbar unter http://www.largeur.com/?p=930, 2002. (28.8.2015); ders. L’homme qui tombe. Paris 2005; ders.: Le silence des abeilles. Paris 2009; ders.: Le démantelement du coeur. Paris 2014. ↩
- Zur Dokumentation vgl. Bornet, Cyril, de Roulet, Daniel und Kaplan, Frédéric: La simulation humaine. Le roman-fleuve comme terrain d’expérimentation narrative. In: Cahiers de Narratologie. Analyse et théorie narratives 2014 Nr. 27 http://narratologie.revues.org/7042#tocto1n1 (28.8.2015). ↩
- Diese Strategie ermöglicht insbesondere unter Beibehaltung einer auktorialen Erzählhaltung ein Familiengeheimnis zu inszenieren, vgl. z.B. Winter, André: Die Hansens. Roman. Zürich 2007. ↩
- Ryser, Simona: Der Froschkönig. Roman. Zürich 2015. ↩
- Supino, Franco: Das andere Leben. Roman. Zürich 2008. ↩
- In einem gewissen Sinne könnte man auch Katharina Geisers Roman Vierfleck als Historischen Roman über eine Familie betrachten, gemäss Nachwort hauptsächlich abgefasst auf der Grundlage von nachgelassenen Briefen, allerdings nehmen die komplizierten Liebesbeziehungen gegenüber dem Familienstoff grossen Raum ein, vgl. Geiser, Katharina: Vierfleck oder das Glück. Roman. Salzburg, Wien 2015. ↩
- Etwas schwieriger einzuordnen ist Anne Cuneos Roman Zaïda (Campiche, 2007). Das Vorwort stellt einen expliziten Bezug zum Leben der Urgrossmutter der Verfasserin her, die Handlung fokussiert allerdings sehr stark auf das Leben der Figur und die faktualen Bezüge werden im Nachwort verwischt: Vgl. Cuneo, Anne: Zaïda. Fragments d’une vie. Orbe 2007. ↩
- Die Trilogie vereinigt folgende Bücher: Haller, Christian: Die verschluckte Musik. München 2001, ders.: Das schwarze Eisen. München 2004; ders.: Die besseren Zeiten. München 2006. ↩
- Vgl. Vilas-Boas, Gonçalo: Vater und Mutter bei Urs Widmer. Privates und Öffentliches. In: Sandberg, wie Anm. 10, S. 197–211. Moser, Samuel: Gott. Vater. Die Vaterfigur in Urs Widmers Werk. In: Text + Kritik. Zeitschrift für Literatur 1998 140, S. 50–64. Hoffer, Klaus: Mutter, Vater, Kind. Anmerkungen zu zwei „Lebensgeschichten“ von Urs Widmer. In: Keel, Daniel und Stephan, Winfried (Hrsg.): Das Schreiben ist das Ziel, nicht das Buch. Urs Widmer zum 70. Geburtstag. Zürich 2008, S. 170–198. ↩
- Vgl. Wirtz, Irmgard M.: Autobiographie als Autofiktion: Urs Widmers Archiv im SLA. In: Pellin, Elio und Weber, Ulrich (Hrsg.): All diese fingierten, notierten, in meinem Kopf ungefähr zusammengesetzten Ichs. Autobiographie und Autofiktion. Göttingen, Zürich 2012, S. 193–203. ↩
- Vgl. Widmer, Urs: Das Buch des Vaters. Roman. Zürich 2004, S. 18f. ↩
- Vgl. ebd., S. 22. ↩
- Im Geliebten der Mutter lenkt der Titel die Aufmerksamkeit auf eine Figur am Rande der Familie, nämlich den Liebhaber. Vgl. Widmer, Urs: Der Geliebte der Mutter. Roman. Zürich 2000. Die Auseinandersetzung mit Edwin Schimmel steht prominent am Anfang und am Ende des Romans Gemeinhin wird Schimmel mit dem Musikmäzen und angeheirateten Hofmann-La Roche-Milliardär Paul Sacher identifiziert, wobei die Referenz auf letzteren im Roman nicht nur durch die Namensgebung, sondern auch durch eine Verschiebung der Handlung in ein Zürichsee-Milieu sowie durch den Wechsel der Industriesparte von Chemie zur Maschinenindustrie verwischt wird. (Vgl. ebd. S. 5f.). Dennoch stehen die desaströsen Auswirkungen der verschmähten Clara bzw. Mutter des Erzählers auf das Familienleben im Vordergrund. ↩
- Vgl. Widmer, Urs: Der Blaue Siphon. Erzählung. Zürich 1994. ↩
- Vgl. Widmer, Urs: Reise an den Rand des Universums. Autobiographie. Zürich 2013. ↩
- Zu Fräulein Stark, vgl. Müller, wie Anm. 30. Nur in Der große Kater gibt sich der zunächst heterodiegetisch wirkende Erzähler als Sohn zu erkennen, vgl. Hürlimann, Thomas: Der große Kater. Roman. Zürich 1998, S. 58, 153f., 178f. ↩
- Vgl. Barkhoff, Jürgen: Die Katzen und die Schweiz. Zum Verhältnis von Familiengeschichte und Landesgeschichte in Thomas Hürlimanns Familientrilogie. In: Sandberg, wie Anm. 7, S. 181–195. ↩
- Vgl. Hürlimann, Thomas: Der große Kater. Roman. Zürich 1998. Man beachte dabei insbesondere die durch die Motti hergestellte Beziehung zu Abrahams Opfer des Sohns in der Bibel, ebd. S. 5. ↩
- Vgl. Hürlimann, Thomas: Vierzig Rosen. Roman. Zürich 2006. ↩
- Vgl. Hürlimann, Thomas: Fräulein Stark. Novelle. Zürich 2001. Hinsichtlich der Entstehungszeit steht Fräulein Stark zwischen den beiden Romanen. ↩
- Vgl. Hürlimann, Thomas: Spurensuche in Galizien. In: Hürlimann, Thomas: Himmelsöhi, hilf! Über die Schweiz und andere Nester. Zürich 2002. S. 69-84. ↩
- Vgl. Duft, Johannes: Bemerkungen und Berichtigungen zum Buch Fräulein Stark von Thomas Hürlimann. St. Gallen 2001. ↩
- Zorn, Fritz: Mars. „Ich bin jung und reich und gebildet; und ich bin unglücklich, neurotisch und allein…“ Mit einem Vorwort von Adolf Muschg. München 1977. ↩
- Vgl. Walter, Otto F.: Der Stumme. Roman. München 1959. ↩
- Vgl. Geiser, Christoph: Grünsee. Roman. Zürich 1978; ders.: Brachland. Roman. Zürich 1980. ↩
- Vgl. Dean, Martin R.: Meine Väter. Roman. München 2003. Man vergleiche zudem die Essays zur Fremdheit, gerade im Hinblick auf die aus Trinidad eingewanderten Väter; vgl. Dean, Martin R.: Verbeugung vor Spiegeln. Über das Eigene und das Fremde. Salzburg, Wien 2015. ↩
- Vgl. Damon, Benoît: Le coeur pincé, préf. d’Yves Laplace. Vevey 2011; Laplace, Yves: La réfutation, préf. de Benoît Damon. Vevey 2011. ↩
- Rohner, Werner: Das Ende der Schonzeit. Roman. Basel 2014. ↩
- Faes, Urs: Liebesarchiv. Roman. Frankfurt a.M. 2007. Der Roman steht in einer Stoffkontinuität zu den vorangegangenen Romanen: ders.: Augenblicke im Paradies. Roman. Frankfurt a.M. 1994 und ders.: Sommerwende. Roman. Frankfurt a.M. 1989. Vgl. Pender, Malcolm: „Man überlebt die Welt nur mit Geschichten“. Vergangenheitsdarstellung als Familiengeschichten bei Urs Faes. In: Sandberg, wie Anm. 6, S. 171–180. ↩
- Vgl. Faes, wie Anm. 86, S. 20. ↩
- Vgl. Fabbri, Sandrine: La béance. Lausanne 2009. ↩
- Vgl. Thurler, Anne-Lise: La Fille au balcon, Carouge-Genève 2007. ↩
- In den Romanen Christina Viraghs steht ebenfalls ein Verhältnis zwischen Mutter und Tochter bzw. Töchter im Vordergrund; vgl. Viragh, Christina: Pilatus. Roman. Zürich 2003; aber auch dies.: Mutters Buch. Roman. Stuttgart 1997. Allerdings sind die Romane nicht in dem Sinne rekonstruktiv, dass sich die Verhältnisse in der aus Ungarn eingewanderten Familie oder das Verschwinden der Mutter nachvollziehen lassen. ↩
- Vgl. Brécart, Anne: Angle mort. Carouge-Genève 2002. ↩
- Oder Mutter-Sohn-Beziehungen wie in Chessex, Jacques: Pardon mere. Paris 2008. ↩
- Z’Graggen, Yvette: Matthias Berg. Lausanne 1995; vgl. auch dies.: Mémoires d’elles. Vevey 1999. ↩
- Vgl. das aufschlussreiche Gespräch zwischen Anna und ihrem Bruder Daniel unmittelbar nach einem mittelschweren Autounfall, Spoerri, Bettina: Konzert für die Unerschrockenen. Roman. Wien 2013, S. 312–333 ↩
- Zu erwähnen ist auch Spoerris offensichtlich autobiografisch geprägter Zweitling Herzvirus (Braumüller, 2016), der die Depression und das psychische Leiden ihrer über lange Zeit alleinerziehenden Mutter aus der Tochterperspektive erzählt. Neben Reflexionen zur Frauenrolle der Mutter als eigenständige Erzieherin und psychisch auf Hilfe angewiesener Person, die sich gerade im Konflikt mit dem patriarcharlisch denkenden zweiten Partner schärfen, enthält der Roman auch archivierende Elemente der jugendlichen Erzählerin, die die konservativen soziopolitischen Verhältnisse der 1970er und -80er Jahre der Schweiz betreffen. Dass die Erzählerin die gesellschaftliche Enge mit ihrer Entdeckung von Kultur und Literatur kontrastiert und als Befreiung inszeniert, ist ein Topos schweizerischer Literatur. Vgl. Spoerri, Bettina: Herzvirus. Roman. Wien 2016. ↩
- Hartmann, Lukas: Auf beiden Seiten. Roman. Zürich 2015. ↩
- Vgl. Grobéty, Anne-Lise: La Corde de mi. Orbe 2006. ↩
- Die Suche des Halbwaisen Wilbur Sandberg nach dem verschollenen Vater ist ebenfalls ein Kernthema in Rolf Lapperts Nach Hause Schwimmen (Hanser, 2008); vgl. Lappert, Rolf: Nach Hause Schwimmen. Roman. München 2008. ↩
- Vgl. Schweikert, Ruth: Augen zu. Roman. Zürich 1998., ↩
- Vgl. Schweikert, Ruth: Wie wir älter werden. Roman. Frankfurt a.M. 2015. ↩
- Vgl. auch die eingestreuten Ingeborg Bachmann- und Max Frisch-Zitate zum Thema ‚Selbstverwirklichung gegen Fremdbestimmung‘, Schweikert, wie Anm. 99. ↩
- Vgl. Musio, Giuliano: Scheinwerfen. Roman. Wien 2015. ↩
- Vgl. Läubli, Martina: Unheimliche Erinnerung. Rezension. In: Neue Zürcher Zeitung vom 20.08.2015. ↩
- Musio, Giuliano: Scheinwerfen. Roman. Wien 2015, S. 123f. ↩
- Vgl. Wyss, Hedi: Bubikopf und Putzturban. Ein Leben im zwanzigsten Jahrhundert. Bern, Wettingen 2003. Zum Werk von Hedi Wyss vgl. Kondrič Horvat, Vesna: »Zweifeln, in Frage stellen, eine Geschichte neu interpretieren«. Das Literarische im Journalismus von Hedi Wyss. In: Leuenberger, Stefanie , Müller, Dominik, Jäger-Trees, Corinna und Müller, Ralph (Hrsg.): Literatur in der Zeitung. Fallstudien aus der deutschsprachigen Schweiz von Jeremias Gotthelf bis Dieter Bachmann. Zürich 2016. ↩
- Vgl. Johansen, Hanna: Der Herbst, in dem ich Klavier spielen lernte. Tagebuch. Zürich 2014. ↩
- Vgl. Layaz, Michel: Les larmes de ma mère. Carouge-Genève 2003. ↩
- Vgl. Leutengger, Gertrud: Pomona. Roman. Frankfurt a.M. 2004. ↩
- Vgl. Poitry, Guy: Comme un autre. Geneve 2006. ↩
- Vgl. Merz, Klaus: Der Argentinier. Novelle. Innsbruck, Wien 2009. Übersetzt u.a. ins Italienische, Spanische, Englische, Tschechische sowie ins Französische bei den éditions d’en bas (2013). ↩
- Vgl. ebd., S. 30. ↩
- Vgl. ebd., S. 49. ↩
- Vgl. Bärfuss, Lukas: Koala. Roman. Göttingen 2014. ↩
- Schon in Bärfuss’ epischem Debüt, der Novelle Die toten Männer (Frankfurt a.M. 2002), spielten Familiengefüge, bzw. deren gewaltsame Zerrüttung, eine thematische Rolle. Das Motiv setzt sich in seiner hier nicht berücksichtigten dramatischen Arbeit fort, besonders im 2007 uraufgeführten Stück Die Probe (Der brave Simon Korach), das u.a. von Vaterschaftstests handelt. ↩
- Am Rande des hier behandelten Zeitraums liegt Erica Pedrettis Roman über die Reise Annas nach Tschechien und die damit verbundene Erinnerung der traumatischen Vertreibung am Ende des Zweiten Weltkriegs in Pedretti, Erica: Engste Heimat. Frankfurt a.M. 1995. ↩
- Vgl. zudem Johansen, Hanna: Lena. Roman. München 2002; Pedretti, Erica: Kuckuckskind oder Was ich ihr unbedingt noch sagen wollte. Frankfurt a.M. 1998. ↩
- Ein interessanter Fall ist zum Beispiel Catalin Dorian Florescus Jacob beschließt zu lieben (Beck 2011), der die tiefgreifende Umwandlung des Lebens einer Familie von Donauschwaben in Rumänien zwischen den 1920er Jahren bis zur Deportierung ins Niemandsland durch die kommunistischen Machthaber darstellt und in Rückblicken die Einwanderung der lothringischen Familie Aubertin/Obertin ins Banat berichtet. ↩
- Vgl. Jecker Lambreva, Evelina: Vaters Land. Roman. Wien 2014. ↩
- Vgl. Nadj Abonji, Melinda: Tauben fliegen auf. Roman. Salzburg, Wien 2010. ↩
- Vgl. Kureyshi, Meral: Elefanten im Garten. Roman. Zürich 2015. ↩
- Lobe, Max: 39, rue de Berne. Carouge 2013. Der Text wurde kürzlich mit dem Preis „roman des romands“ ausgezeichnet. ↩
- Dies gilt, wenn auch eher am Rande des hier beachteten Zeitraums und mit einer grossen Nähe zwischen erzähltem und erzählendem Ich, für Jenny, Zoë: Das Blütenstaubzimmer. Roman. Frankfurt a.M. 1997. Eine eher an biografischen Erzählformen angelehnte, das Rekonstruktionsparadigma vermeidende Variante bietet Lea Gottheils Sommervogel (Hamburg, Zürich 2009), der die Entwicklung einer in den 1940er Jahren geborenen Frau von früher Kindheit bis ins Alter und unter Betonung von familiären Konflikten nachzeichnet. ↩
- Blatter, Silvio: Eine unerledigte Geschichte. Roman. Frankfurt 2006 ↩
- Vgl. Amann, Jürg: Am Ufer des Flusses. Erzählung. Innsbruck 2001. ↩
- Vgl. Bachmann, Guido: lebenlänglich. Eine Jugend. Basel 1997. Zorn, wie Anm. 78. ↩
- Vgl. Keller, Christoph: Der beste Tänzer. Frankfurt a.M. 2003. ↩
- Vgl. Merz Klaus: Jakob schläft. Eigentlich ein Roman. Innsbruck 1997. ↩
- Vgl. Pender, Malcom: Raumgestaltung in vier Kindheitsdarstellungen der jüngeren deutschsprachigen Literatur der Schweiz. In: Komorowski, Dariusz (Hrsg.): Jenseits von Frisch und Dürrenmatt. Raumgestaltung in der gegenwärtigen Deutschschweizer Literatur. Würzburg 2009, S. 131–143, hier S. 131f. ↩
- Vgl. Buti, Roland: Le milieu de l’horizon. Carouge 2013. ↩
- Pagnard, Rose-Marie: Le Conservatoire d’amour. Monaco 2008. ↩
- Weitere Familienromane von Pagnard sind Pagnard, Rose-Marie: Dans la forêt la mort s’amuse. Arles 1999. dies.: La Leçon de Judith. Vevey 1993. ↩
- Noch stärker ausgeprägt ist die anekdotische Struktur in Halter, Ernst: Die Stimme des Atems. Wörterbuch einer Kindheit. Zürich 2003 (Lektoriert von Halters Ehefrau Erika Burkart). ↩
- In diesem besonderen sprachlichen Zusammenhang kann man auch den in einer Hybridsprache aus Hochdeutsch mit Dialektversatzstücken verfassten Roman Vrenelis Gärtli von Tim Krohn (Eichborn, 2007) erwähnen. Im Gegensatz zu Quatemberkinder vom selben Autor, spielt in diesem Roman der Vater von Vreneli eine fortgesetzte Rolle, insgesamt tritt aber die Rolle der Familie deutlich zurück hinter das Wirken und Zaubern von dämonischen Kräften; vgl. Krohn, Tim: Vrenelis Gärtli. Roman. Berlin 2007. ↩
- Vgl. Florescu, Catalin Dorian: Wunderzeit. Roman. Zürich, München 2001. ↩
- Vgl. Kristof, Agota: Le grand cahier. Paris 1986; dies.: La preuve. Paris 1988; dies.: Le troisième mensonge. Paris 1991. ↩
- Vgl. Veteranyi, Aglaja: Warum das Kind in der Polenta kocht. Roman. München 1999. ↩
- Vgl. Brežná, Irena: Die beste aller Welten. Roman. Berlin 2008. ↩
- Zum Beispiel: Junge Mütter mit belasteter Beziehung zur Tochter, vgl. Brun, Marianne: L’accident. Lausanne 2014. Die Schwierigkeiten einer Familie im Umfeld eines behinderten Kinds werden u.a. thematisiert in Couchepin, Nicolas: Les Mensch. Paris 2013. Die Konfrontation eines gesellschaftlichen Outsiders mit der Vergangenheit, in der er seine Familie verlassen hat, steht im Zentrum von Fricker, Ursula: Das letzte Bild. Roman. Zürich 2009. Ebenfalls zu erwähnen ist ein alleinerziehender Vater, der sich von seinem behinderten Kind trennen möchte in Rothmaier, Beate: Atmen bis die Flut kommt. Roman. München 2013; ein adoptiertes Kind, das sich in neue Familien einfinden muss bei Cantieni, Monica: Grünschnabel. Roman. Frankfurt a.M. 2011. Die missglückende, traumatische Integration der Kinder von Fahrenden im berüchtigten Programm ‚Kinder der Landstrasse‘ ist ein wiederkehrendes Thema von Mariella Mehr, vgl. z.B. Mehr, Mariella: Daskind. Roman. Zürich 1995. ↩
- Vgl. Capus, Alex: Léon und Louise. Roman. München 2011. ↩
- Dennoch wird interessanterweise in Generationenromanen selten so auffällig auf gemeinsame (vermutlich genetisch bedingte) Familienzüge hingewiesen wie in diesem Roman. Vgl. Capus, wie Anm. 138. S. 10: „Wir Le Galls sind großgewachsene, schwerblütige Leute normannischer Herkunft, die sich mit langen, bedächtigen Schritten fortbewegen, und vor allem sind wie eine Familie von Männern. Natürlich gibt es auch Frauen – die Frauen, die wir geheiratet haben –, aber wenn ein Kind zur Welt kommt, ist es meistens ein Junge. Ich selbst habe vier Söhne, aber keine Tochter; mein Vater hat drei Söhne und eine Tochter, und dessen Vater – der verstorbene Léon Le Gall, […] – hatte ebenfalls vier Jungen und ein Mädchen gezeugt. Wir haben starke Hände, breite Stirnen und breite Schultern, tragen keinerlei Schmuck außer Armbanduhr und Ehering und haben einen Hang zu einfacher Kleidung ohne Rüschen und Kokarden; […]“. ↩
- Vgl. Gioulami, Dagny: Alle Geschichten, die ich kenne. Roman. Frankfurt a.M. 2015. ↩
- Vgl. Koch, Erwin: Nur Gutes. München 2008. ↩
- Vgl. Yeşilöz, Yusuf: Hochzeitsflug. Roman. Zürich 2011. ↩
- Vgl. Semadeni, Leta: Tamangur. Zürich 2015. ↩
- Vgl. Elmiger, Dorothee: Einladung an die Waghalsigen. Roman. Köln 2010. Zur Literaturkritik vgl. Reinacher, Pia: Trümmerland ist abgebrannt. Dorothee Elmiger: Einladung an die Waghalsigen. In: Frankfurter Allgemeiner Zeitung vom 9.7.2010. ↩
- Vgl. Geiser, Christoph: Schöne Bescherung. Kein Familienroman. Zürich 2013. ↩
- Dies betrifft auch institutionelle Aspekte wie das Auftreten neuer Verlage für deutschsprachige Literatur im Segment nach dem Rückzug des Ammann Verlags 2010, insbesondere die starke Position von österreichischen Verlagen fällt auf. ↩
- Vgl. Viart, wie Anm. 36. ↩
- Hier sollte auf die biografisch inspirierten Romanwerke von Urs Widmer, wie Anm. 67–71, oder Thomas Hürlimann, wie Anm. 74–77, verwiesen werden. Peter Weber: Der Wettermacher. Roman. Frankfurt a.M. 1993, repräsentiert (am Rande des betrachteten Zeitraums) ein frühes Beispiel für dies spielerische imaginative Variante. ↩
- Zum Beispiel das Verschwinden des als Rabbiner nach Deutschland ausgewanderten Ruben Kamionker in Lewinksky, wie Anm. 52. In Hallers Trilogie der Erinnerung wird über die eng befreundete Familie Schachter der Bezug zur Judenverfolgung in Rumänien angesprochen; vgl. Haller, Christian: Die verschluckte Musik. München 2001. ↩
- Vgl. insbesondere Z’Graggen, wie Anm. 29. ↩
- Wenige Romane reichen in dieser Hinsicht an Walter Zeit des Fasans heran, vgl. Walter, Otto F.: Zeit des Fasans. Roman. Reinbek 1988. Die Thematik wird aufgegriffen in Schweikert, wie Anm.99; Gottheil, wie Anm. 121, ebenso der Frontist Tasso Birri in Hürlimann, wie Anm. 76. ↩
- In Urs Widmers Romanen, wie Anm. 67–71, finden sich wiederholt Bezüge auf das Bedrohungsgefühl während des Zweiten Weltkriegs und die Wahrnehmung der katastrophalen Kriegsereignisse von der Schweizer Grenze aus. In Klaus Merz’ Der Argentinier (wie Anm. 109) wird der Holocaust nur angedeutet, um die Selbst-Flucht und Heimkehr des Grossvaters poetisch mit Bedeutung aufzuladen. ↩
- Vgl. Z’Graggen, wie Anm. 92; Pedretti, wie Anm. 114, Nadj Abonji, wie Anm. 118. ↩
- Z.B. Irena Brežná, die noch während des Prager Frühlings mit ihren Eltern auswandern musste, sowie Jecker Lambreva, wie Anm. 117; Kureyshi, wie Anm. 119; Nadj Abonji, wie Anm. 118. ↩
- Weiter zu erwähnen wären Lobe, wie Anm. 120, geboren in Douala (Kamerun); Yeşilöz, wie Anm. 142, kurdischer Herkunft aus der Türkei. ↩
- Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass derzeit die Zahl der Flüchtlinge weltweit so hoch ist, wie sie es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr war (vgl. UNHCR, http://www.unhcr.ch/home/artikel/da2edec2242a1105eb354674c1af8e79/ueber-50-millionen-weltweit-auf-der-flucht-1.html) (3.9.2015). ↩
- Vgl. Lewinksky, wie Anm. 52, vgl. Hürlimann, wie Anm. 74–77,vgl. Spoerri, wie Anm. 93. ↩
- Vgl. Buti, wie Anm. 128; Widmer, wie Anm. 69; Faes, wie Ann. 85. ↩
- Man beachte etwa das fast schon genretypische Auftauchen von unbekannten Halbgeschwistern in Nadj Abonji, wie Anm. 118; Schweikert, wie Anm. 99; Merz, wie Anm. 109; Musio, wie Anm. 101. ↩
- Vgl. z.B. Schnetzler, wie Anm. 50; Reichen wie Anm. 53; Schweikert, wie Anm. 99; Bärfuss, wie Anm. 112. ↩
- Vgl. z.B. Buti, wie Anm. 118; Lobe, wie Anm. 120; Amann, wie Anm. 123; Bachmann, wie Anm. 124. ↩