Ausländerfeindlichkeit
und Rechtsextremismus
in der Schweiz:
Zu Otto F. Walters Erzählung
Die verlorene Geschichte (1993)

Ausgabe 1 /2017


Dorota Sośnicka, Universität Szczecin

Der Beitrag liefert eine Analyse der Erzählung Otto F. Walters Die verlorene Geschichte (1993) vor dem Hintergrund der Fremdenfeindlichkeit und des Rechtsextremismus in der Schweiz der 1980er Jahre, wobei das Augenmerk auf das in der Erzählung dominierende Thema der Gewalt gerichtet wird. Unter Berufung auf das politische Engagement und das Literaturverständnis des Autors beleuchtet der Artikel zum einen die erzählerischen und sprachlich-stilistischen Neuerungen des in einer rhythmisierten, die Sprachunfähigkeit des Protagonisten hervorhebenden ‚Un-Sprache‘ verfassten Werkes, zum anderen konzentriert er sich aber auf die Ursachen, Erscheinungsformen und Folgen des Fremdenhasses in rechtsradikalen Kreisen, wie dies in Walters Erzählung zur Darstellung gelangt. Hauptsächlich aber wird darin der Frage nach den möglichen Ursprüngen der Gewalt nachgegangen, deren unterschiedliche Facetten Otto F. Walter in seiner Erzählung anspricht. Denn trotz ausdrücklicher Berufung auf die fremdenfeindlichen Aktionen der Rechtsradikalen in der Schweiz im Jahr 1989 wiederholte der Schriftsteller in diesem sprachlich und thematisch wohl radikalsten all seiner Werke vor allem die Frage Georg Büchners danach, was es eigentlich ist, „was in uns lügt, mordet, stiehlt?“

Schlüsselwörter:
Fremdenfeindlichkeit, Fremdenhass, Rechtsextremismus in der Schweiz, Gewalt, Otto F. Walter

Xenophobia and Right-wing Extremism:
On Otto F. Walter’s Story „Die verlorene Geschichte“ (1993)

Against the background of the xenophobia and right-wing extremism of 1980s Switzerland, this essay provides an analysis of Otto F. Walter’s story Die verlorene Geschichte(1993). The focus is on the theme of violence dominant in the story. With reference to the author’s political engagement and his perception of literature, the article highlights on the one hand the narrative and stylistic innovations of the story which is written in a rhythmic ‘non’-language emphasising the linguistic inability of the protagonist; on the other hand it concentrates on the causes, forms and consequences of hatred of foreigners in far-right circles as represented in Walter’s story. Chiefly however, the essay examines the question of the possible causes of the violence, the various facets of which Otto F. Walter addresses in his story. For despite expressly referring to the xenophobic actions of the radical right in Switzerland in 1989, the author, in this linguistically and thematically most radical of all his works, essentially repeated the question posed by Georg Büchner as to what “in us lies, murders, steals?”
/Translated by Malcolm Pender/

Keywords:
xenophobia, hatred of foreigners, right-wing extremism in Switzerland, violence, Otto F. Walter

Schreiben ist immer der Versuch – zwar indirekt und oft im Negativ – eines Plädoyers gegen eine unmenschliche und für eine menschliche Welt; es entspringt immer auch einem Mitbetroffensein, einer Anteilnahme am tragischen Schicksal der nicht erlösten Erde.
Otto F. Walter1

Reaktionen auf den in der Schweiz ‚aufflammenden Rechtsextremismus‘

Ende der 1980er Jahre wurde man in der Schweiz auf das Problem des Rechtsextremismus aufmerksam, nachdem es zu mehreren Überfällen auf Flüchtlinge und Asylzentren gekommen war. Die Medien berichteten ausführlich von den unheilvollen Vorfällen, bei denen einige Ausländer ums Leben gekommen sind, so dass es auch im Parlament zu heftigen Diskussionen zu diesem heiklen Thema gekommen ist. Man diskutierte vor allem darüber, „durch welche Form des ‚Fremden‘ auf der einen Seite und durch welche Form des ‚Extremismus‘ auf der anderen Seite die schweizerische Gesellschaft denn bedroht sei“2. Da man bisher eine Gefahr vor allem seitens des Linksextremismus erblickte und sich hauptsächlich darauf fokussierte, stellte eine fraktionsübergreifende Gruppe von Parlamentariern die Forderung, „die Beobachtung, Dokumentation und Bekämpfung des Rechtsextremismus stärker zu institutionalisieren“3. Von besonderer Bedeutung war bei diesen parlamentarischen Debatten die Ende November 1989 eingereichte Dringende Interpellation der Sozialdemokratischen Partei „Rassismus und Extremismus in der Schweiz“, die auf die Häufung der von Rechtsradikalen verübten Brandanschläge auf Asylzentren sowie Übergriffe gegen Flüchtlinge aufmerksam machte:

Rechtsextreme und Rassisten treten in der Schweiz in den letzten Monaten immer offener, immer dreister auf. Brennende Kreuze auf der Rigi und im schaffhausischen Buch symbolisieren den aufflammenden Rechtsextremismus. Brandanschläge und Überfälle auf Flüchtlinge und Flüchtlingsheime häufen sich. Klosters, Bachenbülach, Beckenried, Schattdorf, Embrach, Steinhausen, Wald und Chur stehen für Überfälle, Sprengstoff- und Brandanschläge, in denen eine abgrundtiefe Menschenverachtung zum Ausdruck kommt. Allein beim Brandanschlag in Chur sind vier tamilische Flüchtlinge bei lebendigem Leib verbrannt, darunter zwei Kinder. Im zugerischen Steinhausen schaut die Polizei passiv zu, wie die Patriotische Front im Flüchtlingsheim wütet. Als Reaktion auf die Kritik, die Flüchtlinge schutzlos gelassen zu haben, kommt der Polizei nichts anderes in den Sinn, als die Flüchtlingsunterkunft mit Stacheldrahtrollen zu umzäunen. Es ist soweit, dass Flüchtlinge in der Schweiz vor Überfällen, vor Angriffen und sogar ihres Lebens nicht mehr sicher sind. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass sich Rassismus, Fremdenhass und Rechtsextremismus in unserer Gesellschaft erschreckend ausgebreitet haben. 4

In der Interpellation wurde auch die Ursache dieser menschenverachtenden Angriffe gegenüber Fremden genannt: Unter Berufung auf den Faschismus, der „die Wut und die Frustrationen der in der Gesellschaft zu kurz Gekommenen auf bestimmte Minderheiten, auf sogenannte ‚Sündenböcke‘“ 5 lenkte, ist da die Rede vom „Hass derjenigen, denen es dreckig geht“, der auf diejenigen gelenkt wird, „denen es noch dreckiger geht“, also auf „die schwächste und die rechtloseste Gruppe“ in der Gesellschaft. In diesem Zusammenhang verwies man auf die Aktivitäten der Nationalen Aktion (NA)6, einer nationalistischen, ausländerfeindlichen und isolationistischen Partei, die u. a. 1981 und 1982 im Referendum gegen das neue Ausländergesetz sowie im Bereich der Asylpolitik der Schweiz Abstimmungserfolge erzielte. So fragten Parlamentarier der Sozialdemokratischen Partei, „welches Menschenbild diesen Rassismus, diesen Hass gegen Flüchtlinge möglich gemacht hat und welchen Beitrag die Bundesbehörden dazu geleistet haben“7, wenn sie „nicht mehr von Flüchtlingen und asylsuchenden Menschen“ sprechen, sondern von „Asylanten in Anlehnung an Simulanten, Querulanten, Ignoranten“, womit sie den „Sprachgebrauch von rechts aussen“ übernommen haben. Sie betonten also, dass die „in den letzten Jahren betriebene Asylpolitik […] für das Klima in den letzten Monaten mitverantwortlich“ war und verlangten als eine „Massnahme gegen den zunehmenden Rassismus eine menschliche Asylpolitik, die diesen Namen verdient“. Im schweizerischen Parlament einigte man sich schließlich allerdings nur darauf, die rechtsradikalen Anschläge zu ‚verurteilen‘, rechtsextreme Aktivitäten durch den schweizerischen Staatsschutz stärker beobachten und dokumentieren zu lassen sowie von den Behörden einen Bericht über den Rechtsextremismus in der Schweiz zu verlangen.8 Das verachtende Menschenbild gegenüber den Flüchtlingen, das von den Rechtsradikalen verbreitet wurde, ließ sich jedoch nicht so leicht beheben, so dass es in den folgenden Jahren immer wieder zu Übergriffen auf ‚Fremde‘ und zu einer Verschärfung der Maßnahmen9 dagegen gekommen ist.

Auf die fremdenfeindlichen Aktionen der Rechtsradikalen im Jahr 1989, die dann im schweizerischen Parlament so heftig diskutiert wurden, bezieht sich ausdrücklich die Erzählung von Otto F. Walter Die verlorene Geschichte, die 1993 im Druck erschienen ist und die der Autor nachträglich mit folgender Bemerkung versehen hat: „Die im Text erwähnten fremdenfeindlichen Aktionen beziehen sich auf Ereignisse in der Schweiz des Frühjahrs 1989.“10 Zum Protagonisten dieser Erzählung machte Walter einen Vertreter der rechtsradikalen Szene in der Schweiz, und er schildert darin die gemeinsamen Aktionen dieser rechtsextremen „Kameraden“ (VG 20), die es heute wohl in jedem Land gibt und die sich in jedem Land für die einzig ‚wahren Patrioten‘ ausgeben. Zur thematischen Aktualität der Erzählung vermerkte Walter in einem Interview:

Stellen wir zunächst fest: Aktualität darzustellen ist nicht unbedingt das, was Literatur primär zu leisten hat. Das Fernsehen, die Zeitungen können das besser. Die Literatur hat mit Erinnerung zu tun. Sie entsteht aus Erinnerung. Nicht zufällig haben die Griechen die Memnosyne, die Erinnerung, zur Göttin der Dichtkunst gemacht. Erinnerung zieht natürlich weg von der Aktualität. Wenn dennoch die Gewalt so sehr ins Zentrum auch der gesellschaftlichen Ereignisse rückt, wie das in diesen Jahren der Fall ist, so ist es natürlich für mich nicht zufällig, dass ich die Geschichte hier nun ansiedle im Spannungsfeld der Fremdenfeindlichkeit, Gewalt gegen Fremde, wiederum der Gewalt von Mann gegen Frau. Ich beziehe diese Ereignisse eigentlich nur sehr am Rand ein. Ich spiele an auf ganz konkrete Überfälle auf Asylantenheime. […] Im übrigen: Auch hier ist letzten Endes Erinnerung der Stoff, aus dem die Erzählung besteht. 11

Den Bezug auf die Ereignisse des Jahres 1989 in der Schweiz erkennt man u. a. an der ausdrücklichen Benennung der Nationalen Aktion und der Patriotischen Front12 sowie an dem in der Erzählung geschilderten Brandanschlag auf eine Unterkunft für tamilische Flüchtlinge, womit offensichtlich der Brandanschlag in Chur gemeint ist, bei dem vier Tamilen, darunter zwei Kinder, ums Leben kamen. Zwar vermutete man schon kurz nach der Tat eine Brandstiftung durch eine rechtsradikale Gruppe, doch zwei Jahre später wurde die Ermittlung eingestellt.13 Die Gefährlichkeit und die blinde Wut derartiger fremdenfeindlicher Aktionen erschütterte offensichtlich den immer politisch sehr engagierten, für wichtige gesellschaftliche Probleme höchst interessierten Schriftsteller Otto F. Walter, so dass er sich geradezu herausgefordert fühlte, das heikle Problem des Rechtsextremismus tiefer zu ergründen. Doch – obwohl die Erzählung so unmissverständlich auf aktuelle Ereignisse anspielt – geht es darin um weit mehr als die sozialpsychologisch zu ergründende Fremdenfeindlichkeit. Ins Zentrum der Erzählung rückte nämlich der Schriftsteller die universelle Frage „nach den Ursprüngen der Gewalt“14, danach, wie man zum Mitläufer, zum Gewalttäter oder zum Mörder wird. Zugleich suchte er – wie immer – nach einer adäquaten Form, um das von ihm behandelte Problem entsprechend hervorzuheben. So entstand Die verlorene Geschichte als das letzte Prosawerk Otto F. Walters, das zweifelsohne zu den gewagtesten in seinem von diversen formalen Experimenten geprägten Oeuvre gehört.

Widerstand leisten: Otto F. Walter als ein politisch engagierter, führender Experimentator der Deutschschweizer Gegenwartsliteratur

Otto F. Walter (1928-1994) bezog zeitlebens sowohl als Mensch als auch als Schriftsteller eine entschieden politische Position und machte Literatur zum Träger seiner politischen Grundsätze, so dass seine Werke jeweils Zeugnis von seinen Überzeugungen und Aktivitäten geben. Er stellte sich bewusst in eine aufklärerisch-republikanische Tradition und übte Kapitalismus- und Patriarchatskritik, er setzte sich für Humanität, für Menschenrechte und Menschenwürde ein und widersetzte sich der Gewalt in jeglicher Form, er wirkte aktiv bei der Unterstützung der Selbstverwaltung in der Schweiz, bei der Öko- und Friedensbewegung sowie bei der autonomistischen Jugend und bei verschiedenen Fraueninitiativen und er förderte schließlich auch eine moderne, fortschrittliche und engagierte Schweizer Literatur, indem er 1970 einer der Mitbegründer der ‚Gruppe Olten‘ war und acht Jahre später zusammen mit Rolf Niederhausen die Entstehung des Vereins ‚Solothurner Literaturtage‘15 initiierte. Im Hinblick auf sein Schreiben bekannte er 1988:

Ich bin jetzt alt genug, um zu wissen, dass ich viele neue Abschnitte nicht mehr vor mir habe. Dass Schreiben an den Punkt kommt, wo es existenziell wird, wo es den Einsatz der ganzen Person verlangt. Und auch das wohl, auch das: Dass Menschenwerdung oder also Humanität und Menschenwürde in dieser Zeit nicht zu haben sind, ohne dass wir Widerstand leisten. Widerstand im Fühlen, Denken, Tun. Auch in der Sprache; auch in der Sprache der Literatur.16

So versuchte Walter zeitlebens, gegen Gleichgültigkeit und Gewalt Widerstand zu leisten und für humanistische Werte einzutreten, was all seine Werke bezeugen.17 Bereits in seinem Debütroman Der Stumme (1959), der – gegenüber dem Schaffen von Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt – zum Manifest der Präsenz einer jungen Schriftstellergeneration in der Deutschschweizer Gegenwartsliteratur deklariert wurde18, sowie in dem bald danach folgenden Roman Herr Tourel (1962) thematisierte der Schriftsteller die Unzulänglichkeiten menschlicher Wahrnehmung und Kommunikation sowie die Folgen der Gewalt im familiären Kreis und die gesellschaftliche Gleichgültigkeit den Betroffenen gegenüber. In den weiteren Werken Die ersten Unruhen. Ein Konzept (1972), Die Verwilderung (1977), Wie wird Beton zu Gras (1979), Das Staunen der Schlafwandler am Ende der Nacht (1983) und Zeit des Fasans (1988) diskutierte er eine Vielzahl ,engagierter‘ Themen, und zwar Demokratie, utopische Weltkonzepte, Patriarchat und Feminismus, Umweltverschmutzung, gesellschaftliches Handeln oder die dubiose jüngste Geschichte seines Heimatlands und dessen Verhalten im Zweiten Weltkrieg. Daher wurde Otto F. Walter von der Literaturkritik vornehmlich als politisch und gesellschaftlich engagierter Schriftsteller identifiziert. Jedoch eine solche – rein thematische – Wahrnehmung seiner Werke verkürzt ungerechterweise ihre Rezeption um nicht weniger wichtige Aspekte, nämlich um die Experimentierfreude des Autors mit der Sprache, mit dem Personalpronomen oder mit der komplizierten, vielschichtigen Form der Werke, die ihnen „Vieldeutigkeit und Offenheit“19 verleiht. Zu beachten ist außerdem, dass Walters Erzähler nie allgemeinverbindliche Wahrheiten agitatorisch verkünden: Die Gesellschaftsanalyse vollzieht sich in seinen Texten „in erster Linie auf der sprachlichen Ebene, zwischenmenschliche Kommunikation bleibt oft rudimentär“20. So bekannte der Schriftsteller selbst:

Ich fasste Literatur immer auf als eine weiter zu entwickelnde Ausdrucksmöglichkeit. Anders gesagt: Wenn ich Brüche, wenn ich Revolten, in welcher Weise jetzt auch immer, darstellte – das steht immer irgendwo im Zentrum dessen, was ich schreibe –, dann versuchte ich, diesen Bruch mit der bürgerlichen Umwelt und der Konvention auch des Romans in formaler Weise zu signalisieren.21

Es ist also für Walter durchaus charakteristisch, dass jedes seiner Werke einem anderen literarischen Konzept verpflichtet bleibt, wobei die Folge seiner Romane eine kontinuierliche Weiterentwicklung erkennen lässt: In jedem nächsten Werk geht er einen Schritt weiter, führt die bereits ermittelten literarischen Lösungen in unterschiedlicher Handhabung fort, variiert sie, bereichert um neue Aspekte und gewinnt ihnen immer neue Möglichkeiten ab. In deutlicher Abwendung vom traditionellen Erzählen und in auffälliger Affinität zum nouveau roman entwickelte somit der Schriftsteller innovative, souveräne Erzählverfahren, die in verschiedenen Varianten die Vereinsamung, die existenzielle Verunsicherung und Verlorenheit des modernen Menschen thematisieren, und zwar: die fragende Du- und die kollektive Wir-Form, den unzuverlässigen Ich-Erzähler oder den verunsicherten Er-Erzähler. Eine zunehmende Gewichtung bekamen in seinen Werken auch solche Aspekte, wie: die Verfremdung der Erzähltradition, Autoreflexivität, Problematisierung des Erzähl- und des Leseaktes sowie eine weit ausgebaute Intertextualität. All diese Maßnahmen dienten dem Autor vornehmlich dazu, die Realismus-Illusion zu brechen und die Künstlichkeit des literarischen Textes hervorzuheben, um auf diese Weise den Modell-Charakter des Geschilderten hervorzuheben und es damit zugleich auf verschiedene Deutungsmöglichkeiten zu öffnen.

Ein völlig neues, absolut radikales und geradezu überraschendes Erzählexperiment wurde Otto F. Walters letzte Erzählung mit dem anscheinend anspruchslosen Titel Die verlorene Geschichte, in der der Autor den gewagten Versuch unternommen hat, Sprachlosigkeit in Sprache auszudrücken. Dem Protagonisten seiner Erzählung, der größte Schwierigkeiten mit der Kommunikation mit seiner Umgebung hat, gab er den Namen Polo Ferro, womit er deutlich an seinen Erstlingsroman Der Stumme anknüpfte, in dessen Zentrum wiederum Lothar Ferro steht, der in der Kindheit zum Zeugen der Misshandlung seiner Mutter durch den Vater wurde und in Folge dessen die Sprache verloren hat. Sowohl der Nachname Ferro als auch die Herkunft und das soziale Umfeld, aber auch das Thema der Gewalt und der Sprachlosigkeit lassen somit Polo Ferro als einen ‚Verwandten‘ des Protagonisten des ersten Romans von Walter erscheinen. Den Namen Ferro tragen allerdings noch zwei andere Gestalten aus den Werken des Schriftstellers: Beth Ferro heißt zunächst in Herr Tourel die Frau, die von Tourel geschwängert und verlassen wurde und dann an der Geburt des Kindes starb. In ihrem Namen spricht im Roman der wahnsinnige und von keinem verstandene Mohn, der wie Polo eine Figur der Unterschicht ist, zur Aggressivität neigt und Probleme mit der Selbstartikulation hat, so dass seine Monologe in einem schwer verständlichen, assoziativen und interpunktionslosen Stil verfasst sind. Barbara Ferro heißt schließlich noch die sagenumwobene Kioskverkäuferin, die einzige individuelle Gestalt in dem in der Wir-Form verfassten „Konzept“ Walters Die ersten Unruhen, die infolge einer kollektiven Hetzjagd am Vorabend der Wahlen ermordet wird. Es lässt sich somit feststellen, dass bei Otto F. Walter den Namen Ferro schon immer Figuren getragen haben, die – in welcher Weise auch immer – stumm bleiben und ihrer Umwelt zum Opfer fallen. Mit diesem Namen kennzeichnete nämlich der Schriftsteller seit jeher jene „ungezählten Zerstörten, Verstörten, Versteinerten,
Verstummten“22, denen er mit seinen Büchern „ihre Sprache“ geliehen hat und „deren Verelendung im Wohlstand“ er zu artikulieren suchte.

In einem Aufsatz berichtete der Schriftsteller von seiner Arbeit an der Erzählung Die verlorene Geschichte und verglich sie mit jener eines Komponisten oder Musikers, der nach den Tönen sucht, um aus dem Unterbewusstsein jene Musik hervorzubringen, die sein „inneres Ohr“23 vernimmt. Zunächst suchte er lange nach dem entsprechenden Ton und erst als er über die Hälfte der Erzählung in einem eher gewöhnlichen Sprachduktus geschrieben hatte, fand er den besonderen „Sound“24, der gerade dieses Buch so einzigartig erscheinen lässt. Auffällig ist an dieser neuen Sprache zuallererst, dass sie gegen die grammatischen Normen verstößt, indem sie bewusst unterschiedliche Sprachfehler und helvetisch klingende Neologismen aufweist und sich vor allem vieler Wiederholungen bedient. Der einerseits in Satzfetzen zerstückelte und andererseits geradezu gewaltige Redefluss, der in weit ausgebauten, kommalosen Riesensätzen daherkommt, wurde von dem Autor entsprechend rhythmisiert, was sich bereits in dem ersten Abschnitt der Erzählung offenbart:

Aber wassoll einer. Wassoll da einer wie Polo. Wassoll einer in solch einer Stadt in solch einer Geschichte wassoll Polo damit nur immer allein. Das kommt von fern kommt ihm von fern heran mit dem Geruch von Schmieröl oder der Bremsenkessel unter den Pferdeköpfen die hängen so im Rauch von Teer im heißen Sommertag? Von fern von Welschenrohr her nachts hinter der Wand das Schnaufen der Kuh das Schnaufen und du bist aufgefahren im Traum im Großmutterhaus das ist das Schaben des Horns der Kuh am Balken hinter der Wand und draußen in der Nacht das Quellwasser aus der Röhre das plätscherte so das machte so schlapprig so wärmiglich wassoll da einer wie Polo. Was hat er in sich doch nur Fetzen von Leben von frücher und diese Sehnsüchtigkeit? Und Hunger wonach? Doch unruhig eines Menschen Herz gerempelt schon ziemlich schwer und zuviel Kraft in den Händen? Mit diesem Sichhassenmüssen sich dadrin? Wassoll einer wie Polo in solch einer Stadt wo doch gnadenloshaftig seine Geschichte ihm undurchscheinbar da kann er sich noch so in seinem Kopf wie er will? Bleibt doch mit seinen Fetzen von Geschichten und wo die Sprache? Und manchmal da drin doch diese Angst vorm Nurnochzuschlagenmüssen und diese Angst. Hier. Tief unten. (VG 7–8)

So erschuf Otto F. Walter eine neue Sprache und eigentlich eine ‚Un-Sprache‘, die aber trotz deutlicher Verstöße gegen die Grammatik und die Syntax verständlich bleibt, und die in der Erzählung die Funktion hat, der Sprachlosigkeit des Protagonisten Ausdruck zu verleihen, sein Unvermögen, sich anderen mitzuteilen, in der Sprache sinnbildlich wiederzugeben. Der Verstoß gegen die sprachlichen Regeln war dabei dermaßen radikal, dass der Autor deswegen Gewissensbisse hatte und – wie er davon in seinem Aufsatz scherzhaft berichtete – sogar von „Angstträumen“25 gequält wurde, in denen er als Angeklagter vor einem Sprachgericht stand. Trotz dieser Bedenken war er sich aber bewusst, dass das gewagte Grundthema seiner Erzählung nach einer ebenso gewagten Form verlangt, auch wenn dies bedeuten sollte, dass durch die ungewöhnliche Sprache potenzielle Leser abgeschreckt werden könnten. Seine neugefundene Sprache erläuterte der Autor selbst folgendermaßen:

In der für mich neuen Sprache steckte von Anfang an ein Element deutlicher Rhythmisierung (durch Wiederholung). Ich empfand nun geradezu Lust, in diese Sprache des sprachlosen Polo hinein Wörter zu erfinden – war es Polo, der sie erfand? – oder auch – mit viel Vorsicht in der Dosierung – sowohl deutlich erkennbare Sprachfehler wie auch muttersprachliche Ausdrücke und Helvetismen hineinzuverweben (hingegen vermied ich sorgfältig Jargon und Szenen-Sprache als zu realistisch). […] Wer Die verlorene Geschichte liest, kann unschwer feststellen, die formalen Elemente, aus denen die Sprache der Erzählung besteht, stellen in ihrer Summe einen tiefgreifenden Verstoss dar gegen die Regeln der Grammatik, der Syntax, ja gegen alles, was wir als „gutes Deutsch“ zu empfinden und zu schreiben gelernt haben. Indem ich schreibend gegen diese Regeln verstiess, machte ich mich offensichtlich schuldig vor einer in mir wirkenden Instanz. […] Selbstverständlich ist auch mir bewusst: die Tatsache, dass die Sprache – anders etwa als die Welt der Töne oder jene der Bildzeichen – sich nicht frei verändern lässt, dass sie auch im Deutschen an relativ strenge Regeln gebunden ist, das alles hat seine guten Gründe. Ohne Übereinkünfte ist Sprache als Verständigungsmittel nicht denkbar. Wer diese Codes verändert, etwa zum Zweck literarischer Formgebung, geht das Risiko ein, diese Regelverstösse vor dem (inneren) Sprachtribunal verantworten zu müssen. Ich denke, solches experimentelles Arbeiten in der Sprache ist gerechtfertigt dann, wenn das, was da ausgedrückt, erzählt, geformt wird, anders nicht zu erzählen wäre. Das Ergebnis entscheidet.26

Der rhythmisierte ,Sound‘ dieses gleichermaßen künstlichen wie künstlerischen Sprachgebildes wurde demzufolge von dem Autor wie ein Musikstück strengstens komponiert: neben zahlreichen Wiederholungen verschiedener Art sowie einer Vielzahl von Helvetismen und Neologismen kommen darin auch viele andere stilistische Mittel vor, darunter insbesondere Anaphern, Epanalepsen, Pleonasmen und vor allem Alliterationen sowie verschiedene Stufenfolgen, Parallelismen, Abwandlungen oder Wortumstellungen.27

Otto F. Walter schuf somit in der Verlorenen Geschichte eine der komplizierten Problematik dieser Erzählung adäquate, anspruchsvolle Sprache, die einerseits Polos Bewusstseinszustände überzeugend wiedergibt und andererseits den künstlichen Charakter der Erzählung entsprechend hervorhebt. Diese Sprache zwingt aber den Leser zur größten Aufmerksamkeit und zur Mitarbeit am Text, denn in der Erzählung wird das Geschehen nicht als Ganzes dargeboten, sondern es muss sich erst allmählich aus scheinbar isolierten Gedankenfetzen herauskristallisieren – die im Titel benannte ,verlorene Geschichte‘ muss also erst aus ihren Trümmern rekonstruiert werden. Die Verknüpfung und Radikalisierung verschiedener experimenteller Erzählverfahren aus den früheren Werken des Schriftstellers führte somit zur Ausarbeitung einer völlig neuen Erzählweise und Sprache, die den Sprachverlust des Protagonisten nicht nur thematisiert, sondern ihn geradezu selbst erleidet.

Gewalt als das Grundthema
der Verlorenen Geschichte

Die Erzählung Die verlorene Geschichte greift wichtige, aktuelle Themen auf: die Unzulänglichkeiten der Sprache und Probleme bei zwischenmenschlicher Kommunikation, die wirtschaftliche Misere und die Arbeitslosigkeit, das Unberechenbare des Mannes gegenüber der Frau und den sexuellen Missbrauch von Frauen aus der sogenannten Dritten Welt, die Aggressivität des kleinbürgerlichen, schematischen Denkens und die Ausländerfeindlichkeit sowie vor allem Hass und Gewalt, die unterschiedliche Formen annehmen. Diese Themen tauchen bereits in den früheren Werken von Otto F. Walter auf, indem aber der Schriftsteller sie mit den sich gegen Ende der 1980er Jahre verbreitenden fremdenfeindlichen Hetzreden und gewaltsamen Aktionen der rechtsradikalen Kreise verknüpfte, verschärfte er die Aussage seiner früheren Romane. In seiner Erzählung stellt er somit erneut die Frage nach den Formen und den Ursprüngen der Gewalt – diesen für sein Schaffen so charakteristischen Themenkomplex bezeichnete Walter selbst als das „Prinzip Herr-schaft“, wobei er bekannte, dass es auch ihn selbst in der Kindheit und in der Jugendzeit so stark geprägt hatte, dass er dem Thema der männlichen Gewalt einfach nicht ausweichen konnte:

Als männliches Wesen geboren in der Zeit der Wallstreet-Panik, der Grossen Krise, von Hitlers und anderer Faschisten Hochrüstung, der Geistigen Landesverteidigung, der Kreuzzüge des christlichen Abendlands gegen den Bolschewismus, herangewachsen im Zweiten Weltkrieg und drüber hinaus und heranzivilisiert zu den klassischen (militärischen) Männertugenden – wie hätte ich da das Prinzip Herr-schaft nicht auch ganz und gar in mein Fühlen, in meine Phantasie, mein Denken und Träumen aufnehmen sollen und damit in mein späteres Schreiben, in meinen „Stil“? Wie wäre da möglich, dass in mir die männliche „Angst vor dem Fliessenden, dem Chaotischen“ nicht unbewusst fortwirkte bis heute? Ähnliche Zurichtungen halten sich hartnäckig selbst in den jüngsten Generationen, nicht wahr? Das Ringen um noch so viel Einsicht in die Männermuster, wird sie, die Muster, zwar relativieren step by step; ob es sie aufzuheben vermag schon innerhalb einer einzigen Lebensspanne scheint mir – nicht unerfahren in solchem Bemühen – eher zweifelhaft.28

Um der Frage nach den Ursprüngen der Gewalt nachzugehen, schildert Walter in der Erzählung Die verlorene Geschichte, deren Handlung sich auf wenige Tage erstreckt, den 28jährigen Polo Ferro und dessen Geschichte, die sich teilweise aus den Fetzen seines Bewusstseinsstroms rekonstruieren lässt. Polo, einst kantonaler Juniorenmeister im Boxen, der sich seine Karriere wegen eines Einbruchs verdorben hat, ist Eisenleger, aber wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten wird er entlassen und ist nun arbeitslos. Ab und zu trifft er sich mit seinen „Kameraden“ (VG 20), von denen viele in einer ähnlichen Situation sind wie er, oder er kurvt mit seinem Motorrad, seiner „Yäme“ (VG 14), nachts durch die Stadt, um so den Überschuss an Kräften los zu werden – da fühlt er sich sicher und bei sich. Er stellt sich vor, ein großer Held und der starke Mann zu sein – wie sein Idol, der Kinoheld Sergeant Dolby aus New York, denn dieser „schießtsäubert im Zorn noch immer die Gegend säubert das Ungeziefer der schwulen Mafiosi weg einfach weg“ (VG 78) und „erklärt diese blonde Frau steht unter meinem persönlichen Schutz“ (VG 50). Manchmal hat Polo das „Dolbyseingefühl“ (VG 52) und kommt da so „dolbyhaft“ (VG 45) in die „Rächer-schafft-Ordnung-Stimmung“ oder die „Auf-eigene-Faust-Stimmung“ (VG 22). Doch immer wieder befallen ihn Bilder von früher her, Bruchstücke seiner Kindheit in Welschenrohr, dumpfe Erinnerungsfetzen aus seinem Unterbewusstsein, Erlebnisse, die unbewusst bleiben, weil sie nicht zur Sprache kommen. Polo sehnt sich zwar nach jemandes Nähe, nach jemandem, dem er sich anvertrauen könnte, doch er bleibt ein einsamer Einzelgänger, dem es unmöglich ist, sich anderen mitzuteilen. Er leidet unter diesem Mitteilungsbedürfnis, denn er möchte so gern von sich erzählen, von seiner Kindheit in Welschenrohr, jedoch keiner will ihm zuhören: „Das hätte Polo gewollt dass jemand da dass jemand ihm gegenübersitzt und hört zu. Dass jemand da und hört zu und fragt nach.“ (VG 13) Auch bei Frauen hat Polo kein Glück: weder bei Manuela noch bei deren Schwester, Billie, die, nachdem er sie vergewaltigt hat, weil sie infolge einer früheren Vergewaltigung sich ihm körperlich verweigerte, in psychiatrischer Klinik weilt. Seine Schwierigkeiten bei Frauen führen ihn zu Prostituierten und so begegnet er eines Nachts, auf der Suche nach der Prostituierten Elsa, einer Thailänderin, die er in seine Wohnung mitnimmt, um sie vor ihrem brutalen Zuhälter zu schützen. Da kommt es auch zu einer gewissen emotionalen und körperlichen Annäherung zwischen den beiden, aber Polo hat Angst, dass seine rechtsradikalen Bekannten erfahren könnten, dass sich bei ihm eine Ausländerin mit „Schlitzaugen“ (VG 48) aufhält, daher verbietet er ihr, die Wohnung zu verlassen, und schlägt sie, sobald sie gegen sein Verbot verstößt, um für ihn Blumen zu pflücken. Da aber gerade Palmsonntag ist, nimmt Polo seine „Thai“ (VG 49) zu einem Picknick an die Aare. Dort erwürgt er sie, ohne Grund, doch wie unter einem inneren Zwang.

Die Geschichte Polos, dieses schweigsamen Einzelgängers, der unfähig ist, von seinen Gefühlen zu sprechen, wird in einer sonderbaren Form erzählt: in einer Mischung aus erlebter Rede, Bewusstseinsstrom und innerem Monolog29 und in der Verknüpfung auktorialen und personalen Erzählens. Es ist also eine Erzählform, in der die assoziative, bruchstückhafte, chaotische Art des Denkens und Fühlens des Protagonisten überzeugend ihren Niederschlag findet. Einerseits lässt somit der Erzähler, der sich dicht neben seine Figur postiert und alles aus deren Blickwinkel schildert, den Leser die verschiedenen Defizite Polos unmittelbar miterleben, andererseits schafft er aber zwischen Leser und Figur eine Distanz, indem er Polo nicht selbst reden lässt, sondern dessen Bewusstseinsstrom nacherzählt. Dies bedeutet aber, dass er ständig eine Balance zwischen Anteilnahme und Distanz halten muss, wovon der Autor wie folgt berichtete:

[…] paradox – ich musste ja gleichzeitig von ihnen und von außen her arbeiten – gleichzeitig Identifikation und jene Distanz, die dem Kunstverstand ermöglicht, diese Kunstfigur und Kunstsprache kontrollierend zu produzieren.30

Die Vermischung der Innen- und der Außensicht, in der Polos extreme Bewusstseinszustände, seine Verzweiflung, seine Ängste, sein Ausgeliefert-Sein, rudimentär skizziert werden, kann als ein Versuch des Autors gedeutet werden, diesen Menschen zu erkunden und ihn zu verstehen, ihn jedoch weder zu verurteilen noch ihm zu verzeihen. Dass der Autor aber zwischen Leser und Figur einen Er-Erzähler schiebt, bedeutet zugleich, dass er auf Distanz bedacht war, um bei seinen Lesern kein allzu großes Mitleid mit dem Protagonisten zu wecken. Diese Beobachtung bestätigen neun kurze Passagen, die im Text durch Einrückung hervorgehoben wurden und daher die Vermutung nahe legen, dass es sich dabei um Stellen von besonderer Bedeutung handeln muss. Es sind subjektlose Satzfetzen ohne Anfang und Abschluss, in denen Polos Erinnerungen an die Kindheit (vgl. VG 51f.) oder seine Gefühle zum Ausdruck kommen, wie etwa in einer durch seinen Eisenleger-Beruf verriegelten Welt zu leben (vgl. VG 18), immer allein und einsam zu sein (vgl. VG 27), unfähig zu sein, sich zu erinnern (vgl. VG 38), sich selbst fremd zu sein (vgl. VG 62) oder keinen Boden unter den Füssen zu haben (vgl. VG 70). Schließlich wird in einer dieser neun eingerückten Passagen auch Polos ‚verlorene Geschichte‘ thematisiert:

etwas verloren. Etwas unterwegs verloren. Unterwegs durch die Jahre. Von fern her. So wie ein Stück. Von bei ihnen hinten. So wie ein Teil von. Verloren vergessen. Von ihm ein Teil. Unterwegs irgendwo. Da war doch. Sich erinnern. Irgendwo durch die Jahre herauf. Irgendwann verloren vergessen. Im Nebel. Was nur. Dawar doch. Wie so nur ein Gefühl von. Von verloren. Abhanden ihm abhanden. So wie verschüttet. Von überlagert von. Von Zentnern von Zeit. Von Jahren. Irgendwann. Hinter Nebel. Da war doch noch. Aber verloren. Etwas von ihm. Alt. Uralt. Überlagert. Ein Stück von. So wie November. Wie eine Geschichte hinter Nebeln. Hinter Jahren. Darunter (VG 91f.)

In diesen Passagen wird das Personalpronomen und damit das Subjekt sorgfältig ausgespart, doch die viel stärkere Fragmentarisierung der Sätze als sonst suggeriert, dass es sich dabei um eine direkte Wiedergabe von Polos Innerem, also um seinen inneren Monolog handelt. Doch auf einmal taucht in einer dieser Passagen überraschenderweise nicht das zu erwartende Ich-, sondern das Er-Pronomen auf:

oder manchmal wie fremdlich. Er selber sich. Er selber diese Füße dieser Leib Kopf. Fremdmäßig. Manchmal so irgendwie er sich. Er selber. […] Fremdhaftig. Fremdiglich oder irgendwie so wie eine Fremdigkeit. Er sich. Manchmal. (VG 62)

Dass hier die Er-Form vorkommt, scheint durchaus begründet zu sein, denn das Er-Pronomen signalisiert Polos Selbstentfremdungsgefühl. Diese Er-Form bedeutet aber zugleich, dass es sich bei diesen hervorgehobenen Passagen um den indirekten inneren Monolog31 handelt, während die eigentliche Erzählung eher in einer Mischung von erlebter Rede und Erzählerbericht dargeboten wird. In der erlebten Rede gibt nämlich der Erzähler die Worte der Figur wieder, behält deren Perspektive und Gemütslage bei, doch gleichzeitig benutzt er die Er-Form, an der auch die Mittelbarkeit des Geschilderten zu erkennen ist. Beim indirekten inneren Monolog, der rein äußerlich gesehen mit der erlebten Rede fast identisch erscheint, dominiert indes die Figurenperspektive, doch durch den Verzicht auf das Ich-Pronomen wirkt diese Form distanzbildend und objektivierend. Dass sich also der Autor der Verlorenen Geschichte in den eingerückten Passagen der Erzählung für die Form des indirekten inneren Monologs entschieden hat, bezeugt um so deutlicher, wie wichtig es ihm war, trotz der größtmöglichen Nähe zur Figur zwischen ihr und dem Leser eine Distanz aufrechtzuerhalten.

Polos innere Welt, der sich der Erzähler maximal nähert, während er sich gleichzeitig um Distanz bemüht, ließe sich kaum in einer konventionellen Sprache darstellen. Daher musste sich der Autor eine besondere Sprache einfallen lassen, die der möglichen Sprache des Protagonisten angepasst und zugleich nicht seine eigene wäre, weil ihm ja die Sprache abhanden gekommen ist. Polos Sprachunfähigkeit gibt er somit mit einem Kunstgriff wieder, mit einer künstlichen ‚Un-Sprache‘, in der sich einerseits Polos Inneres, seine Träume und Hoffnungen, sein Bedürfnis nach Liebe, aber auch seine Gewalttätigkeit spiegeln und die andererseits als ein ausgedachtes, konstruiertes Gebilde zu erkennen ist, was – ähnlich wie die zahlreichen intertextuellen Bezüge dieser Erzählung32 – wiederum eine verfremdende Funktion hat. Dabei knüpfte der Autor mit dieser verstümmelten, zertrümmerten ‚Un-Sprache‘, in der die Zerstörung des Ganzen spürbar gemacht wird, wie auch mit einigen Motiven der Verlorenen Geschichte nicht zufällig an eine andere literarische Figur an – an Büchners Woyzeck, der wie Polo in seiner existenziellen Verlorenheit glaubte, seine Geliebte töten zu müssen. In diesem Zusammenhang verweist somit Walter Hinck zurecht darauf, dass sich in der von Walter erfundenen Sprache genauso wie bei Büchner die „mangelnde oder misslingende Sozialisation“33 des Protagonisten spiegelt:

Die Sprache ist das eigentliche Ereignis dieser Erzählung. Was im 19. Jahrhundert Georg Büchner begann: die Sprache zur unmittelbaren Gebärde ungeordneter Vorstellungen des Geistes und verworrener Empfindungen der Seele werden zu lassen, setzt Walter hier fort. Insofern ist sein Polo eine Gestalt aus dem Geschlecht des Woyzeck (und der Lenz-Figur Büchners). Die Sprache wird zum Seismographen der Bewegungen des Innern. Sie ist Abdruck und Ausdruck von Polos Unvermögen, sich in der heutigen Gesellschaft und in den zwischenmenschlichen Beziehungen zurechtzufinden. 34

Wie Büchner versuchte also auch Otto F. Walter, in der Sprache Polos dessen Bewusstsein abzubilden und dessen innere Zustände zu erhellen. Er verzichtete daher auf die Gliederung der Sätze durch Kommata und beinahe auf jede syntaktische Gestaltung, baute in seine erdachte Sprache bewusst Fehler ein und schrieb Sätze, die immer aufs Neue ansetzen und an kein Ende kommen, die sich im Kreis drehen und daher Polo eigen sein könnten. Aus einem Gemisch verschiedener Sprachstile entstand eine durchaus kreative Sprache mit zahlreichen Anklängen an die Mundart (z.B.: „frücher“, VG 7; „Höche“, VG 45; „Zmorgen“, VG 56; „Längizyt“, VG 96) und einer Vielzahl von Neubildungen. Diese schöpferischen Neubildungen scheinen dabei vor allem die Funktion zu haben, Polos Gedankenwirrwarr adäquat wiederzugeben, was etwa folgende Beispiele belegen: „schlapprig“, „wärmiglich“ (VG 7), „Hickhackrigkeit im Kopf“ (VG 36), „verlorenhaftig“ (VG 39), „verwirrlicht verschrecklicht“ (VG 102), „verwirriglich“, „so schlafflich so döselig“ (VG 99), oder: „Ichgehwiederfort gehwiederfort so singsanghaftig“ (VG 9), „dieses Prrrgefühl dieses Amarschseingefühl“ (VG 36), „dieses ein wenig verzwickerlichte Gefühl ein wenig anspannungshaft ängstiglich“ (VG 46), „eine solche Zärtlichzartigkeit wenn er ganz klickrig denkt dadrin oder schlaffrig zwar aber zipprig“ (VG 100), „Waswenn. Waswennwiewo. Waswiewannwohin. Waswerwennwiewowieso“ (VG 31). Diese verschiedenen Wortgebilde sind immer so konstruiert, dass sie jedem verständlich sein können, unabhängig davon, ob sie klanglich die Mundart nachahmen oder durch die Verknüpfung verschiedener normalsprachlicher Ausdrücke nuancenreich einen komplizierteren Sachverhalt beziehungsweise Bewusstseinszustand zu erfassen suchen. So ist Urs Allemann in seinem Zeitungsbriefwechsel mit dem Autor der Verlorenen Geschichte einer dieser Neubildungen genauer nachgegangen und so hat er auf eine beeindruckende Weise ihre verschiedenen Bedeutungsnuancen entziffert. In dem bruchstückhaften Satz „wo doch gnadenloshaftig seine Geschichte ihm undurchscheinbar“ (VG 7) hat er sich auf den Ausdruck „undurchscheinbar“ konzentriert, der noch zweimal an entscheidenden Stellen des Erzählung auftaucht, und ihn als einen „aus mehreren ,richtigen‘ Wörtern kunstvoll ,falsch‘ verdichteten Neologismus“35 und zugleich als einen Schlüsselbegriff der Erzählung interpretiert. Ihm zufolge weist also dieser Ausdruck zum einen darauf hin, dass für Polo „seine eigene Lebensgeschichte und die gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen er lebt […], undurchschaubar“ geworden seien. Zum anderen sei aber mit diesem Ausdruck auch das mangelnde Durchscheinen von Polos Vergangenheit gemeint, d. h., es leuchteten ihm zwar seine Kindheitserlebnisse bruchstückhaft immer wieder im Kopf auf, doch zugleich seien sie zu „fetzenhaft“, „als dass die verlorene, die ihm abhanden gekommene (und aber als fremde, als abgespaltene mitgeschleppte) uralte Geschichte durchscheinen, hindurchleuchten könnte durch den Nebel, der sie alleweil überlagert ,da drin‘“. Ferner stecke in dieser Neubildung auch die Bedeutung von „unscheinbar“ – im Sinne, dass Polo dazu verurteilt sei, „einer zu sein, der für andere nicht zu sein scheint“. „Schließlich und nicht zuletzt“ weist Allemann zufolge jener Ausdruck auch darauf hin, „dass für Polo alles auf undurchdringliche Weise bloß scheinbar, scheinhaft ist: daher dieses Gefühl von Derealisierung (,und manchmal so wie kein Boden mehr‘); dieses Gefühl von ,einsinken, wegsinken‘“. So sind nach Allemann die „vier in der ,Undurchscheinbarkeit‘ zusammenwirkenden Faktoren […] je für sich und erst recht im Verbund, mächtige Beförderer der Gewalt“, und daher sind in diesem künstlichen Begriff in aller Kürze auch Polos verschiedene Existenzprobleme verschlüsselt.

Die „Rächer-schafft-Ordnung-Stimmung“:
Die Hassreden und die fremdenfeindlichen
Aktionen der Rechtsextremisten

Der arbeitslose, von niemandem verstandene, für sein verpfuschtes Leben von Rachegefühlen geplagte und von der „Rächer-schafft-Ordnung-Stimmung“ (VG 22) geleitete Polo Ferro muss freilich seine Frustrationen abreagieren. Dies tut er im Kreis seiner „Kameraden“ (VG 20), die ähnliche Probleme wie er haben. Nur unter ihnen genießt er einigermaßen die Anerkennung, da er ja Mitglied der Nationalen Aktion war. So plant er zusammen mit ihnen, eine lokale Sektion der Patriotischen Front aufzubauen:

Das ist ja wahr, daß Polo zum Kern gehört. Daß Polo schließlich ein Ehemaliger der NA wo die noch. Daß Kuhn zu Polo sagte komm auch. Daß da im Säli hinten im Baleares diese paar Kameraden zusammen. Daß Marti jetzt schlagen wir neue Töne an sagte. (VG 19-20)

Polo ist zwar bei den Zusammenkünften in der Kneipe meistens dabei, doch auch hier kommt er sich fremd vor, daher sucht er mehrmals nach Ausreden, um an den Aktionen seiner „Kameraden“ nicht teilzunehmen. Aber diese reden auf ihn ein: „warum bist du nicht ins Baleares gekommen […] gehörst doch zum Kern oder nicht“ (VG 19), und unter ihnen ist er wenigstens nicht allein. Zusammen mit ihnen kann er doch immer wieder ein paar nächtliche Stunden verbringen und so stellt sich dann bei ihm nach ein paar Glas Bier das Gefühl der Zugehörigkeit ein:

Dann immer später und lauter. Dann immer lustiger und noch ein Glas und Polo singt mit und kommt wieder langsam in Stimmung und dieses Durcheinander im Kopf oder so fast wie neblig. Dann wieder was ist eigentlich warum eigentlich hier und dann dieses Zusammen Gefühl so wie zusammen. (VG 81)

So gibt es in der Erzählung mehrere Szenen, die Polo im Kreis seiner „Kameraden“ schildern: Die Angst um den Arbeitsplatz und die alltäglichen Frustrationen lassen diese gesellschaftlich Ausrangierten die Ursachen für ihr misslungenes Leben bei den Flüchtlingen suchen. Daher treiben sie sich immer wieder nachts in der Umgebung herum, um „Tamilen [zu] hacken“ (VG 21) und organisieren eine „Warnaktion wie im Luzernischen oder Chur oder Steinhausen“, indem sie in einer Nacht vor der Asylantenbaracke ein „Warnfeuer“ anzünden:

Um halb eins waren sie gestartet. Aber nicht in Kolonne fahren. Wenn Giorgio die drei Motorräder einzeln voraus sagt und Kuhn Lieferwagen mit fünf und Giorgio mit vier Mann hinterher Richtung Gaswerk hinunter. In einem der sieben Barackenfenster noch Licht und noch immer schnuppert Polo in die Zugluft da oben so eine Unruhigkeit noch immer so ein wenig klickrig im Kopf so überhaupt nicht überhaupt in Stimmung heut früh.
Wenn Giorgio noch immer redet von den Ästen vom Lattenzaun. Daß sie daraus vor der Barackentür ein mächtiges Feuer zuerst Benzin drüber und angezündet. Daß Kuhn mit der Spraydose auch herunterkommt. Und sind abgeschoben ins Dunkle. Daß noch von weitem die helle Farbe an der Barackenwand die Schweiz den Schweizern der Kampf hat begonnen Sieg Heil im Feuerschein noch von weitem. Und für die Zeitung von heute hats nicht gereicht aber morgen wirst sehen. (VG 21–22)

Auffällig an der Beschreibung dieser Aktion und der anderen ist es, dass Polo recht unwillig daran teilnimmt, dass er vor allem mitmacht, weil die anderen es von ihm erwarten. Ein solches Mitläufertum ist aber – wie man dies etwa aus den faschistischen Zeiten kennt – besonders gefährlich und es ist offensichtlich eine der wichtigsten Ursachen brutaler Aktionen der Rechtsradikalen, in denen sie – immer in der Gruppe – ihre Frustrationen abreagieren können. Denn Polo ist im Grunde genommen kein Gegner der Ausländer, schließlich hilft er ja einer thailändischen Frau, indem er sie zu sich mitnimmt, um sie zu schützen. Von Anfang an empfindet er auch ihr gegenüber eine unbestimmte Zärtlichkeit und sicherlich keine Abneigung gegen ihr Anderssein:

Oder wie diese Kälte kein Regen mehr aber Kälte. Wie diese Kleine diese Frau jetzt vor ihm wie die zittert in ihrer Lederjacke der langen. Und schluchzt und schluchzt. Oder sucht in den Taschen nach dem Nastuch herum sagt bitte und Polo sieht so verschwommen dieses Gesicht so ovalhaft und die hat doch nicht etwa Schlitz Augen wahrhaftig Schlitz Augen. Oder wie Polo nur schluckt nur nach der Adresse fragt Schlitzaugen das hat Polo noch nie so aus der Nähe gesehn und wie sie neinnein sagt wie sie nicht nachhause und wieder Philipp mich totschlagen und neinnein mit ihrer hochen Stimme nur nicht zur Polizei nur nicht und hat doch keine Papiere. (VG 48)

Polo nimmt also die Frau zu sich in die Wohnung und kümmert sich liebevoll um sie, denn abgesehen von den Gewaltaktionen der Rechtsradikalen ist er „eher gutmütig“36 und ratlos, wie ihn auch der Autor in seinem Zeitungsbriefwechsel mit Urs Allemann selber charakterisiert:

[…] mit ihm kann man reden – vorausgesetzt, er ist, wenn wir ihm begegnen, allein. Und das jetzt ist doch das Unheimliche: in der Gruppe, im Trupp, in seinem Männerbund wird er – wenn auch nur Mitläufer – zu einem von „denen“, vor denen Du ebenso Angst hast wie ich. Vor allem dann, wenn da ein Einheizer ist, einer der einer dumpfen multiplizierten Aggressivität der Gruppe ein Ziel gibt, und diesem Ziel einen Namen.37

Der Ursprung der Gewalttätigkeit Polos gegenüber Fremden ist somit in seiner Zugehörigkeit zu der Gruppe der Rechtsradikalen zu suchen, in deren Hetzreden gegen Flüchtlinge und deren Berufung auf den rassistischen, in ihrer Überzeugung ‚wahren Patriotismus ‘. Daher gibt Walter in seiner Erzählung solche Hetzreden der Rowdys gegen Ausländer wieder, er schildert das gefährliche Kneipen-Gebrülle von Polos Kameraden, das schließlich in Überfällen auf Ausländer und in Brandstiftungen mündet. Vor allem aber hebt er die gefährliche Kraft der ideologischen Einpeitscher hervor, zu deren Verkörperung Kuhn wird:

Daß Kuhn aufstand. Daß Kuhn die Schweiz den Schweizern daß Kuhn die Vorherrschaft sagte der Weißen Rasse jawohl. Daß wir die wahren Patrioten jawohl. Und daß Kuhn Polo angeschaut hat ist das nicht Notwehr. Daß wir zurückschlagen jetzt jawohl. Daß Kuhn Asylanten Vaganten ruft daß er ruft Asylanten raus. Daß diese Asiaten und Neger und Türkenpack uns die Steuergelder daß sie uns die Arbeit Wohnungen Frauen wegnehmen jawohl. Und vervögeln versauen unser Schweizer Blut jawohl. Und daß Kuhn Kameraden ruft daß Kuhn nur wer zur Leidenschaft fähig ist ruft wird zur Flamme und für Heimat und Volk. Im Säli hinten im Baleares. Zur Flamme und Leidenschaft. Und für Heimat und Volk. Daß ist ja wahr und daß Giorgio gehen wir in den Schärmen sagt und den Kranführer anschaut. (VG 20)

Eigentlich ist der Name Kuhn bereits aus den früheren Werken Otto F. Walters bekannt und wirkt daher wie eine Chiffre für „die Nazis, die Rechtsextremen, die Gegenfiguren“38 in seinen Büchern. Schon in der Verwilderung hieß so ein antikommunistischer Mob-Führer und in Zeit des Fasans der Gauleiter für die deutsche Schweiz, der Sepp – dem mit den Faschisten sympathisierenden Hausdiener des Winter-Clans – das Schießen beigebracht hat und den Mord an einem jüdischen Viehhändler organisierte. Solche Einpeitscher wie Kuhn kommen somit in allen Zeiten vor und sorgen für das Chaos und für Unruhen, sie stiften die anderen zu brutalen, menschenverachtenden Handlungen an. Um sich selbst wichtig und stark vorzukommen und zugleich den eigenen Hass und die eigene Gewalttätigkeit zu legitimieren, brauchen solche Einpeitscher ihre hörigen Anhänger – sie organisieren Gruppen und ‚klären‘ diese ideologisch auf, sie zeigen ihnen den ‚Feind‘, der für alle ihre Misserfolge schuldig erklärt wird, und drücken ihnen die Waffe in die Hand. Bei all dem schaffen sie aber den Anschein, dass sie einzig richtig und durchaus patriotisch handeln und dass bei ihnen alles demokratisch zugeht – wie etwa in der in der Erzählung wiedergegebenen Sitzung der Patriotischen Front:

Da sitzt dann den Hut schwarz auf dem Kopf sitzt einer unter den Kameraden am runden Tisch. Sitzt einer groß und mit solchen Händen und Kuhn und Giorgio schauen herüber. Schauen ihn an. Nur nicht an Thai nur nicht ihre Schlitz Augen denken und Schaad schaut herüber. Nur nicht was wird sie wohl fernsehen denken oder schläft oder putzt die Schränke heraus. Da sitzt Polo nur wie sonst wie als wär nichts von Thai bei ihm zuhause nur da wie sonst einen Schluck nehmen Prost Leute mitlachen mittrinken Spitze sagen. […] Dasitzen dazugehören wie sonst dazu. […] Bis noch die letzten zwei kommen und Kuhn fangen wir an sagt. Bis alle aufstehn bis alle mit der Flasche in der Hand ins Säli nach hinten. Bis Kuhn ans Glas klopft Sitzung eröffnet und Polo hat wieder das Wort generalstabsmäßig das Wort Aktionsbündnis um den Kopf das kommt in die Gedanken herein und werden die neuen Kameraden begrüßt. Oder Giorgio hat eine Frage wer eigentlich hier entscheidet wer dazugehört aber nichts gegen die Neuen nur als Frage. Dann wieder Gerede. Bis Kuhn dem Kameraden Giorgio verdankt für die Initiative und alle eingeladen am heutigen Abend teilzunehmen im Lokal von Giorgios Schwager Lamm am Spieß und das Bier von einem Kameraden gespendet. Wird unter Beifall verdankt.
Kamerad Schaad hat das Wort.
Bezüglich der heutigen Aktion und wird der Antrag verdankt.
Kamerad Marti hat das Wort.
Bezüglich des Zusatzantrags von Kamerad Marti und wird verdankt.
Wird sonst noch das Wort?
Wir kommen zur Abstimmung.
Wer den Antrag Schaad hebe die Hand. Wird einstimmig verdankt.
Wer den Zusatzantrag Marti hebe die Hand einstimmig und wird verdankt.
Und zu Verschiedenes einen Mann zur Verbindungsaufnahme zur Patriotischen Front zur Sitzung nach Steinhausen am Sechstenvierten. Unser Antrag auf Mitgliedschaft auf nationaler Ebene und Kuhn persönlich bereit. Wird einstimmig verdankt und Sitzung geschlossen.
Oder dann wieder unterwegs dann hinüber ins Lokal von Giorgios Schwager. Oder dann wieder Pflege der Kameradschaft und Freibier und dasitzen im Gelächter Witze Gelächter. Oder Marti wie er kennt ihr den fragt. Oder dann wieder das Lamm am Spieß also wirklich spitze auch Gemüse dazu. (VG 78–80)

Äußerst wichtig ist bei dieser organisierten Gewalt die gemeinsame Unterhaltung, damit alle von ihrer Zugehörigkeit überzeugt sind, damit sie sich mit der Gruppe identifizieren und widerspruchslos mitmachen. Nach der „generalstabsmäßig“ abgehaltenen Sitzung und der der „Pflege der Kameradschaft“ geltenden Unterhaltung, bei der Freibier und Lamm am Spieß serviert werden, was übrigens offensichtlich eine grausame Anspielung auf die christliche Opfergabe ist – und möglicherweise auch auf Heinrich Bölls Symbolik der Lämmer und Büffel in dem mit dem Nationalsozialismus und seiner Ideologie abrechnenden Roman Billard um halb zehn (1959) – fahren alle „generalstabsmäßig“ wieder zu der Asylantenbaracke beim Gaswerk, um das Problem der Asylanten endgültig zu lösen:

Generalstabsmäßig die Aktion die vier Motorräder voraus und Kuhns Lieferwagen zuhinterst Schaad und einzeln vorbei hinunter. Lichter unten in der Baracke und einzeln vorbei die Vorbeifahrt langsam mit Abblendelicht. Generalstabsmäßig.
Aber. Dann weiterfahren gradaus Polo weiter fährt langsam gradaus an Marti vorbei in die Nacht und weiter auf einmal so überhaupt keine Stimmung mehr nur weiter nur weg auf dem Feldweg langsam. Dann nur nicht an die zweite Durchfahrt dahinten an generalstabsmäßig nicht denken an Kuhn an den Molotow durch die Luft nicht an die Schüsse die Flammen dahinten nur weiter nur fort. (VG 82)

Erschreckend ist bei solchen gewalttätigen Gruppenaktionen, dass dabei individuelles, selbstständiges Denken und Urteilen völlig ausgeschaltet wird und dass man sich dank dessen auch für die eigenen Taten nicht verantwortlich fühlt, was zu noch brutalerem Zugreifen anspornt. Und wenn man sich – wie Polo – von der Gruppe entfernt, so muss man doch weiterhin mit ihrer Meinung rechnen, um nicht zum Verräter abgestempelt zu werden. Daher wird Polo stets von der Angst geplagt, dass seine Kameraden von der thailändischen Frau in seiner Wohnung erfahren, aber er hat auch Angst vor seinen Nachbarn, die mit ihrem schematischen Denken ebenfalls mit hasserfüllten Worten gegen ‚Überfremdung‘ wettern:

Wassoll da Polo wenn er zur Haustür wieder herein wenn da im ersten Stock wieder Herr Bundi steht unter der Wohnungstür? Und sagt Herr Ferro jetzt haben wir die Bescherung jetzt nebenan auf dem gleichen Stock zieht eine Horde von Kurden ein nebenan. Und weiß Herr Ferro wer die Miete bezahlt wir Steuerzahler? Und Herr Bundi hat es vom Hausverwalter persönlich daß die städtische Fürsorge mietet schließlich doch unser Geld? Wassoll da Polo wenn Herr Bundi und drüben die Türken wenn er und die zwei schwulen Neger sagt im Vierten und die Portugiesen nach hintenhinaus sind wir eigentlich hier im Zoo. Wassoll Polo anderes sagen wo er die Treppe weiterhinauf als allmählich reichts allmählich eine richtige Sauerei allmählich Zeit wo wir zusammenstehn wo wir Ordnungeigenhändigordnung Herr Bundi und Guten Tag dann noch. (VG 58–59)

Angesichts dieses allgemein herrschenden Fremdenhasses hat also Polo offensichtlich keine andere Wahl als mitzumachen, denn er hat nicht genügend Mut, um sich diesem Hass zu widersetzen. Aus Angst macht er also mit und er kann dabei niemandem erzählen, dass sich bei ihm eine illegale Emigrantin mit „Schlitzaugen“ aufhält. Er kann es nicht einmal Billie sagen, die er in der Nervenanstalt besucht, weil er sich fürchtet, dass sie ihn auslachen würde. Vor allem aber dürfen weder seine „Kameraden“ noch sein Nachbar von seiner „Thai“ erfahren. In der Sitzung der Patriotischen Front denkt er also ununterbrochen an die „Asiatin“ (VG 48) in seiner Wohnung:

Dann wieder Gerede und wenn Thai nur nicht ins Treppenhaus und Herr Bundi unter der Tür. Oder wenn nur ja keiner von den Kameraden hier oder am Ende plaudert noch Elsa das Ganze herum? (VG 79)

Vielleicht ist diese Angst davor, dass er nicht wie die anderen denkt und dass er dadurch aus der Gemeinschaft ausgeschlossen wird, einer der Gründe – oder vielmehr eine Begründung vor sich selbst –, warum er die thailändische Frau, die er doch liebgewonnen hat, schließlich tötet. Doch dies scheint immer noch keine ausreichende Erklärung zu sein, denn offensichtlich liegen die wahren Ursachen seiner brutalen Tat viel tiefer.

Das „Sichhassenmüssen“ als Urquelle der Gewalt

In der Verlorenen Geschichte gilt das Interesse des Autors jedoch weniger den Rechtsextremisten und ihren fremdenfeindlichen Aktionen als vor allem der Frage nach den Ursprüngen der Gewalt im Menschen. So fragt er darin, wie einer wie Polo zum Vergewaltiger wurde, wie er zum gewalttätigen Rassisten und schließlich zum Mörder wird. Zu diesem Zweck skizziert er Polos Milieu und die Eintönigkeit seines Alltags, und so erweist sich allmählich, dass sein Leben sowohl in der wirtschaftlichen als auch in der zwischenmenschlichen Sphäre durch Gewalt dominiert wurde. Hinzu kommt, dass er keine Ausbildung und folglich keine Chancen auf eine bessere Stelle hat, dass seine Firma pleite macht und er arbeitslos wird. Die leeren Versprechungen der Gewerkschaften helfen ihm nicht weiter. Jeder Versuch, sich einer Frau anzunähern, misslingt, in allen Lebensbereichen erlebt er Niederlagen. In dem bereits erwähnten veröffentlichten Briefwechsel mit Urs Allemann charakterisiert also der Autor Polos Lebensbedingungen wie folgt:

Einübung in gesellschaftliches Leben durch beschädigtes, liebe-armes Milieu; schwerer Mangel an Bildung und Ausbildung; Verlust von Bindungen, von Herkunft, Sicherheit; von Geschichte, von Sprache; Verlust von Selbstachtung, vorenthaltene Bestätigung auch im Beruf; sozialer Abstieg, nachdem schon der Aufstieg misslang – kurz und schlecht: verpfuschtes Leben.39

Unter diesen Bedingungen fühlt sich Polo völlig hilflos, was die sich refrainartig wiederholende Formel „wassoll da einer wie Polo“ anzeigt. Daher wird er gewalttätig, weil er unfähig ist, auf sein allmähliches Absinken in der Gesellschaft anders zu reagieren. Doch gleichzeitig lässt der Autor in Polos inneren Monologen und Erinnerungsfetzen noch andere mögliche Gründe seiner Aggressivität aufscheinen. In diesem Sinne ist Die verlorene Geschichte vor allem eine Erkundungsfahrt durch Polos Bewusstsein, durch das Gemisch seiner Erinnerungen, Vorstellungen und aktuellen Wahrnehmungen.

Als eine äußerst wichtige Ursache der Aggressivität Polos und überhaupt ein Schlüsselbegriff „fürs Wahrnehmen der Ursprünge von Gewalt (in uns)“40 wird von Otto F. Walter der Selbsthass hervorgehoben, der in Polos Geschichte gleich am Anfang auftaucht: „Mit diesem Sichhassenmüssen sich dadrin?“ (VG 7). Dieser Selbsthass, der aus Enttäuschung über ein misslungenes Leben erwächst und durch den sozialen Abstieg noch verstärkt wird, scheint Polo bereits in seiner Kindheit geprägt zu haben. Da müssen die Wurzeln des Bösen in seiner Natur liegen, damals schon muss sich in ihm ein emotionaler Defekt herausgebildet haben, was Polos Erinnerungsfetzen bezeugen: Als Kind ersäufte er ein Kaninchen, als Knabe bewarf er ein Kälbchen mit Steinen, als Jugendlicher zerstörte er das Leben seines Vaters. Wo liegen also die Ursachen dieser frühen Brutalität? Da kann der Leser nur mutmaßen, er bekommt zwar hierfür ein paar vage Hinweise, doch der Autor weiß, dass die menschliche Natur zu kompliziert ist, als dass man sie eindeutig erklären könnte. Er lässt daher Bilder aufscheinen, in denen eine Erklärung liegen mag, fügt sie aber nicht zusammen; er befragt seine Figur, verurteilt sie aber nicht, und er versucht, sie zu verstehen, aber er entschuldigt sie nicht. Aus Polos dumpfen Erinnerungsfetzen steigen zwei dunkle Bilder auf, die vielleicht auf eine allzu große Erziehungsstränge und -härte seiner Eltern hindeuten. Einmal ist es eine Hand, die Polo streichelt, aber auch zuschlägt:

erinnern. Jemand. Fetzen von. Sich erinnern. Eine Hand. Streichelt. Schlägt zu. Streichelt. Manchmal. Nur so Fetzen von. Blitzt herauf. Vor langer Zeit. Schlägt. Streichelt. Uralt. Schlägt zu. Sich erinnern. Aber. Wie verloren. Von fern her (VG 77)

Ein anderes Mal ist es ein erhobener, drohender Finger, der Polo Respekt beibringt:

oder ja sagen müssen. Nicken jaja. Schmerz. Wie so von fern her. Wie durch die Jahre herauf. Jaja. Nicken. Verstanden. Ein großer Finger. Erhoben. Nochmal. Verstanden nochmal hastdu verstanden. So wie nur dunkel da. Nicken. Ja. Lieb sein. So wie herauf. Durch die Jahre herauf herüber. Ein großer Finger. Erhoben vor Polos Gesicht. Dunklich. Nochmal. Jaja. Brav sein. Sofort brav. Wie Schmerz. Schlagenwollen. Schlagenbeißen. Neinsagenwollen. Jasagen. Verstanden. Nicken. Ein alter Finger. Von fern her. Dreinschlagen wollen. Dunkel da. Fortwollen. Nicken jaja. Fortrennen dreinschlagen beißen. Sich in den Handrücken beißen wollen. Nicken. Verstanden. Ja (VG 86, Herv. D. S.)

Die ambivalenten Gefühle, die sich schon damals bei dem Kind herausgebildet haben, sein Bravseinmüssen, die unterdrückten Rebellionen und die Sehnsucht nach Geborgenheit führten vermutlich zu einem masochistischen Verhalten und einem Zwang zur Zerstörung all dessen, was Polo „etwas vom Liebsten“ (VG 54) war, weil er dies nicht verlieren wollte und weil er zugleich glaubte, dies nicht verdient zu haben. Als ihn also die Mutter sich ein kleines Kaninchen aussuchen ließ, das ihm gehören sollte, während sie die anderen ertränkte, nahm er sein Kaninchen in die zitternden Hände und ertränkte es ebenfalls. Da ihm auch das weiße Kälbchen „etwas vom Liebsten“ war, musste er darauf mit Steinen werfen, bis es blutete. Als Dreizehnjähriger stahl Polo in der Dorfkirche einen goldenen Kelch, vergrub ihn und log den Pfarrer an, sein Vater habe ihn zum Diebstahl angestiftet. Der Vater wurde zu drei Monaten Haft verurteilt, die Strafe wurde zwar aufgehoben, aber Polo musste das Haus verlassen und zu einem Bruder des Pfarrers in die Lehre gehen. Von dort schrieb er Briefe an den Vater, die er aber nie abgeschickt hat, und so sah er den Vater erst auf dem Totenbett wieder. Auf die Feststellung seiner Freundin Manuela hin, er müsse seinen Vater sehr gehasst haben, antwortet Polo: „Muss nein sagen muss sagen gehasst doch nicht ihn nicht den Vater hab doch gehangen an ihm.“ (VG 14) So zerstört Polo alles, was er liebt und was ihm wichtig ist, weil er sich selbst hasst. Er vergewaltigt Billie, nicht nur, weil sie sich ihm verweigert, sondern womöglich auch, weil sie der einzige Mensch ist, der zu ihm steht. Außerdem erzählt ihm Billie Geschichten von San Domingo, und da er nicht unterscheiden kann, dass sie nur phantasiert, bekommt er Angst, sie könnte nach San Domingo gehen. Als es also schließlich scheint, dass eine innige Beziehung zwischen ihm und seiner ,Thai‘ entsteht, erwürgt er sie, denn was er liebt, was ihm zu nah ist, muss er töten:

Bleib Thai und wieder diese Hitze dadrin herauf. Und wieder wie das hämmert der Puls das Herz. Und wieder so wie von fern heran wie Nebel der dreht sich im Kopf ein Gefühl wie Glück und diese Angst ist zu nah was er liebt. Was er hasst liebthasstliebt was er doch liebt und muss sich muss seine Hand hassen wie nicht die seine die presst langsam zu das muss sie. (VG 103; Herv. D. S.)

Eine wichtige Rolle bei dem Mord scheint auch der Gedanke zu spielen, dass ,Thai‘ weggehen könnte, denn wie Billie von San Domingo beginnt auch sie von ihrer Heimat zu schwärmen, insbesondere während des Ausflugs am Palmsonntag (vgl. VG 95). Und da muss Polo sie fragen „Thai will doch nicht etwa nachhause?“, und er hat auch gleich „ein flattriges Gefühl dadrin“ (VG 96). So ist der Mord an der Frau von zwei wichtigen Gedanken umklammert: „Bleib Thai“ bildet den Ausgangspunkt für die Gewalttat Polos, der kurz nach dem Mord folgende Gedanke: „dass die kein Mekong mehr“ (VG 104) klingt dann wie ein Schlusspunkt hinter dem Mord. Vielleicht will Polo auf diese Weise den Verlust der Geliebten – wie etwa bei dem Kaninchen – rechtzeitig verhindern, denn indem er das ,Liebste‘ sich selbst opfert, gehört es nur noch ihm allein. Sicherlich aber kommt dabei auch dem Selbsthass eine sehr große Bedeutung zu, was Polos Gedanken beim Erwürgen der Frau bezeugen.

Bei Polos Mordtat kann darüber hinaus die Erinnerung an ein Kindheitserlebnis eine gewisse Rolle gespielt haben: Nachdem er nämlich als Zehnjähriger auf „einer Wiese in der Nähe des Großmutterhauses“ (VG 101) dem Angriff zweier Krähen auf einen Bussard zugeschaut hatte, fand er zusammen mit dem gleichaltrigen Bruno im Randgebüsch eine Frauenleiche mit blauen Schuhen, was sicherlich nicht ohne Auswirkungen auf die Psyche des Kindes blieb. Dieser ,Fund‘ war Polos und Brunos gemeinsames Geheimnis, sie haben dann für die junge, mit ihrem eigenen Halstuch erdrosselte Frau ein Grab geschaufelt und sie darin verscharrt, am Abend eine Kerze angezündet und das Weihwasser „darüberhingesprengt“ (VG 38). Als Polo dann Jahre später mit seiner ,Thai‘ auf der Wiese liegt, wo sie zum Palmsonntag picknicken, richtet er seine Augen auf ihre nackten Füße und bezeichnenderweise auf die blauen Schuhe im Gebüsch:

Oder wenn Polo aus dem Augenwinkel die zunen Schlitz Augen nah bei sich die Wimpern zittrig wie Flügel von Sommervögeln oder er hat nah neben sich ihre Brüste so fein nah neben sich die Gürtelschnalle das hebt das senkt sich so zart Thai lebt ganz nah ganz lebendig. Lebt nicht nur in Polos Kopf lebt nah lebt eine richtige Frau. So ein diemiges Gefühl dadrin und wie klickrig dazu und diese zarthaftigen Fesseln Füße nackt in der Sonne nackt. Und da drüben im Busch die Schuhe von Thai so klein beim Strunk. So blau. (VG 99–100, Herv. D. S.)

Das Bild der blauen Schuhe und die Erinnerung an die ermordete Frau wirken einerseits wie eine Ankündigung der bevorstehenden Mordtat Polos, doch andererseits kann man sie vielleicht auch als einen Mordimpuls, einen Auslöser der Tat deuten – der zwanghaften Wiederholung dessen, was sich in Polos Gedächtnis fest verankert hat und was ihn womöglich in die Zeit der Kindheit zurückführt: die wehrlose Frau mit blauen Schuhen, die Naturszenerie mit dem Gebüsch, die Wimpern der Frau wie „Flügel von Sommervögeln“ und das „diemige Gefühl dadrin“. Polo versucht zwar, sich von seinen Erinnerungen zu befreien, „platscht sich Aarewasser zwei dreimal ins Gesicht“ (VG 101), aber die Bilder der Vergangenheit lassen ihn nicht in Ruhe und er sie auch nicht:

Oder dannwieder von Welschenrohr her hierher so Fetzen dadrin Aufblitzen so wie hinter Nebeln verschwommen. So wie durch Nebel von der Wiese unter dem Großmutterhaus herauf so wie ein Bild vom weißen Kälbchen wie das verschwimmt wieder weg wieder verloren. Aber dannwieder es holen heraufholen wollen durch die Jahre das Bild wieder herauf so wie der Geruch Weihrauch Geruch von Palmsonntag. (VG 101, Herv. D. S.)

Als sich in Polo noch das Bild des blutenden weißen Kälbchens verfestigt, nach dem er in seiner Kindheit mit Steinen warf, kommt er auf seine ,Thai‘ zu und erdrosselt sie. Nach dem Mord beißt er sich in die Daumenwurzel, damit es schmerzt – wie einst vor dem großen, erhobenen Finger:

Wassoll da einer. Wassoll da einer wie Polo kommt wie zurück kommt langsam durch die Jahre zurück das ist die Sumpfdrossel drüben. Wo Thai doch in seinem Arm so ruhig so bleich. Washat einer was wieder getan und dieses Atmen schnell ein und aus. Wassoll einer wasanderes als Thai hinlegen sacht hin. Hebt seine Hand vors Gesicht schaut sie an dreht sie langsam zum Mund beißt in die Daumenwurzel beißt langsam zu beißt zu das schmerzt und wie warm das Blut. Und leckt drüberhin. Steht da über Thai. Kniet sich langsam hin beugt sich horcht noch an ihrer Brust. Schaut sie an Thai komm zurück. Küsst ihre Stirn. (VG 104; Herv. D. S.)

Polos Mord an der Frau lässt sich freilich keineswegs auf eine rationale Weise erklären. Vieles mag ihn zu der Gewalttat animiert haben, viele krankhafte Gedanken und Erinnerungen mochten dabei eine Rolle gespielt haben. Seine Gräueltat entspringt jedoch sicherlich nicht dem Fremdenhass, sie ist nicht Angriff, sondern eine rein mechanische Abwehr, aber auch eine Selbststrafe für alles, was er selber in seinem Leben verpfuscht hat.

Polo scheint somit ein Mensch mit einem Defekt existenzieller Art zu sein: Er ist unfähig, die eigene Vergangenheit aufzuarbeiten, so dass diese ihm verloren gegangen ist. Ihm ist die eigene Geschichte abhanden gekommen, seine Kindheit ist ihm nur noch in zerfetzten Bildern greifbar, die in ihm plötzlich und unbewusst aufsteigen. Er hat seine Erlebnisse nie verbalisiert, da er Probleme hat, sich zu artikulieren. So bekommt der Titel der Verlorenen Geschichte eine mehrfache Bedeutung: Er steht für die verlorene Vergangenheit und die verlorenen Erinnerungen, folglich für die verlorene Herkunft und damit auch verlorene Identität Polos. Ebenso aber meint der Titel die verlorene Sprache und die Unfähigkeit, sich anderen mitzuteilen, was Polo zur Einsamkeit verurteilt. Infolge all dessen fühlt er sich in der Welt verloren und von daher rührt offensichtlich seine Frustration, die er nur mit Gewalt abreagieren kann.

Durch die deutliche gesellschaftlich-politische Akzentuierung der dargestellten Geschehnisse wird somit Polo in Walters Werk zum potentiellen Vertreter der Gewalttätigen und der Rechtsradikalen. Durch die Betonung seiner existenziellen Verlorenheit, seiner Vereinsamung und Sprachunfähigkeit, seiner Herkunft und der ihn vernichtenden sozialen Verhältnisse erscheint er aber gleichzeitig wie ein moderner Woyzeck. Denn er ist wie Woyzeck „ein erniedrigtes und ausgebeutetes Opfer seiner Herkunft und der sozialen Verhältnisse“41, und er ist genauso ausgeliefert und sprachlos wie seine Opfer: sowohl die wehrlosen Tiere als auch die thailändische Frau, die kein Deutsch spricht und in der Erzählung namenlos bleibt. Doch zugleich ist Polo „der nationalistische und rassistische Täter“ 42, ein Vergewaltiger und Mörder, bei dessen Handlungen nicht nur die sozialen Verhältnisse von Bedeutung sind, sondern auch mehrere persönliche Gründe im Spiel sein können. Darin zeigt sich auch der wesentliche Unterschied zwischen Polo und Woyzeck, dessen Tragödie vor allem als eine Folge der herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse mit größter Konsequenz geschildert wird. Indem nämlich der verhetzte Woyzeck seine Geliebte tötet – den einzigen Menschen, der ihm wichtig ist – zerstört er auch sich selbst. So erscheint er als ein tragisches Opfer der sozialen Verhältnisse und Büchners Stück kann als eine Analyse der Gesellschaft, die den einzelnen vernichtet, zugleich als eine psychopathologische Studie über die Entwicklung der geistigen Krankheit bei Woyzeck gelesen werden.

Demgegenüber muss – und soll – die Geschichte Otto F. Walters um Polo Ferro recht konstruiert wirken. Die Gründe der Gewalttätigkeit Polos sind nicht eindeutig zu erklären und die Tatsache, dass es so viele verschiedene Gründe geben mag, betont um so mehr den repräsentativen Charakter und damit die Konstruiertheit dieser Figur. Auch Polos Sprache soll nicht als ein Abbild des Realen erscheinen, sondern ist durchaus als ein konstruiertes Gebilde zu verstehen. In Walters Erzählung handelt es sich somit – anders als in Büchners Drama – nicht um eine gesellschaftliche Analyse oder psychopathologische Studie, sondern vielmehr um ein literarisches Experiment mit Erkundungscharakter, das allerdings derselben Frage wie Büchners Drama gilt: „Was ist das, was in uns lügt, mordet, stiehlt?“43 Otto F. Walter liefert jedoch keine eindeutige Antwort auf diese Frage, offensichtlich weil es keine solche Antwort gibt. Er lässt lediglich die vielen möglichen Erklärungen aufscheinen, die auf verschiedene reale Gewalttäter zutreffen könnten, und so zeigt er Polos sadomasochistisches Verhalten auf, seine prägenden Kindheitserlebnisse und die vermutlich allzu restriktive Erziehung im Elternhaus, die fehlende Verarbeitung des Erlebten, aber auch die aktuellen Frustrationen, die ihre Wurzeln in seiner sozialen Lage haben und ihn dem Einfluss der Rechtsradikalen ausliefern. Was aber Polo schon seit der Kindheit zu gewaltigen Taten antrieb, lässt sich nicht eindeutig feststellen, denn die wahren Gründe liegen im Dunklen, sind zerfetzt, sind in der ,verlorenen Geschichte‘ verloren gegangen.


  1. Otto F. Walter: Das Positive und die zeitgenössische Literatur. Binsenwahrheiten und Thesen (1962). In: ders.: Gegenwort. Aufsätze, Reden, Begegnungen. Hrsg., mit einer Nachbemerkung u. einer Bibliographie versehen v. Giaco Schiesser. Zürich 1988, S. 18.
  2. Linards Udris: Politischer Extremismus und Radikalismus. Problematisierung und diskursive Gelegenheitsstrukturen in der öffentlichen Kommunikation der Deutschschweiz. Wiesbaden 2011, S. 296.
  3. Ebd.
  4. Dringende Interpellation: Rassismus und Extremismus in der Schweiz. Verfügbar über www.parlament.ch/afs/data/d/gesch/1989/d_gesch_19890710_002.htm (Zugriff 28.07.2016).
  5. Ebd.
  6. Die Nationale Aktion (NA), deren Mitglieder mehrere Anschläge auf linke und karitative Büros und Einrichtungen verübt haben und daher 1991 vom Neuenburger Gericht verurteilt wurden, änderte 1990 den Namen in Schweizer Demokraten (SD). Diese nationalistische und konservative Partei mit starken isolationistischen Tendenzen, die 1961 in Winterthur gegründet wurde, war von 1967 bis 2007 im Nationalrat vertreten, doch verlor dann zunehmend Mitglieder und Parlamentssitze an die Schweizerische Volkspartei. Schon seit ihrer Gründung bis heute wendet sie sich gegen „Überfremdung von Volk und Heimat“ und steht im Kampf gegen „Überbevölkerung des Lebensraums Schweiz“ (www.schweizer-demokraten.ch/positionen/sd-programm.shtml). Sie betont die nationale Identität und die Schweizer Neutralität und wendet sich entschieden gegen eine Annäherung der Schweiz an die Europäische Union. Vgl. dazu: Schweizer Demokraten, in: de.wikipedia.org/wiki/Schweizer_Demokraten sowie die Website der SD: www.schweizer-demokraten.ch.
  7. Dringende Interpellation, wie Anm. 4.
  8. Vgl. Udris, wie Anm. 2, S. 297.
  9. Vgl. ebd., S. 297-299.
  10. Otto F. Walter: Die verlorene Geschichte. Erzählung. Reinbek bei Hamburg 1993, S. 21. Im Folgenden werden Zitate aus dieser Erzählung direkt im Text mit der Sigle VG und der Angabe der Seitennummer ausgewiesen.
  11. Otto F. Walter, in: Hanspeter Rederlechner: „Die Literatur hat mit Erinnerung zu tun“. Ein Gespräch mit Otto F. Walter. In: Solothurner Zeitung, 4.06.1993.
  12. In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre entstand in der Deutschschweiz – in Anknüpfung an die faschistische Nationale Front der 1930er Jahre – eine stark im Skinhead-Milieu verankerte sog. Frontenbewegung, die fremdenfeindliche Propaganda betrieb. Die größte rechtsextreme Gruppierung war die 1988 in der Innerschweiz gegründete Patriotische Front, die mehrere Gewalttaten – Überfälle, Brand- und Bombenanschläge – gegen Ausländer verübte. Infolge verschiedener Strafverfahren und Gerichtsurteile geriet sie dann allmählich in Verruf. Vgl. dazu den von dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement, dem Bundesamt für Polizei und der Schweizerischen Bundespolizei im September 2000 verfassten Bericht „Skinheads in der Schweiz“, verfügbar über: www.rechtsextremismus.ch/m/mandanten/170/download/Bericht_Skinheads_in_der_Schweiz_2002.pdf, S. 31f. (Zugriff 28.07.2016).
  13. Vgl. Urs Allemann: Aber wassoll einer. Wassoll einer wie Polo… In: Basler Zeitung Nr. 128 (5.06.1993), S. 42.
  14. Ebd.
  15. Die ‚Solothurner Literaturtage‘ wurden von einer Vielzahl von Schweizer Autoren, Literaturkritikern, Journalisten, Buchhändlern u. a. gegründet, um für aktuelles Literaturschaffen in der viersprachigen Schweiz ein öffentliches Forum zu schaffen und die Kontakte zwischen Autoren, Publikum, Medien und Verlegern herzustellen und zu fördern. Genauer dazu siehe u. a.: Dorota Sośnicka: Die aktuelle Schweizer Literatur im Spiegel der „Solothurner Literaturtage“. In: Barbara Rowińska-Januszewska (Hrsg.) unt. Mitarbeit v. Dorota Sośnicka: Helvetische Literaturwelten im 20. Jahrhundert. Poznań 2003, S. 221–238; sowie Sabine Haupt: Kreuz-Fidel. Zwanzig Jahre Solothurner Literaturtage. In: Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): Literatur in der Schweiz. München 1998 (Text und Kritik, Sonderband), S. 227–234.
  16. Otto F. Walter: Mein Leben – zu Lebzeiten. Eine Skizze (Solothurn, im Juni 1988). In: Quarto. Zeitschrift des Schweizerischen Literaturarchivs (SLA) Nr. 2 (1993), S. 20–24, hier S. 24.
  17. Zum Gesamtwerk Otto F. Walters, zu den von dem Schriftsteller behandelten Themen sowie zu seinen diversen formalen Experimenten vgl. Dorota Sośnicka: „Diese montierende Arbeit am ‚Mischpult‘ …“: Die Collage- und Montagewerke Otto F. Walters. In: dies.: Den Rhythmus der Zeit einfangen: Erzählexperimente in der Deutschschweizer Gegenwartsliteratur unter besonderer Berücksichtigung der Werke von Otto F. Walter, Gerold Späth und Zsuzsanna Gahse. Würzburg 2008, S. 195–298 sowie Dorota Sośnicka: Die „Lust am Spiel“: Zum Schaffen Otto F. Walters. In: Günter Häntzschel, Sven Hanuschek, Ulrike Leuschner (Hrsg.): Zur deutschsprachigen Literatur in der Schweiz. treibhaus. Jahrbuch für die Literatur der fünfziger Jahre, Bd. 7, München 2011 (edition text + kritik), S. 210–230.
  18. Vgl. dazu u. a. Hans Wysling: Zum Deutschschweizer Roman von 1945 bis zur Gegenwart. In: Schweizer Monatshefte 64 (1984) H. 4, S. 335–347, hier S. 336
  19. Elsbeth Pulver: „Niemand schrie“. Die ersten Erzählungen von Otto F. Walter. In: Quarto. Zeitschrift des Schweizerischen Literaturarchivs (SLA) Nr. 2 (1993), S. 35–40, hier S. 35.
  20. Wilfred Schiltknecht: O. F. Walter et l’engagement littéraire. In: Quarto. Zeitschrift des Schweizerischen Literaturarchivs (SLA) Nr. 2 (1993), S. 58–61, hier S. 61.
  21. Otto F. Walter in einem Interview mit Martin Lüdke: Nachgefragt. Fragen an den Autor, 1977 und 1992. In: Martin Lüdke (Hrsg.): Der Ort einer verlorenen Utopie. Essays zum Werk von Otto F. Walter. Reinbek bei Hamburg 1993, S. 225–258, hier S. 226.
  22. Otto F. Walter, zit. nach: Hans Stempel: Streicheln, liebkosen, töten. Otto F. Walters Psychogramm „Die verlorene Geschichte“. In: Frankfurter Rundschau, 23.10.1993, S. 27.
  23. Otto F. Walter: Vom Anfangen (27.07.93). In: Quarto. Zeitschrift des Schweizerischen Literaturarchivs (SLA) Nr. 2 (1993), S. 62–64, hier S. 62.
  24. Otto F. Walter; zit. nach: Heinz Schafroth: Über die allmähliche Verfertigung der Sprache beim Erzählen. Die verlorene Geschichte – Auf der Suche nach einem neuen Sound. In: Quarto. Zeitschrift des Schweizerischen Literaturarchivs (SLA) Nr. 2 (1993), S. 66–69, hier S. 68.
  25. Walter, wie Anm. 23, S. 63.
  26. Ebd., S. 63f.
  27. Genauer zu der sprachlichen Gestaltung der Erzählung vgl. Sośnicka: : „Diese montierende Arbeit am ‚Mischpult‘ …“, wie Anm. 17, S. 290–293.
  28. Otto F. Walter, Urs Allemann: Von der gnadenloshaftigen Undurchscheinbarkeit. Zeitungsbriefwechsel zwischen Otto F. Walter und Urs Allemann. In: Basler Zeitung (Sonderbeilage), Nr. 233 (6.10.1993), S. 1–5, hier S. 5.
  29. Der Autor selbst vermerkte dazu, in der Verlorenen Geschichte schuf er eine „Sprache, die sich zwischen dem, was die Sprachwissenschaft inneren Monolog nennt, zwischen Bewusstseinsstrom und erlebter Rede changierend bewegt“. (Walter, wie Anm. 23, S. 63.)
  30. Walter, wie Anm. 28, S. 3.
  31. Dem mutmaßlichen Schöpfer des inneren Monologs Edouard Dujardin zufolge kann diese Darbietungsart von Bewusstseinszuständen sowohl in der ersten – was meistens geschieht – als auch in der dritten Person realisiert werden. Beim inneren Monolog in der dritten Person spricht er von „monologue intérieur indirect“ und betont, dass dabei das ,Er‘ eigentlich das ,Ich‘ meint. Als Subjekt der Aussage fungiert hier somit immer noch die Figur und nicht der Erzähler, wie dies bei der erlebten Rede der Fall ist, wo trotz der Wahl der Figurenperspektive der Erzähler das Wort behält. (Edouard Dujardin: Le monologue intérieur. Son apparition, ses origines, sa place dans l’oeuvre de James Joyce. Zit. nach Jean-Maurice Martin: Untersuchungen zum Problem der Erlebten Rede. Der ursächliche Kontext der Erlebten Rede, dargestellt an den Romanen Robert Walsers. Bern, Frankfurt a.M., New York, Paris 1987, S. 108.)
  32. Zu den wichtigsten intertextuellen Bezügen der Erzählung vgl.: Sośnicka: „Diese montierende Arbeit am‚Mischpult‘ …“, wie Anm. 17, S. 293–297.
  33. Walter Hinck: Ausgerastet, nicht ausgebremst. Otto F. Walters schweizerischer Woyzeck. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1.10.1993.
  34. Ebd.
  35. Allemann, wie Anm. 28, S. 2.
  36. Walter, ebd., S. 1.
  37. Ebd.
  38. Ebd. Zu diesem Namen bekannte übrigens der Autor: „Diesen Namen für einen Typus des übelsten Menschenschlags immer mal wieder zu verwenden, ist meine rein private Rache. Rache an einem Anwalt gleichen Namens (mit Kanzlei in Basel). (Er hat, in den siebziger Jahren, zweimal versucht, meine Existenz zu zerstören).“
  39. Ebd.
  40. Ebd.
  41. Schafroth, wie Anm. 24, S. 67.
  42. Ebd.
  43. Georg Büchner, zit. nach: Ernst Johann: Georg Büchner in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Hamburg 1958, S. 86. Diese Frage, die Georg Büchner in einem undatierten Giessener Brief an seine Braut formulierte, gibt den Schlüssel sowohl für sein ganzes späteres Verhalten wie auch für sein dramatisches Werk. Sie wird fast wörtlich in Dantons Tod (1835) wiederholt, ihrer Beantwortung gilt aber auch sein berühmtestes Stück Woyzeck (1837).