Vom Kollektivbild des Fremden zum Eigenen. Die Verwandlung der Migrant/innen im Schweizer Film

Ausgabe 1 /2017

Bettina Spoerri; Zürich

Die fokussierte Darstellung von Gastarbeiter/innen, Migrant/innen, Zuwanderer/innen oder Flüchtlingen in Schweizer Spiel- und Dokumentarfilmen setzte mit Siamo italiani in den 1960er Jahren ein. Der Dokumentarfilm führte der Schweizer Bevölkerung erstmals auf deutliche, kritische Weise ihre ausgrenzende Haltung vor Augen. Während hier die ‚Fremden‘ aber noch mehrheitlich als Kollektiv einem ‚Wir‘ der Einheimischen gegenüberstehen, werden diese Abgrenzungen in den Folgejahren immer mehr aufgeweicht und hybridisiert. Im Schweizer Filmschaffen wird das Verhalten der Schweiz gegenüber Fremden zuerst von bekannten Regisseuren wie Markus Imhoof, Rolf Lyssy oder Xavier Koller zunehmend problematisiert und ironisiert, die Perspektiven fächern sich auf, Migrant/innen als Film-Protagonisten werden zu Sympathieträgern und Identifikationsfiguren, sie erhalten ihre eigenen Stimmen, individuelle Gesichter und Biografien. Das Asylheim als Durchgangsstation und ähnliche prekäre Orte werden zu Schauplätzen vieler Dokumentar- und Spielfilme. In den 1990er Jahren verschieben sich die Narrative, indem immer mehr Migrant/innen und ‚Secondos‘ (Kinder von Eingewanderten) – wie Samir, Yusuf Yeșilöz, Fernard Melgar, sodann Andrea Štaka oder Mano Khalil – ihre Geschichten selbst filmisch gestalten, ihr kulturelles Dazwischenstehen an einem ‚dritten Ort‘ (Bhabha) thematisieren. Die Filme werden zum familiären Erinnerungsmedium, zum Verhandlungsraum möglicher Identitäten und manchmal auch zu einem utopischen oder distopischen Entwurf, in dem sich die Realitäten verkehren, um die Gefahren der herrschenden politischen Verhältnisse herauszustellen. 

Schlüsselwörter:
Schweizer Film, Migration, Identität, dritter Raum

From the collective image of the stranger to the own. The Transformation of Immigrants in Swiss Film
In Swiss cinema, foreigners – as migrants, foreign workers, immigrants, refugees – become visible with the documentary Siamo italiani in the 1960ies. The film, in his time quite provocative, criticized the marginalization and excluding demeanour of Switzerland and its inhabitants towards ‘strangers’. Nevertheless, the film visualized ‘them’ mostly as collective and homogeneous group opposite a Swiss ‘we’. But this kind of distinct demarcation began to crumble with the growth of more critical and hybrid forms of narrations. In the 1970ies and early 1980ies, well-known Swiss film authors as Markus Imhoof, Xavier Koller, and Rolf Lyssy subverted the history version of the official Switzerland to put their spotlights on crucial moments and the behavior of Swiss people during the Second World War, towards refugees in the present or the Kafkaesque or even ridiculous naturalization process that immigrants had to pass in order to get Swiss citizenship. The perspectives in Swiss cinema on ‘the foreigners’ begin to multiply, migrants as protagonists become popular and identification figures, they get individual features and biographies. The asylum house as a fragile home and transit station begins to play an important role as film location and scene setting. In the 1990ies, the narratives change distinctly when immigrants and secondos (children of immigrants) – Samir, Yusuf Yeșilöz, Fernard Melgar, later also Andrea Štaka, and Mano Khalil – make their own movies to tell their stories, their point of view, to discuss their position in-between, in a ‘third space’ (Bhabha). Their films are media of family memories, a negotiation room of possible identities, and sometimes utopic or dystopic drafts where realities are reversed to expose the dangers of present political conditions.

Keywords:
Swiss film, migration, identity, third space

Im Herbst 2016 haben Schweizer/innen im Kino auf eindringliche Weise erfahren können, was es heisst, vor verschlossenen Grenzen zu stehen. Im neuen Spielfilm Heimatland wollen sie von überall her im Land in angrenzende Länder flüchten, weil sich eine düstere, höchst unheimliche Wolke über den Innerschweizer Alpen zusammengebraut hat und die Schweiz mit zerstörerischen Unwettern und gefährlich aufgeladenen Energiefeldern heimsucht – doch die da ins rundum einschliessende Nachbarterritorium der EU gelangen möchten, sind dieser zu viel; die EU verschliesst die Grenzen für Schweizer/innen, einzig „Ausländer/innen“, Personen mit ausländischen Pässen, dürfen ausreisen. In Heimatland, einem sogenannten Omnibus-Film, in dem sich aber nicht, wie sonst meist üblich, die einzelnen Regiearbeiten sukzessiv und in jeweils abgeschlossener Form folgen, sondern eine Gesamtdramaturgie erarbeitet wurde, so dass sich die einzelnen Teil-Episoden der verschiedenen Regiearbeiten ineinander verweben, zeigen zehn junge Schweizer Regisseur/innen 1 anhand einer deutlichen Metapher auf, was sie an der Abschottungsmentalität ihres Landes beunruhigt – eine ablehnende Haltung gegenüber Fremden, die sich mit der Ankunft der Flüchtlinge aus der Krisenregion rund um und in Syrien in den letzten Wochen und Monaten noch einmal merklich verstärkt hat. Es ist die zwar überdeutliche und satirische, aber eindringliche Umkehrung der Verhältnisse, mit denen sie ihren Landsleuten die Augen öffnen und ihnen die Implikationen und Folgen der Abschottung vorführen möchten. Zugleich ist es im kollektiven Gestus eine Selbstkritik der jungen Generation – die zehn Filmautor/innen sind alle um/ab 1980 geboren – an und in der Schweiz.

Die Pointe ist dabei, dass sich die Wolke in der Zentralschweiz zu bilden beginnt, dunkle Nebelschwaden entweichen den Bergen und verdichten sich in der Luft zu jenem bedrohlichen Phänomen, das sich zum einen zur Naturkatastrophe entwickelt, zum anderen aber auch fatale Spannungen auf zwischenmenschlicher Ebene hervorruft. Intoleranz, Egoismus, Profitgier, Gefühllosigkeit und Xenophobie, bis dahin subkutan wirksam und gerade noch in Schach gehalten, brechen sich Bahn; die einen beginnen Fremde mit Waffen zu jagen, andere stürzen sich in ein gnadenloses Carpe diem, morden ihre letzten Visionen. Die Schweiz wird zu einem apokalyptischen Land, dessen äussere Versehrtheit die innere widerspiegelt, und, so die symbolische Botschaft des Filmerkollektivs, daran ist nicht unwesentlich die Beschwörung einer ‚ureigentlichen‘, ursprünglichen, von fremden Einflüssen noch freien Schweiz schuld.

Diese Anspielung ist auch als implizite Kritik an manchen Film-Kolleg/innen zu verstehen, denn die Mythologisierung einer (Ur-)Schweiz, die wirtschaftstauglich gerne zugleich als moderne (Retro-)Swissness verkauft wird, hält seit einigen Jahren in auffälliger Weise Einzug in die Schweizer Filmproduktion. Diese Entwicklung ist zwar nicht grundsätzlich neu, insofern ja insbesondere das Schweizer Alpenmassiv in Schweizer Filmen – wie auch u.a. in deutschen Filmen die Berge – immer wieder als Projektionsfläche für Mythenbildungen und nationale Heldenerzählungen instrumentalisiert wurde 2, insbesondere in der Zeit der Geistigen Landesverteidigung. Doch wenige Jahre nach der Jahrtausendwende, also vor rund zehn Jahren, entstanden in der Schweiz, zeitgleich mit Glokalisierungs-Phänomenen, also der Rückbesinnung auf Sinnstiftungen und Kulturen auf nationaler und lokaler Ebene in weiten Teilen Europas, mehr Dokumentarfilme über Schweizer Bräuche, verschwindende Lebenswelten und Traditionen. Zuerst waren in ihnen durchaus noch eigenwillige Herangehensweisen und langjähriges thematisches Interesse sicht- und spürbar (so zum Beispiel die Filme Hirtenreise ins dritte Jahrtausend (2002) oder Das Erbe der Bergler (2006) von Erich Langjahr, Das Alphorn (2003) und Heimatklänge (2007) von Stefan Schwietert oder Bödälä (2010) von Gitta Gsell), aber je länger, je mehr werden solche Swissness mit Vorliebe von vielen Regisseuren und Filmproduktionsfirmen bearbeitet: die letzten ‚echten‘ Berg-Sennen, die letzten Weisen, die noch das Wetter riechen, vermeintliche Urgesänge – Bilderwelten und Geschichten, welche die Sehnsucht nach einer unverfälschten, ursprünglichen Schweiz nähren. Oder sie erst konstruieren und erzeugen. Erstaunlich ist zu beobachten, welche Verwandlungen dabei manche Regisseure durchlaufen, ob aus ökonomischem Kalkül (das man den notorisch im Prekariat lebenden Filmautor/innen nicht einmal verübeln kann) oder aus der Neigung zur Wahl eines eher von (Publikums-) Erfolg gekrönten Weges, sei dahin gestellt; künstlerisch innovativ und gewagt ist jedenfalls bisher keine dieser filmischen Konfektions-Produktionen ausgefallen. Die neuesten Beispiele solcher (Spiel-)Filme, die aus den grossen Produktionsküchen stammen, sind u.a. Schellen-Ursli (Regie: Xavier Koller, 2015) und Heidi (Regie: Alain Gsponer, 2015); sie beruhen auf den literarischen Vorlagen der gleichnamigen Schweizer Kinderbuch-Klassiker, lassen eine unberührte, traditionsreiche (ländliche) Schweiz wieder aufleben und bedienen dabei viele Klischees.

Diese Swissness, die derzeit in dieser Form einen Teil des Schweizer Filmschaffens prägt, das gerne an nostalgische Gefühle und rückwärtsgewandte Träume appelliert, bringt in die Kinos einen Kassenschlager nach dem anderen. Gleichzeitig steht sie in einem grossen Spannungsverhältnis zu den Filmen, welche die politische Entwicklungen in der Schweiz und insbesondere ihren Umgang mit Fremden, mit Einwanderern und/oder Flüchtlingen kritisch beleuchten. Wo dies in Heimatland durch eine provokative Umkehrung der Verhältnisse, einen fiktional inszenierten Perspektivenwechsel vorgeführt wird, waren es vor fünfzig Jahren mit dem Aufkommen des Autorenfilms in der Schweiz in einer neuen Generation 3, zu der u.a. Markus Imhoof, Alain Tanner, Alexander J. Seiler, bald auch Xavier Koller, Thomas Koerfer, Kurt Gloor, Daniel Schmid, Rolf Lyssy, Fredi M. Murer u.a.m. gehörten, zuerst die essayistisch zugespitzte Reportage, dann in Spielfilmen inszenierte Flüchtlingsdramen, die aufrütteln wollten – und es auch taten – und zugleich künstlerisch auf einem Niveau angesiedelt waren, dass sie internationale Anerkennung erhielten.

Im Folgenden möchte ich die Veränderungen dieser in Bezug auf die offizielle Schweizer Politik und Haltung gegenüber Fremden – Gastarbeiter/innen, Flüchtlinge, Einwanderer/innen – im Schweizer Filmschaffen gespiegelten Wahrnehmungs- und Darstellungsmuster anhand einer Auswahl der wichtigsten (Spiel- und Dokumentar-)Filme, die aufgrund ihrer ästhetischen Ansprüche für das Kino produziert wurden,4 vorstellen und analysieren (‚wichtig‘ in Bezug auf einen künstlerischen Anspruch wie auch in Bezug auf das Echo innerhalb und ausserhalb der Schweiz). Es wird sich zeigen, dass, vergleichbar mit den in Bezug auf die jüngere Schweizer Literaturgeschichte zu beobachtenden Begriffskategorien, zuerst eine Aussensicht auf das bzw. die Fremde(n) noch dominiert, bevor das Fremde/der Fremde differenzierter betrachtet wird und auf diese Weise Facetten entwickelt, welche die (vermeintlich) sichere Identität des ‚Eigenen‘ in zunehmend vielfältiger Weise hinterfragen und auffächern.5 Es sind die in den Filmen erzählten Geschichten und aufgegriffenen Themen im Kontext ihrer Zeit, zudem, meist ebenso wichtig, die künstlerischen Verfahren, die über die Blickwinkel, die Haltung und die Aussagen der Filme entscheiden. Die ersten entsprechenden Perspektivwechsel machen sich in den 1980er Jahren deutlich bemerkbar, und wie in der Schweizer Literatur waren in den 1990er Jahren die ersten Stimmen, die ersten künstlerischen Statements von Secondos und Secondas – so nennt man in der Schweiz die Kinder von Zugewanderten, die zweite Einwanderergeneration – zu vernehmen, die ihre Lebenssituation auch in ihrer filmischen Arbeit thematisierten und in einer geeigneten Form zu reflektieren suchten. Doch bis zu einer auch spielerischen und weiter ausdifferenzierten Beschäftigung mit dem ‚Fremden‘ dauerte es noch bis über das Jahr 2000.

„Man hat Arbeitskräfte gerufen, und es kommen Menschen.“ Der berühmte, aber insbesondere in Bezug auf die Kombination der beiden Zeitformen oft fehlerhaft zitierte Satz von Max Frisch entstand in Zusammenhang mit Alexander J. Seilers Dokumentarfilm Siamo italiani (1964), den dieser gemeinsam mit June Kovacs und Rob Gnant erarbeitete. Max Frisch schrieb das Vorwort zur Begleitpublikation mit dem Titel Siamo italiani – Die Italiener. Gespräche mit italienischen Arbeitern in der Schweiz, wo der Satz in vollständiger Form lautete: „Ein kleines Herrenvolk sieht sich in Gefahr: man hat Arbeitskräfte gerufen, und es kommen Menschen.“6 Der in Schwarz-Weiss gehaltene, visuell sehr expressive Filmessay, der in der Grundtendenz den ablehnenden, misstrauischen Blick der Schweizer/innen auf die ‚Fremden‘ reproduziert und dadurch im Endeffekt diese Haltung exponiert und, im Verbund mit dem Film-Text, entlarvt, dokumentiert zum einen den Umgang von Schweizer Behörden mit den italienischen Gastarbeitern (beispielsweise die administrative und medizinische Prozedur, der sie sich beim Grenzbahnhof Chiasso unterziehen müssen oder die Befragungen betreffend Nachzug der Familie – der nur unter strengen Auflagen möglich war), zum anderen die prekären Lebensverhältnisse, unter denen sie in der Schweiz leben (u.a. baufällige, enge – aber teure – Gemeinschaftswohnungen ohne genügende Kochmöglichkeiten und Sanitäranlagen).

Der kommentierende Film-Text macht dabei die Haltung der Regie mit Hilfe auch ironischer Signale deutlich, etwa wenn ausgesagt wird, dass „ein kleines Volk von betonter Eigenart“ die Arbeiter aus der Fremde als „Fremdkörper“ empfinde. Weiter heisst es etwa auch anklagend-kritisch: „Sie leben hinter der Schranke einer fremden Sprache, als ‚Problem‘ werden sie diskutiert, als Menschen bleiben sie Unbekannte.“7 Und schliesslich sammelte die Regie Stimmen ‚von der Strasse‘ und gab sie anonymisiert wieder, indem sie ohne Bild auf der Tonspur des Films einmontiert werden, zu den Filmaufnahmen einzelner oder sich in Gruppen formierenden Italiener auf Plätzen und Gehsteigen: „Das Laute ertragen wir einfach nicht“, sagt jemand, eine andere Stimme meint zum Beispiel genervt: „Acht Schweizer bringen keinen solchen Lärm zustande wie zwei Italiener.“8 Die Ressentiments kommen hier ungebremst zur Sprache; sie, heisst es, wollten alles, die Einwanderer: hohe Löhne, die Schweizer Frauen, auf der Strasse wichen sie nicht aus, und moniert wird auch ihr Kehricht, die mangelnde Sauberkeit. Diesen Aussagen gegenüber stellen die Filmautoren die schlechte Behandlung und die Ausnutzung der Zugewanderten durch die Einheimischen. Siamo italiani rief in der Schweiz starke Reaktionen hervor, weil die Schweizer Bevölkerung durch ihn die Gastarbeiter erstmals ganz als Menschen vorgestellt bekam; der Film rüttelte auf und bewirkte, dass sich in der Folge u.a. kirchliche Kreise und Gewerkschafter für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen der italienischen Migrant/innen einsetzten. Doch auch wenn Haltung und Aussage der Filmregie durch die Art der Montage unmissverständlich zu Tage tritt, so ist zu beobachten – und dies zeigt sich umso deutlicher im Vergleich mit jüngeren Filmen zu diesem Themenkreis, nicht zuletzt in Seilers eigenem Dokumentarfilm Il vento di settembre / Septemberwind (2002), der als Fortsetzung bzw. Wiederaufnahme des Themas von Siamo italiani entstand –, dass die Darstellung der ‚Fremden‘ im Film diesen selten ein individuell zugängliches Gesicht mit einer persönlichen Geschichte verleiht; insbesondere aus heutiger Sicht unterscheidet sich diese Art der Darstellung deutlich von gegenwärtigen Herangehensweisen. In dem Film treten die Gastarbeiter nur selten als einzelne Gesichter auf; fast durchwegs sind sie tendenziell austauschbare, weil im Kollektiv einer Gruppe (Arbeiter auf dem Nachhauseweg von der Fabrik, Italiener beim Feiern, junge Männer im Verbund auf der Strasse, als Antragsteller bei der Fremdenpolizei, u.ä.m.) oder in einer grösseren Familie sich bewegende Figuren, es werden keine Einzelschicksale erzählt. Zwischen ihnen und den Schweizer/innen gibt es im Film zudem kaum Kontakt, geschweige denn ist ein Austausch auf privater, persönlicher Ebene zu erleben; es gibt ‚sie‘ und es gibt ‚wir‘: zwei voneinander getrennte sprachliche, kulturelle und soziale Entitäten – in den Ämtern diesseits und jenseits der Schranken des Büro-Schalters: hier die strengen Schweizer Beamten, dort die radebrechenden Bittsteller. Die erwähnte Zuspitzung und Ironisierung vermag diese konsequente Distanz – oder vielmehr: Distanznahme –, die so auch eine der Filmautoren ist, nur teilweise als bewusstes künstlerisches Verfahren zu erklären: Dass kein/e Italiener/in im Film zu einer/m wirklichen Gesprächspartner/in, also auf Augenhöhe, wird, ist eine Tatsache, über die das eindeutige kritische politische Engagement der Regie nicht ganz hinwegsehen lässt. Dennoch ist Siamo italiani für die Zeit seiner Entstehung in diesem Punkt, was die Recherchearbeit der Filmautoren anbelangt, einzigartig – denn sie gingen durchaus auf die Italiener zu: „Wir kamen nicht als Soziologen oder Fürsorger“, schreibt Alexander J. Seiler in jener bereits erwähnten Begleitpublikation, „sondern als Fragende ohne Einschränkung, und ohne Ausnahme scheinen wir für unsere Gesprächspartner die ersten Schweizer zu sein, die sich nicht bloss für bestimmte Aspekte ihres Lebens, sondern für sie selber und alles interessierten, was sie zu sagen hatten.“9

Auf den ersten Blick sichtbar anders verhält es sich aber in dem Dokumentarfilm Il vento di settembre / Septemberwind, wenn Alexander J. Seiler nach Süditalien, namentlich nach Lecce in Apulien fährt, um einige der gefilmten Menschen aus Siamo italiani zu besuchen und sich von ihnen nun ausführlich ihre Geschichte und ihre Sicht der Dinge erzählen zu lassen. Hier erhalten sie jene Individualität, die ihnen Siamo italiani noch nicht wirklich zugesteht; und jetzt wird auch in erster Linie nicht mehr über sie verhandelt und diskutiert, man spricht nicht mehr für sie, sondern sie sprechen (nur) selbst, erzählen von dem Wohlstand, den sie letztlich im Gastland erlangen konnten, was ihnen ermöglichte, zurück in Italien ein eigenes Haus zu bauen – und sie sprechen auch über die prägenden negativen Erfahrungen (u.a. häufige Beleidigungen und die tägliche Ausbeutung als billige Arbeitskräfte), mit denen sie als Gastarbeiter/innen in der Schweiz konfrontiert waren.

Die Zuwanderung in den 1960er Jahren brachte der Schweiz einen Wirtschaftsaufschwung – aber die Xenophobie der Bevölkerung gegen Einwanderer wuchs. Diese Stimmung machte auch die bekannte (erste) Schwarzenbach-Initiative im Jahre 1970 möglich, welche die „Überfremdung“ einzudämmen wollte, mit einer Obergrenze von 10 Prozent Ausländeranteil pro Kanton (mit Ausnahme Genf: 25%).10 Und es wird in der Schweiz von da an weitere ‚Überfremdungsinitiativen‘ geben, nachdem diese erste von 54 Prozent der an dieser Wahl beteiligten Stimmbürger/innen abgelehnt wurde: Bis Ende der 1980er Jahre sind es nicht weniger als drei solche Initiativen, bevor die Schweizerische Volkspartei (SVP) sich das Thema auf der politischen Bühne immer mehr zu eigen macht und nicht zuletzt mit diesem Punkt in der Agenda zunehmend an Zuläufern, an Einfluss und Macht gewinnt. Die jüngsten Abstimmungen, welche man als Gradmesser für die seither stark angewachsene Fremdenfeindlichkeit im Land lesen kann – während heute fast jeder vierte in der Schweiz einen ausländischen Pass besitzt –, sind die (angenommene) sogenannte ‚Minarett-Initiative‘ (2009) und die (ebenfalls angenommene) ‚Zuwanderungsinitiative‘ (2014), die Anfang Dezember 2015 zum Vorschlag des Bundesrats hinsichtlich einer ‚Schutzklausel‘-Lösung und einer entsprechenden politischen Diskussion geführt hat, deren Ausgang zum gegenwärtigen Zeitpunkt und weitere Wirkung auf die entsprechende Politik der Schweiz und der EU noch nicht abzusehen ist.11

Im Schweizer Filmschaffen wurden diese gesellschaftspolitischen Veränderungen sowohl auf komödiantische Weise – jedoch mit sehr ernstem Unterton und deswegen alles andere als leichtgewichtig – wie auch in der Form des ernsten Dramas gespiegelt. Die Schweizermacher (1978) von Rolf Lyssy12, bis heute der erfolgreichste Schweizer Spielfilm mit bald einer Million Kinoeintritten13, macht die zwei Schweizer Bürokraten lächerlich, die mit Pingeligkeit und Akribie einbürgerungswilligen Ausländer/innen auf den Zahn fühlen – und die ganze Nation lachte mit, offensichtlich tatsächlich auch über sich. Nicht unwesentlich ist der Faktor, dass mit Emil Steinberger in der Rolle des Beamten Moritz Fischer ein bekannter Schweizer Komiker mitspielte, der die Sympathien auf seine Seite zog, während Walo Lüönd, ebenfalls ein bekannter Theater- und Film-Schauspieler im Land, auf seine Weise den grummelnden, unnachgiebigen Prüfer gab. Doch der Film seziert dennoch auf durchaus provokative Weise durch Drehbuch und Regie die enge Sicht der Schweizer Beamten – und mit ihnen auch diejenige eines kleinkarierten, Fremden ablehnend gegenüberstehenden Schweizer Bürgertums. Wenn Max Bodmer (gespielt von Lüönd) die seiner Meinung nach falsche Farbe der Kehrichtsäcke vor dem Haus der italienischen Familie oder die zu häufigen (vermeintlichen) Herrenbesuche bei der jungen Tänzerin Milena Vakulic moniert, wenn er pedantisch auf unwesentliche Details pocht, während er sich von Einschmeicheleien und vorgespieltem Schweiz-Patriotismus beeindrucken lässt, wird er als Prüfinstanz immer fragwürdiger, derweil sich sein junger, weichherziger, viel sympathischer Kollege Fischer in die Tänzerin verliebt. Der Film kam (und kommt) wahrscheinlich so gut bei der Schweizer Bevölkerung an, weil er eine gekonnte Mischung von Komödie und politischem Film ist, eine vordergründig leichtfüssige, humorvolle Erzählung über Spiessbürgertum, Engstirnigkeit und Bodenständigkeit, über die Stolpersteine von Überanpassung und die Gefahr der Verleugnung der eigenen Herkunft auch, aber immer mit einem ironischen Augenzwinkern. Dass gerade Rolf Lyssy das Thema des Einbürgerungsprozesses in der Schweiz thematisiert, darf man wohl auch wenigstens teilweise seiner besonderen Sensibilität aufgrund seiner Herkunft zuschreiben. Geboren 1936 als Sohn einer jüdischen Familie, beschäftigte er sich auch mit historischen Stoffen, so mit dem Verhalten der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs in Konfrontation – Das Attentat von Davo (1974) anhand der Rekonstruktion des Attentats des jüdischen Medizinstudents David Frankfurter auf den NSDAP-Landesgruppenleiter Wilhelm Gustloff im Februar 1936; der Film zeigt nicht zuletzt die Nähe nicht weniger Schweizer Bevölkerungskreise zu den deutschen Nationalsozialisten auf, welche es überhaupt möglich machte, dass sich u.a. in Davos Ableger des Dritten Reiches bilden konnten.

Zwei Jahre nach Die Schweizermacher nahm erstmals auch ein Schweizer Regisseur das bis dahin weitgehend verschwiegene Verhalten sowohl der Schweizer Behörden wie der Schweizer Bevölkerung während des Zweiten Weltkriegs gegenüber den in die Schweiz fliehenden Menschen in einem Filmdrama auf. Basierend auf dem Buch des Publizisten Alfred A. Häsler, der anlässlich der Debatte über den ‚Judenstempel‘ und die Rolle der Schweiz im Krieg 1967 das Buch Das Boot ist voll mit Beispielen von Flüchtlingsschicksalen veröffentlicht hatte, handelte der gleichnamige Spielfilm von sechs Flüchtlingen, denen 1942 zwar das Überschreiten der Schweizer Grenzen gelingt, die aber aufgrund der Verschärfung der Aufnahmebedingungen teilweise wieder ausgewiesen werden; die jüdischen Flüchtlinge schickt man in den sicheren Tod. Das Boot ist voll (1980) von Markus Imhoof erzürnte mit seiner schonungslosen Kritik die bürgerliche Rechte14, derweil der Film auch von einem grossen Teil der Bevölkerung begrüsst wurde. International machte er Karriere, mit renommierten Anerkennungen der Filmwelt, allen voran mit einer Oscar-Nominierung in der Kategorie ‚Bester Fremdsprachiger Film‘ 1982, davor mit dem Silbernen Bären (bestes Drehbuch und beste Schauspielerführung) an der Berlinale 1981, zu Hause mit dem Filmpreis der Stadt Zürich, der Qualitätsprämie des EDI (Eidgenössisches Departement des Innern) und etlichen weiteren Preisen an Festivals.15 Und auf der Übersichtsstatistik der erfolgreichsten Schweizer Filme rangiert Das Boot ist voll auf Platz 21 mit bis heute 159‘530 Eintritten, was ein grosses Echo bezeugt – ein grösseres als die meisten heute produzierten Schweizer Filme erfahren.

Während Siamo italiani, Die Schweizermacher und Das Boot ist voll mit ihrem kritischen Impetus den Schweizer/innen einen Spiegel vorhalten und die Erzählperspektive auf die Migrant/innen oder Flüchtlinge noch weitgehend eine von aussen beobachtende und inszenierende ist, wechselt Reise der Hoffnung auf deutliche Weise die Position. Xavier Kollers Spielfilm vom 1990 differenziert das Kollektivbild endgültig auf Einzelschicksale hin, indem er die Handlung von Anfang an aus der Perspektive des alevitischen Bauern Haydar entrollt. Die erste Szenenfolge ist in der Türkei angesiedelt, wir sehen die grosse Armut der Familie mit sieben Kindern, die wachsende Hoffnung des Familienvaters auf eine bessere Zukunft anderswo – in der Schweiz, aus der ihm ein Bekannter eine Postkarte geschickt hat. Haydar verkauft gegen den Willen seiner Eltern die Tiere, um den Schleppern das Geld für die Reise bezahlen zu können. Ihn begleiten seine Frau Meryem und Mehmet Ali, einer der kleinen Söhne; sobald wie möglich sollen die anderen Kinder nachgeholt werden. Schnell wird klar, wie sehr die drei der Willkür der Schlepper ausgeliefert sind, dennoch sind sie mit etwas Glück bald an der Schweizer Grenze, wo sie aber abgewiesen werden. Im Bahnhof von Mailand werden sie von anderen Schleppern aufgegabelt, die ihnen einen heimlichen Zugang in die Schweiz versprechen. Doch der Schweizer Bergführer möchte angesichts des aufziehenden schlechten Wetters die Verantwortung nicht übernehmen, was dazu führt, dass ein Teil der Gruppe, darunter Haydar, Meryem und ihr Kind, ohne Hilfe selbst den Weg über den Splügenpass finden sollen. Der abenteuerliche, äusserst strapaziöse alpine Fussmarsch der hierfür alles andere als gerüsteten Migrant/innen endet in der Katastrophe: In der Angst vor Kontrollen der Schweizer Grenzposten verirren sich die Menschen in der unwirtlichen Schneelandschaft, versuchen sich in versprengten Kleingruppen oder allein durchzuschlagen, doch alle scheitern, werden früher oder später von der Grenzpolizei aufgegriffen und verhaftet. Mehmet Ali stirbt in der Eiseskälte an Unterkühlung und Erschöpfung.

Der Film erzählt diesen tragischen Verlauf einer Reise in grösste Hoffnungslosigkeit – der reale Fall des Kältetods eines Kindes aus der Türkei in den Schweizer Bergen im Winter 1988 bildete den Ausgangspunkt für die Filmidee – immer auf Augenhöhe und aus dem Blickwinkel der Migrierenden. Als Zuschauer/in erlebt man ihren Aufbruch mit, sie sind die zentralen Charaktere; man lernt ihre Charakter und Wünsche kennen, beginnt mit ihnen zu bangen und empört sich über die rücksichtslose Gewinnsucht der Schlepperbanden, hofft mit den Flüchtenden, dass sie den beschwerlichen illegalen Einreiseweg in die Schweiz schaffen könnten. Da sie als Protagonisten die Identifikationsfiguren sind, betrachtet man die Schweizer/innen und ihr Verhalten aus einer Aussenperspektive, beurteilt ihre Handlungen kritisch. Es gibt kein ‚Wir‘ und ‚Sie‘ mehr, die Positionswinkel sind wesentlich verändert, die Grenzziehungen in Frage gestellt. Das erschütternde Drama von Xavier Koller überzeugte, wie auch schon Imhoofs Film, die internationale Kinowelt, der Film erhielt 1991 den Oscar als Bester Fremdsprachiger Film, und dies gegen den als Favorit geltenden Beitrag Cyrano de Bergerac aus Frankreich.

Mit den 1990er Jahren machen sich auch weitreichendere Veränderungen in die Schweizer Filmtopografie bemerkbar. Zum einen nimmt die Zahl der Dokumentarfilme stetig zu, und es sind auch immer mehr Secondos, also Kinder von Einwanderer/innen, die sich nun in dieser Kunst zu Wort melden. Zum anderen behandeln sowohl Spiel- wie Dokumentarfilme von mittlerweile etablierten Filmautor/innen zunehmend das Thema Migration. Fernand Melgar, geboren 1961 in Tangier/Marokko mit spanischer Herkunft, porträtiert in Album de famille (1993) eine spanische Migrantenfamilie, während Samir (Künstlername für Samir Jamal Aldin), Jahrgang 1955, geboren in Bagdad/Irak, ab 1961 aufgewachsen in der Schweiz, ein Werk schafft, das einen nachhaltigen Effekt auf die Diskussion rund um die sogenannte zweite Generation haben wird. Sein Film Babylon 2 (1993) rückt eine urbane, transnationale oder vielmehr gar: kosmopolitische Jugend ins Bild, die sich mit und zwischen verschiedenen kulturellen Versatzstücken bewegt. Da ist die italienische Rapperin, die auf Englisch rappt, der türkische Eishockeyspieler, der sich in eine Italienerin verliebt hat, oder der Hip-Hopper, dessen Eltern aus Spanien stammen. Und der Regisseur bringt sich, wie oft in seinen späteren Dokumentarfilmen, selbst ein, indem er seine eigene Erlebnisse als Araber in der Schweiz reflektiert – aufgrund seines Aussehens wurde er nämlich oft fälschlicherweise mit einem Juden verwechselt.

Diese Bewegungslinie von (insbesondere) Dokumentarfilmen, deren Autor/innen ihre künstlerischen Motivationen vielfach aus eigener persönlicher oder auch familiärer Betroffenheit beziehen, setzt sich durch die 1990er Jahre und über das erste Jahrzehnt nach 2000 bis heute fort. Eine ganze Reihe von Filmen kann in diesem Zusammenhang genannt werden, die künstlerisch bemerkenswertesten und originellsten unter ihnen, die Resonanz im In- wie auch im Ausland fanden, sind u.a. Werke von Paolo Poloni, Francesca Cangemi/Daniel von Aarburg, Yusuf Yeșilöz, Andrea Štaka und wiederum Samir. Asmara (1993) von Paolo Poloni begibt sich auf die Spuren seines Vaters Aurelio Poloni, einem Norditaliener, der 1935 an der Eroberung Äthiopiens teilnahm und fünf Jahre in Asmara/Eritrea lebte, bevor er in den 1950er Jahren in die Schweiz kam. Sein gespaltenes Verhältnis zu seiner italienischen Herkunft, der Spannung zwischen Anziehung, Vertrautheit einerseits und Abstossung und Fremdheit andererseits, versucht der Filmautor Paolo Poloni auch in Viaggio a Misterbianco (2003) auszuloten, wenn er in einem Winter nach Italien reist, um seinem Gefühl für das Land des Vaters nachzuspüren. In Si pensava di restare poco (2003) von Francesca Cangemi, Italienerin zweiter Generation, und Daniel von Aarburg, werden Italiener interviewt, die in die Schweiz eingewandert sind und sich letztlich hier niedergelassen haben, obwohl sie immer dachten, wie würden am Ende in ihr Geburtsland zurückkehren. Was ursprünglich als Oral-History-Projekt vom Rätischen Museum in Chur im Kanton Graubünden angeregt worden war, entwickelte sich zu einem Dokumentarfilm von 72 Minuten, in der die Betroffenen anhand von Fotografien zurückblicken, von ihren Erfahrungen erzählen und sich darüber klar zu werden versuchen, warum sie in der Schweiz geblieben sind.

Fast denselben Titel trägt der Dokumentarfilm des kurdischen Schriftstellers und Regisseurs Yusuf Yeșilöz16; Eigentlich wollten wir zurückkehren (2012) war bereits seine dritte filmische Arbeit, nach Hungern gegen Wände (2003) und Zwischen den Welten (2006), und stets stehen im Zentrum Migrant/innen aus der Türkei in der Schweiz: War es zuerst ein kurdischer Flüchtling, ein Opfer grausamer Folterungen, der letzten Endes hier Zuflucht finden konnte, so fragte Yeșilöz in seinem zweiten Film nach den Spannungsfeldern, die sich selbst bei einer geglückten Integration im neuen Land auftun; seine Protagonistin ist eine 35-jährige alevitische Kurdin, die als Neunjährige aus einem kurdischen Dorf in die Schweiz gekommen ist und in der Gegenwart versucht, ihren Kindern viel von ihrer Heimat zu vermitteln, während sie selbst zwischen verschiedenen Frauenrollen-Entwürfen steht und Konflikte, aber auch den Reichtum in und mit mehreren Kulturen erlebt.17 In Eigentlich wollten wir zurückkehren schliesslich sind es drei ältere Ehepaare, aus der Türkei und aus dem Balkan, die sich mit der Frage auseinandersetzen, ob sie auf den letzten Abschnitt ihres Lebens hin zurückkehren sollen – es wird dabei ihnen bewusst, wie fremd ihnen mittlerweile ihre Ursprungsländer geworden sind.

Andrea Štaka, 1973 in der Schweiz als Tochter eines Vaters aus Dubrovnik und einer Mutter aus Sarajevo geboren, thematisiert Migration und Fremdheit in ihren Dokumentar- und Spielfilmen, wobei die Protagonist/innen jeweils aus dem Raum des ehemaligen Jugoslawien stammen. In Yugodivas porträtierte sie Künstler/innen, die sich in New York niedergelassen haben, im Spielfilm Das Fräulein (2006)18 sind es Ana, Ruža und Mila, die zwischen Heimkehren und Bleiben in der Schweiz schwanken, sie fühlen sich im neuen Land nicht heimisch, doch sie wissen auch: Zurückkehren würden sie in ein ihnen mittlerweile auch fremdes Land. Štakas neuester Film Cure – The Life of Another (2014) variiert das Fremdheits-Thema anhand eines Identitätstauschs zwischen zwei Mädchen in Dubrovnik, das man auch als innerpsychische Auseinandersetzung lesen kann, wenn das eine Mädchen, das eben mit seinem Vater aus der Schweiz zurückgekommen ist, langsam beginnt, die Identität des anderen anzunehmen, seinen Platz in der Familie übernimmt – wie auch seinen Freund.

Auch Ma famille africaine (2004) von Thomas Thümena ist aus einer direkten Betroffenheit des Filmautors entstanden, die hier noch unmittelbarer sichtbar wird, unter Verzicht auf eine symbolische Verweisebene; der Film ist eine Art Tagebuch über seine (interkulturelle) Ehe mit Léa Zézé von der Elfenbeinküste, die Vorurteile über die Kultur des anderen, die vielen Unterschiede, die Missverständnisse.19 Wie sehr das Verstehen des Partners, der Partnerin in einer gemischt-kulturellen Lebensgemeinschaft mit Kind ein ständiger Prozess ist, zeigt Ma famille africaine in tragischen und auch komischen Momenten, oftmals selbstreflexiv und dadurch in der Traditionslinie des cinéma vérité zu verorten. Das Dazwischen-Stehen, das Migrant/innen erfahren, die Bewegung hinein in einen ‚dritten Raum‘, einen third space, wie ihn Homi K. Bhabha 20 nannte, ist ein wiederkehrendes Thema auch in Samirs Dokumentarfilmen, in denen er sich selbst stets als aktive, handelnde und laut nachdenkende Figur oder Regie-Stimme einbringt. Forget Baghdad (2002) ist den Verwerfungen jüdisch-arabischer Trennlinien gewidmet; Samir diskutiert hier die Klischees von ‚Juden‘ und ‚Arabern‘ in der Filmgeschichte und anhand der Lebensgeschichten irakisch-jüdischer Kommunisten und Schriftsteller. Und in seinem jüngsten Film, den die Schweiz als Anwärter für den ‚Best Foreign Language Film of the Year‘ ins Rennen geschickt hat, Iraqi Odyssey (2015), reflektiert Samir ausgewählte Biografien von Mitgliedern seiner weit verzweigten irakischen Familie, die mittlerweile über die halbe Welt – in der Schweiz, aber auch in London, Auckland, Moskau oder New York – verstreut lebt.

Seit den frühen 1990er Jahren entstehen zudem immer mehr Dokumentar- und Spielfilme, die jüngere Schweizer Geschichte in Bezug auf Migration, vor allem hinsichtlich der Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg, beleuchten. Sie knüpfen an Imhoofs Das Boot ist voll an, stehen jetzt aber, ab Ende der 1990er Jahre, in einem veränderten gesellschaftlichen Kontext: Ende 1996 begann eine unabhängige, international zusammengesetzte Expertenkommission im Auftrag des schweizerischen Parlaments, „Umfang und Schicksal der vor, während und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg in die Schweiz gelangten Vermögenswerte historisch und rechtlich zu untersuchen“.21 Diese akribische wissenschaftliche Analyse, deren Zwischenberichte ab 1997 veröffentlicht wurden, strafte viele der Selbsteinschätzungen der Schweizer/innen Lügen; es konnte u.a. nachgewiesen werden, dass die Schweiz sich nicht nur am Handel mit Raubgold und konfiszierten Raubgütern bereicherte, sondern in einer Art vorauseilendem Gehorsam gegenüber dem aggressiven Nachbarn die Grenze für die an Leib und Leben gefährdeten Flüchtlingen immer mehr verschloss und mit dem ‚Judenstempel‘ die Arbeit der rassistischen Schergen sogar noch unterstützte. Die reale Geschichte des Polizeihauptmanns Paul Grüninger in St. Gallen, der als Grenzbeamter nach August 1938 mehreren hundert jüdischen und auch politischen Flüchtlingen mit Hilfe gefälschter (vordatierter) Einreisedaten das Leben rettete, aber 1939 fristlos entlassen und 1940 wegen Amtspflichtverletzung und Urkundenfälschung verurteilt wurde, erlangt als pars-pro-toto für das Verhalten der Schweiz symbolische Bedeutung. Nachdem der Journalist Stefan Keller den Fall aufgearbeitet und 1993 in Buchform22 publiziert hat, nimmt sich der bekannte Dokumentarfilmer Richard Dindo des Stoffs an. Sein Grüningers Fall (1997) spielt im Saal des Bezirksgerichts in St. Gallen, wo der Prozess 1940 gegen Paul Grüninger stattfand. Als Zeugen treten hier ehemalige jüdische Flüchtlinge auf, die dank jener gefälschten Daten der Verfolgung entkamen und in der Schweiz überleben konnten. Auch Kaspar Kasics‘ Dokumentarfilm Closed Country (1999) richtet den Blick auf die Schweiz im Zweiten Weltkrieg, indem er Menschen aufeinander treffen lässt, die damals entweder Verfolgte oder aber in der Position waren, sich für Hilfe oder Pflichterfüllung zu entscheiden: eine Nonne, zwei jüdische Familien, einen Grenzwächter.

Während Dindo und Kasics die Vergangenheit Gegenwart werden lassen, indem die Geschehnisse in der Erinnerung der Zeitzeugen geweckt und in der direkten physischen Konfrontation mit Menschen und Räumen (so die Situierung des Films in jenem Gerichtssaal) lebendig und emotional nachvollziehbar werden, inszenieren nun auch mehrere Spielfilme fiktionale, auf Drehbüchern basierte Geschichten. Azzurro (2000) von Denis Rabaglia sowie Escape to Paradise (2001) von Nino Jacusso erzählen Schicksale von Eingewanderten; in Azzurro ist der alte italienische Migrant Giuseppe, der für die teure Augenoperation seiner blinden Enkelin das Geld bei seinem früheren Arbeitgeber zu erhalten hofft; doch diese Hoffnung stellt sich als vergebens heraus, und mit fortschreitender Handlung erschliesst sich auch zunehmend das Bild der Ausnutzung, deren Opfer Giuseppe als Gastarbeiter wurde. In Escape to Paradise ist es ein kurdisches Ehepaar, das gemeinsam mit seinen drei Kindern in der Schweiz Asyl beantragt und mit Flüchtlingen aus Afrika und Osteuropa in einem Zentrum auf Abklärungsinterviews und Bescheide warten muss. Eine Szene kann man dabei als intertextuelle Anspielung auf Die Schweizermacher lesen: Da Sehmuz und seine Frau Delal befürchten, dass die Prüfungsbehörden ihnen ihre wahre Verfolgungsgeschichte nicht glauben, kaufen sie sich bei einem Schweizer Betrüger ‚glaubwürdige‘ Geschichten – und dieser Identitäten-‚Schwarzhändler‘ wird gespielt von Walo Lüönd, der Verkörperung des peniblen, intoleranten Schweizermacher. Die erfundenen, mühsam auswändig gelernten Geschichten werden aber entlarvt, und nur Sehmuz‘ von Folter gezeichneter Körper – Bereiche, die er bis dahin aus Scham und Schmerz nicht zeigen wollte – und die echten, indes nicht einfach beweisbaren Erfahrungen vermögen schliesslich die Entscheidungsträger zu überzeugen.23 Doch das Ankommen in der ersten eigenen Wohnung ist für die kurdische Familie kein Aufatmen, kein Happy End, sondern ein Erschrecken: Sollen wir in Zukunft wirklich hier in diesem so fremden – und gefühlskalten – Land leben?

Das Asylzentrum als Hauptschauplatz, ein Provisorium, wie es in Escape to Paradise erscheint, kehrt von nun an in mehreren Filmen wieder. Fernand Melgars Dokumentarfilm La forteresse (2008), kurz nach Einführung weitreichender Verschärfungen im Schweizer Asylgesetz produziert, ist in einer Empfangsgebäude für Asylsuchende in Vallorbe im Kanton Waadt situiert. Das einstige Luxushotel, in den 1950er Jahren in eine Militärkaserne umfunktioniert, erinnert mit Überwachungskameras, Schleusen und Stacheldraht nicht zufällig an ein Gefängnis. Hier warten rund zweihundert Frauen, Männer und Kinder nach lebensgefährlichen Reisen über das Meer und auf dem Landweg auf den Entscheid, ob sie bleiben dürfen oder aber ausgewiesen, zurückgeschickt werden. Der Filmautor gibt den Asylant/innen individuelle Gesichter, beobachtet geduldig und respektvoll im direct cinema-Stil, kommentiert wenig, konfrontiert aber das Publikum mit einer Nähe zu den Menschen, der es sich nicht entziehen kann. Diese Eindringlichkeit setzt er mit dem zweiten und dritten Teil eines Zyklus, nun eine Migrations-Trilogie, fort: mit Vol spécial (2011) – gedreht im Ausschaffungsgefängnis Frambois beim Genfer Flughafen – und L’abri (2014), gedreht in und vor einer Notschlafstelle in Lausanne, zu der jede Nacht nur eine bestimmte Anzahl von Menschen, die meisten von ihnen Immigrierte, Zutritt erhalten. Die einstige Geschlossenheit und Selektion an der Grenze wiederholt sich hier im Kleinen direkt vor den Augen der Zuschauer/innen im Publikum, die miterleben, nach welchen Kriterien Einlass gewährt wird – oder nicht. So erschütternd vor allem der erste Teil La forteresse war: Melgar wurde allerdings in Bezug auf insbesondere Vol spécial auch von Seiten bisheriger Bewunderer, darunter auch Filmkritiker und eher links stehende Politiker und Bürger, vorgeworfen, er manipuliere die gezeigten Geschichten, indem er in seinem Film wichtige Informationen unterschlage, beispielsweise die Kriminalität einzelner Asylbewerber.24

Die Asylzentren sind nicht nur Transit-Räume, sondern in ihnen leben auch viele Menschen aus zahlreichen Ländern auf Zeit zusammen. Solche Mikrokosmen, in denen das Zusammenleben erprobt wird bzw. werden muss, mit Schweizer Regeln auf Schweizer Boden, aber in Konfrontation mit vielen verschiedenen Kulturen und Sprachen, finden Mano Khalil und Bruno Moll auch in anderen Zusammenhängen.25 Unser Garten Eden (2009), der abendfüllende Dokumentarfilm-Erstling des gebürtigen Syrers Mano Khalil26, erforscht das Multikulti-Biotop Schrebergärten. Eigentlich ein kleinbürgerlich-schweizerisches Idyll – die eigenen paar Quadratmeter Land, ein eigener, gemieteter kleiner, selbstverwalteter Gemüse- und Obstgarten (gelegen in einer grösseren, von z.B. einem Verein verwalteten Grundstück-Anlage) –, haben auch Zugewanderte die Vorzüge eines Schrebergartens für sich entdeckt. Mit viel Sinn für Humor, den auch die augenzwinkernde Titelgebung Unser Garten Eden bereits verrät, zeigt Mano Khalil Schritt für Schritt die Freuden, denen die ‚Gärtner‘ – oftmals wird kaum mehr tatsächlich gegärtnert – aus vielen Ländern in einer solchen Schrebergarten-Kolonie in Bümpliz27 bei Bern frönen, aber auch die pedantischen Regeln und Vorschriften, an die sich alle halten müssen, und die Konfliktlinien, die sich beim Feiern, Grillen, Anpflanzen beispielsweise zwischen Christen und Muslimen aus verschiedenen Herkunftsländern auftun. Auch Bethlehem bei Bern ist ein Ort, wo heute viele Zuwanderer/innen wohnen, aus rund dreissig Nationen. Ein Ort, wo sie zusammenkommen, ist der Frauen-Fussballclub Bethlehem, in dem Juniorinnen im Alter von 15 und 16 Jahren trainieren. Sie heissen Jolanda, Rosa, Natâsa, Elmaze, Marie, Agime, Alessandra, Daria und Tiziana, ihre Eltern stammen aus Frankreich und Italien, Serbien und Mazedonien, Angola und Nigeria. Neugierig erfragt der Filmemacher Bruno Moll in seinem Dokumentarfilm Pizza Bethlehem (2010) die Eckpfeiler, an denen sich diese junge Frauengeneration orientiert, ihr Selbstverständnis als Migrantenkinder in der Schweiz und ihr Verhältnis zu Herkunftsland, Religion, Sprache und Kultur ihrer Eltern. Die Fussballspielerinnen stehen an der Schwelle zum Erwachsenenleben; die Kamera begleitet sie zu Vorstellungsgesprächen und ersten Arbeitstagen und interviewt sie auch wiederholt.

2014 sind in den Schweizer Kinos zwei Spielfilme zu sehen, die Fäden aufnehmen, die in den vergangenen Jahrzehnten der thematischen Auseinandersetzung mit Migrationsfragen im Schweizer Filmschaffen gewachsen sind. Akte Grüninger von Alain Gsponer greift den Paul Grüninger-Stoff neu auf und findet eine überzeugende Lösung, die historische Faktengenauigkeit und fiktionale Emotionalisierung kombiniert. Das Drehbuch für den Film, der als Fernsehfilm produziert wurde, aber dann zuerst im Kino gezeigt wurde, stammt von Bernd Lange, einem deutschen Fernseh-Autor und Regisseur. Eine entscheidende Idee darin ist, dass nicht der Held und Retter Grüninger als Identifikations-Hauptfigur aufgebaut wird, sondern die Geschichte vielmehr aus dem Blickwinkel des jungen Bundespolizisten Frei erzählt wird, der beauftragt wird, die (Grenz-)Lage in der Ostschweiz genauer unter die Lupe zu nehmen. Diese Fokus-Verschiebung macht den Stoff nochmals anders und auch zeitlos aktuell, indem die Zuschauer/innen Freis inneren Kampf zwischen Gewissen und Pflichterfüllung (da er Grüningers verbotene Rettungsaktionen entdeckt) miterleben lässt. Und als dieser zum Schluss des Films direkt in die Kamera schaut, damit aus der fiktiven Film-Ebene heraus tretend, fordert er das Publikum explizit dazu auf, selbst zu urteilen und zu entscheiden.28

Die Handlung des Spielfilms Schweizer Helden von Peter Luisi schliesslich ist wieder in einem Asyl-Durchgangszentrum angesiedelt. Wie der Filmautor ausführt, inspirierte ihn eine tatsächliche Begebenheit zu der Stoff-Idee: „Als Teil eines Integrationsprojekts sollte eine Bekannte von mir eine psychodramatische Gruppe mit Flüchtlingen leiten. Da die Flüchtlinge zu wenig gut Deutsch konnten, beschlossen sie stattdessen, eine vereinfachte Version von Friedrich Schillers Wilhelm Tell aufzuführen.“29 Die erste Drehbuchversion entstand bereits 2002, doch die Finanzierung kam erst rund ein Jahrzehnt später zu Stande. Die Idee ist bestechend, da sie mit der Verkehrung von Rollen und der Umstülpung eines urschweizerischen Mythos arbeitet. Indem Asylant/innen in der Schweiz die Geschichte des ‚Urvaters‘ Wilhelm Tell frei nachspielen – eine Figur, die zwar auf historischen Ereignissen und oral history beruht, mittels literarischen Verdichtungen und Akzentuierungen aber erst Ende des 19. Jahrhunderts zum Bild des Schweizer Nationalhelden wurde –, werden die Bedeutungsebenen bewusst und gezielt verunsichert. Durch die Travestie, das spielerische Erproben von Rollen in einem Theaterstück, das im Film zu einem Stück-im-Stück wird und aufgrund dieser Metafiktionalisierung die tiefer liegenden Fragen nach Mut und Einstehen-für-einen-anderen freilegt, werden die Grenzen aufgeweicht, die Zuschreibungen hintertrieben. Es scheint am Ende gar mehr von Tells Freiheitsliebe, seiner Wildheit, seinem Stolz und seiner Unabhängigkeit in den Asylanten als in den Schweizern (weiter) zu leben. Und herausgestellt wird durch die Metaisierung auch das Verhältnis von Realität und Fiktion: der reale Umgang mit Asylant/innen in der Schweiz zum einen, zum anderen die Qualität (und Fragilität) einer Legende, die einem nationalen Narrativ zugrunde liegt.30

Die subversive Verunsicherung in Schweizer Helden erinnert an die eingangs dargestellte Verkehrung der Verhältnisse im Film Heimatland. Travestie, Persiflage, Parodie sind hier die künstlerischen Verfahren, um tradierte, gewohnte Wertmassstäbe und Blickpositionen auf den Prüfstand zu setzen. Auch metaleptische Bewegungen, mit denen die Filmautor/innen Figuren aus der Fiktionalität heraustreten lassen (wie z.B. der letzte Blick des Bundespolizisten Frei in Akte Grüninger), sind Verfahren, um die Gemachtheit des filmischen Produkts sichtbar zu machen. Und diese narrativen Verfremdungs-Techniken haben auch seit den 1990er Jahren Filmautor/innen mit nichtschweizerischem (Familien-)Hintergrund vermehrt angewandt; was allgemein seit den 1960/70er Jahren mit dem Aufkommen des neuen Schweizer Autoren-Films (beeinflusst auch von avantgardistischen Verfahren der Nouvelle Vague und anderen Erneuerungsbewegungen im internationalen Kino) im Schweizer Filmschaffen ein Echo fand, gab Filmer/innen wie z.B. Samir die Möglichkeit, mit Hilfe bestimmter Techniken sich selbst, ihre biografische Erfahrungshorizonte und daraus resultierenden Sichtweisen im Rahmen des Films explizit zu reflektieren.

Seit dem Dokumentarfilm Siamo italiani, dem das Verdienst zukommt, das Verhältnis zwischen der Schweiz und den Gastarbeiter/innen erstmals eingehend thematisiert zu haben, sind die einstmals ‚Fremden‘ – das zeigen die weit über dreissig hier angeführten (Kino-) Dokumentar- und Spielfilme deutlich auf – sukzessive zu (Mit-)Menschen geworden, welche die Schweiz nicht nur als Zugezogene mitgestalten, sondern ein Teil von ihr sind. Die erste und sodann noch stärker die zweite Einwanderer-Generation gestaltet auch den Schweizer Film mit, befragt ihre nicht auflösbaren, widersprüchlichen Gefühle in und mit der Schweiz – und mit der kritischen Selbstreflexion und Betrachtung des ‚neuen‘ Landes wachsen aber auch Vorbehalte und Fremdheit gegenüber dem ‚Herkunftsland‘; nichts ist mehr, was es scheint. Hybride Kulturformen lösen vermeintlich feste Kollektividentitäten ab, Versatzstücke treten an die Stelle fest geformter, tradierter Wiedererkennungs-Entitäten. Parallel zu den in der Literaturgeschichte und -forschung beobachtbaren Verschiebungen von Ausländerliteratur zu Migrantenliteratur zu transnationaler und schliesslich kosmopolitischer Literatur kann man im Schweizer Filmschaffen einen Paradigmenwechsel beobachten, der mit den frühen 1990er Jahren ansetzte und im ersten Jahrzehnt nach 2000 in vielen filmischen Werken sichtbar zur Geltung kam. Allerdings ist abschliessend auch zu sagen, dass der Themenkomplex rund um Migration und Fremdheit innerhalb der Schweizer Filmproduktion nur einen unter vielen anderen darstellt. Wie eingangs ausgeführt, gibt es insbesondere einen wachsenden Hang zu klassischen nationalen Schweiz-Narrativen, einige Filme scheinen sich dabei an den Volkstheateraufführungen des Freilufttheaters Ballenberg zu orientieren, arbeiten mit Klischees und interessieren sich nicht für eine komplexe Lebensrealität im heutigen täglichen Zusammenleben von Menschen aus verschiedenen Ländern und Kulturen in der Schweiz – überhaupt ignorieren sie die Wirklichkeiten in der modernen urbanen Schweiz.

„Ois gaht’s guet!“ („Uns geht es gut!“), schreit wiederholt der rechte Volksverhetzer in einem Dorf in Heimatland, bevor er seine Anhänger auffordert, sich mit Waffengewalt gegen Eindringlinge zu wehren. Dabei kommt aber ein Schweizer um, den junge Fanatiker für einen Ausländer halten. Die Szene kann als Sinnbild genommen werden für das, was passiert, wenn die Intoleranz wächst und eine immer enger gefasste ‚Wir‘-Vorstellung überhandnimmt. Wenn man die Differenzierungen in der Schweizer Filmgeschichte betrachtet, den Korpus an Werken rund um das Thema Migration, der hier vorgestellt wurde, so ist festzustellen, dass heute das Wissen in der Reflexion im Film (wie auch in der Literatur) wahrscheinlich noch nie so weit von den Beschlüssen in der politischen Realität entfernt war.

Literaturverzeichnis
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Drews, Isabel: ‚Schweizer erwache!‘ Der Rechtspopulist James Schwarzenbach (1967–1978). (Studien zur Zeitgeschichte. Band 7). Frauenfeld 2005.
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Die Schweiz und das Nazigold. Kurzversion des Zwischenberichts der Unabhängigen Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg: https://www.uek.ch/de/publikationen1997-2000/nazigold_kurzversion.pdf (zuletzt abgerufen am 6.9.2017).
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Walder, Martin: Fernand Melgars Dokumentarfilm «Vol spécial» zieht weite Kreise. Dort hinschauen, wo ausgeschafft wird, in Neue Zürcher Zeitung online vom 29.11.2011: https://www.nzz.ch/dort_hinschauen_wo_ausgeschafft_wird-1.12714800 (zuletzt abgerufen am 6.9.2017)
Walder, Martin: Der Fall Vol spécial – Vom Weglassen und vom Verschweigen, in CINEMA-Jahrbuch Nr. 58 (2013), online: http://cinemabuch.ch/article/58004 (zuletzt abgerufen am 6.9.2017).
Yeșilöz, Yusuf: Der Gast aus dem Ofenrohr. Zürich 2002.
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Nachweise zu allen erwähnten Filmen (in chronologischer Reihenfolge):

Siamo italiani (CH 1964, 99 Min.), Regie: Alexander J. Seiler, June Kovach, Rob Gnant.
Konfrontation – Das Attentat in Davos (CH 1974, 114 Min.), Regie: Rolf Lyssy.
Die Schweizermacher (CH 1978, 104 Min.), Regie: Rolf Lyssy.
Das Boot ist voll (CH 1981, 104 Min.), Regie: Markus Imhoof.
Album de famille (CH 1993, 54 Min.), Regie: Fernand Melgar.
Asmara (CH 1993, 80 Min.), Regie: Paolo Poloni.
Babylon 2 (CH 1993, 90 Min.), Regie: Samir.
Grüningers Fall (CH 1997, 100 Min.), Regie: Richard Dindo.
Closed Country (CH 1999, 82 Min.), Regie: Kaspar Kasics.
La bonne conduite (Cinq histoires d’auto-école) (CH 1999, 60 Min.), Regie: Jean-Stéphane Bron.
Azzurro (CH/I/F 2000, 85 Min.), Regie: Denis Rabaglia.
Escape to Paradise (CH 2001, 90 Min.), Regie: Nino Jacusso.
Hirtenreise ins dritte Jahrtausend (CH 2002, 124 Min.), Regie: Erich Langjahr.
Il vento di settembre / Septemberwind (CH 2002, 105 Min.), Regie: Alexander J. Seiler.
Das Alphorn (CH 2003, 76 Min.), Regie: Stefan Schwietert.
Viaggio a Misterbianco (CH/D 2003, 86 Min.), Regie: Paolo Poloni.
Si pensava di restare poco (CH 2003, 72 Min.), Regie: Francesca Cangemi, Daniel von Aarburg.
Hungern gegen Wände (CH 2003, 52 Min.), Regie: Yusuf Yeșilöz.
Ma famille africaine (CH 2004, 80 Min.), Regie: Thomas Thümena.
Das Erbe der Bergler (CH 2006, 97 Min.), Regie: Erich Langjahr.
Das Fräulein (CH 2006, 81 Min.), Regie: Andrea Štaka.
Zwischen den Welten (CH 2006, 54 Min.), Regie: Yusuf Yeșilöz.
Heimatklänge (CH/D 2007, 80 Min.), Regie: Stefan Schwietert.
La Forteresse (CH/F 2008, 100 Min.), Regie: Fernand Melgar.
Tandoori Love (CH/D/A 2008, 92 Min.), Regie: Oliver Paulus.
Unser Garten Eden (CH 2009, 97 Min.), Regie: Mano Khalil.
Pizza Bethlehem (CH 2010, 85 Min.), Regie: Bruno Moll.
Bödälä (CH/D 2010, 80 Min.), Regie: Gitta Gsell.
Eigentlich wollten wir zurückkehren (CH 2012, 52 Min.), Regie: Yusuf Yeșilöz.
Weiterleben (CH 2012, 88 Min.), Regie: Hans Haldimann.
Der Imker (CH/F 2013, 107 Min.), Regie: Mano Khalil.
Cure – The Life of Another (CH, Kroatien, Bosnien-Herzegowina 2014, 83 Min.), Regie: Andrea Štaka.
L’Abri (CH 2014, 101 Min.), Regie: Fernand Melgar.
Akte Grüninger (CH/A/D 2014, 90 Min.), Regie: Alain Gsponer.
Schweizer Helden (CH 2014, 94 Min.), Regie: Peter Luisi.
Heimatland (CH/D 2015, 99 Min.), Regie: Michael Krummenacher, Jan Gassmann, Lisa Blatter, Gregor Frei, Benny Jaberg, Carmen Jaquier, Jonas Meier, Tobias Nölle, Lionel Rupp, Mike Scheiwiller.
Iraqi Odyssey (CH/D/Vereingte arab Emirate/Irak 2015, Min.), Regie: Samir.
Schellen-Ursli (CH 2015, 104 Min.), Regie: Xavier Koller. Heidi (CH/D 2015, 105 Min.), Regie: Alain Gsponer.
Die Schwalbe (CH 2016, 102 Min.), Regie: Mano Khalil.


  1. Heimatland (CH/D 2015), Regie von: Michael Krummenacher, Jan Gassmann, Lisa Blatter, Gregor Frei, Benny Jaberg, Carmen Jaquier, Jonas Meier, Tobias Nölle, Lionel Rupp, Mike Scheiwiller.
  2. Vgl.: Goldberg, Marcy: Über die Beziehung des Schweizer Films zu seinen Bergen. In: Filmbulletin. Winterthur 2015, Nr. 6, S. 6-17.
  3. Zum ‚Neuen Schweizer Film‘ vgl. auch u.a. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D10468.php, das historische Lexikon online, zuletzt abgerufen am 6.9.2017.
  4. Diese Eingrenzung ist wichtig, da es zum einen natürlich unendlich viele Fernsehreportagen zum Thema gibt, zum anderen auch Spiel- und Dokumentarfilme, die nur fürs Fernsehen produziert wurden. Aufgrund der Veränderung der Medienlandschaft, mit der Digitalisierung und der zu beobachtenden Annäherung zwischen Fernsehfilmästhetik und höheren visuell-künstlerischen Ansprüchen für Kinofilme ist diese Grenze seit einigen Jahren immer durchlässiger geworden, indem Filme, die ursprünglich nur für das Fernsehen vorgesehen waren, im Laufe der (Vor-)Produktion zu Kinofilmen umdefiniert werden, oder aber Kinofilme noch einmal ein eigenes Auswertungsleben in Fernsehprogrammen entwickeln – dennoch ist es bis heute so, dass in der Schweiz vornehmlich Kinofilme – und dazu gehören aufgrund der vergleichsweise guten Förder- und Auswertungssituation mit einer starken Position auch die Dokumentarfilme – das kollektive Bewusstsein und die öffentlichen Diskussionen mitprägen und als Spiegel der Gesellschaft wahrgenommen werden. Es ist indes durchaus wahrscheinlich, dass dies bereits in rund fünf bis zehn Jahren so nicht mehr gilt.
  5. Vgl.: Kamm, Martina / Spoerri, Bettina / Rothenbühler, Daniel / D’Amato, Gianni: Diskurse in die Weite. Kosmopolitische Räume in den Literaturen der Schweiz. Zürich, 2010.
  6. Seiler, Alexander J.: Siamo italiani – Die Italiener. Gespräche mit italienischen Arbeitern in der Schweiz. Zürich 1965. Später wurde der Text auch unter dem Titel Überfremdung I in: Frisch, Max: Öffentlichkeit als Partner. (Frankfurt am Main 1967), S. 100 publiziert. Der Satz findet sich auch, als Selbstzitat, in Frischs Tagebuch, in: Gesammelte Werke in zeitlicher Folge, Band 6, S. 12, wie auch in Gesammelte Werke in zeitlicher Folge, Band 5, S. 374 (= Überfremdung I).
  7. Zitat aus Tonspur von Alexander J. Seilers Dokumentarfilm Siamo italiani (CH 1964).
  8. Ebd.
  9. Seiler, Alexander J.: Einleitung. In: Siamo italiani – Die Italiener, Gespräche mit italienischen Arbeitern in der Schweiz, wie Anm. 6, S. 4.
  10. Zu James Schwarzenbach und seiner Initiative vgl. u.a. Buomberger, Thomas: Kampf gegen unerwünschte Fremde. Von James Schwarzenbach bis Christoph Blocher. Zürich 2004; Drews, Isabel: ‚Schweizer erwache!‘ Der Rechtspopulist James Schwarzenbach (1967–1978). (Studien zur Zeitgeschichte. Band 7). Frauenfeld 2005; Maiolino, Angelo: Als die Italiener noch Tschinggen waren. Der Widerstand gegen die Schwarzenbach-Initiative. Zürich 2011.
  11. Vgl.: u.a. http://www.nzz.ch/schweiz/wie-weiter-mit-der-personenfreizuegigkeit-1.18657678 , zuletzt abgerufen am 6.9.2017.
  12. Das Drehbuch schrieben Rolf Lyssy und Christa Maerker.
  13. Die offizielle Aufstellung des Bundesamts für Statistik vermerkt für den Zeitraum bis 2014 ganze 940‘742 Eintritte: http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/16/02/01/dos/03/05.html (zuletzt abgerufen am 6.9.2017), Schweizermacher steht bis heute auf Platz 1 – und hält Platz 2 mit fast einer halben Million Eintritten auf Abstand.
  14. Der Regisseur zitiert auf seiner Website eine interessante, divergente Presseschau; da ist u.a. von Variety zu lesen: „The film is not of the favourites of the Swiss establishment, of course“ oder in der (heute von SVP-Kreisen dirigierten) Weltwoche das Lob: „Überfremdungsängste sind noch nie so spannend und differenziert zum Thema eines Spielfilms gemacht worden.“ Vgl. http://www.markus-imhoof.ch/, Stichwort ‚Das Boot ist voll‘, zuletzt abgerufen am 6.9.2017.
  15. An der Berlinale erhielt Das Boot ist voll u.a. auch den FIPRESCI-Preis, und Imhoof wurde als Regisseur für den Goldenen Bären nominiert. Ausserdem war er nominiert für den Max-Ophüls-Preis und erhielt den René Clair Preis.
  16. Yusuf Yeșilöz‘ literarisches Schreiben dreht sich auch oft um das Thema Migration aus der Türkei in die Schweiz, so insbesondere sein Roman Der Gast aus dem Ofenrohr (2002). Vgl. auch die Website des Autors www.yesiloez.ch sowie u.a. Spoerri, Bettina: „stifmuter und galtbir“. Literarische Kreation auf der Schnittstelle von Sprachen. In: Kamm/Spoerri /Rothenbühler u. a.: Diskurse in die Weite. Kosmopolitische Räume in den Literaturen der Schweiz, wie Anm. 5, S. 126-139; ausserdem: Spoerri, Bettina: Zwischen den Kulturen: Yusuf Yeșilöz. In: Feuxcroisés. Littératures et Echanges culturels. Revue du Service du Presse Suisse, 7/2005, S. 91-99; dies.: Splitter einer früheren Heimat. „Der Gast aus dem Ofenrohr“. In: Identitätskonstruktion in der Begegnung mit anderen Kulturen bei deutschsprachigen Autoren: II. Bewegungslose Reise. St. Etienne, G.R.E.C.A. 2007, S. 41-55.
  17. Auch Mano Khalil, ein 1964 in Syrien geborener Kurde, der 1996 aus politischen Gründen in die Schweiz emigrierte, lässt in Der Imker (2013) seinen Protagonisten Ibrahim Gezer seine Lebensgeschichte erzählen; dem Mann, einem Imker, der im kurdisch-türkischen Krieg alles verloren hat, ist es gelungen, in der Schweiz wieder Boden unter den Füssen zu finden und auch erneut ein Bienenvolk zu züchten. Für den Film erhielt der Regisseur und Kameramann den renommierten Prix de Soleure, der in der Schweiz der höchstdotierte Filmpreis ist.
  18. Der Film wurde mit dem Goldenen Leoparden am Internationalen Filmfestival von Locarno prämiert und gewann den Hauptpreis des Sarajevo-Filmfestivals 2006; im Jahr darauf wurde auch das Drehbuch mit einem Schweizer Filmpreis ausgezeichnet.
  19. Ein Beispiel hierfür wäre auch der Film Tandoori Love (2008) von Oliver Paulus, der die interkulturelle (indisch-schweizerische) Liebesgeschichte und die damit verbundenen Konflikte auf spielerische, kulinarisch-sinnliche Weise thematisiert.
  20. Vgl. u.a. Bhabha, Homi K.: The Location of Culture. London/New York 1994, S. 55.
  21. Eine Kurzversion des Zwischenberichts von 1998 findet sich hier: https://www.uek.ch/de/publikationen1997-2000/nazigold_kurzversion.pdf (zuletzt abgerufen am 6.9.2017). Sämtliche Berichte finden sich auf eben dieser Website: https://www.uek.ch/de/
  22. Keller, Stefan: Grüningers Fall. Geschichten von Flucht und Hilfe. Zürich 1993, 5. Auflage 2013.
  23. Der Dokumentarfilmer Hans Haldimann seinerseits porträtiert in Weiterleben (2012) vier Migrant/innen – aus dem Kongo, aus Chile, Tibet und der Türkei, die sich in ihrem Land für Menschenrechte einsetzten und Opfer von Folter wurden, bevor sie in der Schweiz Zuflucht gefunden haben.
  24. Vgl. u.a. den Bericht hierzu von Martin Walder in der Neuen Zürcher Zeitung: https://www.nzz.ch/dort_hinschauen_wo_ausgeschafft_wird-1.12714800 (zuletzt abgerufen am 6.9.2017) und den weitergehenden analytischen Text desselben Autors im Schweizer CINEMA-Jahrbuch Nr. 58 (2013), online hier nachzulesen: http://cinemabuch.ch/article/58004 (zuletzt abgerufen am 6.9.2017).
  25. Ein anderes Beispiel wäre La bonne conduite (Cing histoires d’auto-école) (1999) von Jean-Stéphane Bron, ein Dokumentarfilm, in dem das Autofahren-Lernen in der Schweiz, das Verhalten auf der Strasse im Verkehr mit anderen, stellvertretend für die Auseinandersetzung mit dem neuen Land wird. Protagonist/innen sind hier u.a. ein afghanischer und ein indischer Immigrant.
  26. Der neueste Spielfilm von Mano Khalil Die Schwalbe eröffnete die Solothurner Filmtage 2016; er erzählt die Geschichte einer jungen Schweizerin, die sich, auf der Suche nach ihren Wurzeln, ins irakische Kurdistan begibt und in die Kriegswirren hineingezogen wird.
  27. Bümpliz weist im nationalen Vergleich eine recht hohe Ausländerquote von 28,9% (Erhebung 2010) auf. Vgl. http://www.bern.ch/mediencenter/medienmitteilungen/aktuell_ptk/vergleichsweise-wenig-personen-mit-migrationshintergrund/downloads/Strukturerhebung_2010_Migrationshintergrund.pdf/view?searchterm=Statistik+wohnbev%C3%B6lkerung+2010 (zuletzt abgerufen am 6.9.2017), S. 10 u. 30.
  28. Vgl.: die ausführliche Beschreibung der Erzählebenen in der Filmkritik der Autorin dieses Beitrags im Feuilleton der Neuen Zürcher Zeitung vom 29. Januar 2014 unter dem Titel Zivilcourage ist ein seltenes Gewächs: http://www.nzz.ch/feuilleton/kino/zivilcourage-ist-ein-seltenes-gewaechs-1.18231489 (zuletzt abgerufen am 6.9.2017).
  29. Vgl.: das Statement von Peter Luisi zum Film: http://www.schweizerhelden.ch/der-film/statement-peter-luisi (zuletzt abgerufen am 6.9.2017).
  30. Den Einsatz, die Funktion und Wirkungsweise von Metafiktionalisierungen in einem weiteren Zusammenhang in der Filmgeschichte stellt der Beitrag der Autorin im CINEMA-Jahrbuch Nr. 58 (2013), S. 66-79 dar. Vgl.: auch http://cinemabuch.ch/article/58009 (zuletzt abgerufen am 6.9.2017).